TOCOTRONIC

WIE ICH BEI TOCOTRONIC EINMAL SAUDUMM VERSAGT HABE

Als ich 1995 das Material für die erste Compilation bei Trikont, “Wo ist zuhause Mama”, beisammen hatte, und 100 Minuten endlich, mit blutendem Herz, eingestrichen auf die nötigen 74 o.ä., bekam ich eine Single aus Hamburg, vier Songs, Tocotronic. Es haute mich um, “Gitarrenhändler, ihr seid Schweine” und alle anderen.

Ich hätte nun einen Song raushauen müssen, um einen von diesen Hamburger Milchbuben reintun zu können. Aber das schaffte ich einfach nicht. Weil ich inzwischen jeden der verbliebenen Songs, die zur Veröffentlichung bereit standen, liebte.

Ich ahnte nicht, dass ich eines Tages damit hätte angeben können. Der erste Tocotronicsong auf CD, Alter, erzähl mir bloß gar nichts! – (Auf #2 kam dann “Du bist ganz schön bedient”). – Heute interessiert es ja keinen mehr, wenn ein alter Mann sagt, dass er ihre Single, genau betrachtet, hatte, jawohl, bevor sie selber eine hatten, verstehste.

Dann kamen die Jahren, in denen ich verbitterte. Es waren die Tocotronicnachmacher, die kräftig abräumten. Ich glaube, ich fand und finde keinen von ihnen auch nur erträglich. Ich war glücklich, als ich merkte, nein, diese Band gibt nicht auf und ihr wird immer was Gutes einfallen. Egal, wenn mal nicht so viel von ihr gesprochen wird.

Von denen, die die Spur, auf irgendeine Weise, für die Band gelegt hatten, redet auch kaum jemand.
Kolossale Jugend, Christof Schreuf.

“Deutschland, halt’s Maul”. (Auch ohne “…”).

Hat immer weitergemacht, und nie was Schwaches dabei. Ich hätte auch gerne mal eine Sammlung, in Buchform, der kleinen Texte, die er in den letzten Jahren für die junge Welt geschrieben hat.

Was ich gerne hätte, ist viel mehr als nur die nächste blöde Zigarette. Und das Nette – kann mich. Nicht immer.

Mein liebstes Tocotronic-Cover kam (natürlich) von jemandem, der es nie nötig hatte, ihre Art zu texten aufzugreifen. Selber ein großer Songwriter: Nils Koppruch mit “Sie wollen uns erzählen”, auf der (ich glaube) zweiten Fink-Platte.

Auf diesem Gebiet passiert unglaublich viel Scheiß, sowohl im Produktions- wie im Verwaltungsbereich. Aber:

Was ist Musik? Da passt ein Satz, wenn man das eine Wort austauscht, den Burroughs ganz am Ende seines Lebens schrieb:

“Liebe? was ist das? das natürlichste schmerzstillende mittel, das es gibt”.
Falls es irgendwelche Götter gibt, sie mögen Tocotronic beschützen!
(Und mich in Ruhe lassen).

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