BRECHTFESTIVAL AUGSBURG 2013 (8=Ende)

Dies war auch das Ende meiner Serie „My own private Brechtfestival“ in der jungen Welt v. 11.2.:

Stimmen von innen/außen (auch als Audio-Guide)

Wie immer bei einem schwierigen Thema möchte ich wissen, was andere Menschen dazu so denken. Meine mündliche oder schriftliche Frage an mir un-/bekannte Stadtbewohner lautete: Was halten Sie vom aktuellen Brechtfestival? Hier die Ergebisse:

ALEXANDER EDIN, 44, hauptamtlicher Fanbeauftragter des FC Augsburg: „Thema diesmal: der junge Brecht. Warum fühl ich mich nach Durchsicht des Programms trotzdem altbacken?“ DANIELA BEHRENDT, 39, Justizvollzugsbeamtin: „Von dem Festival kriege ich nichts mit, denn ich wohne hier nicht. Aber mit Brecht bin ich praktisch aufgewachsen, ich komme aus Berlin-Ost. Ich liebe vor allem seine Schauspielerinnen. Die waren immer anders als, ja, „normale“ Schauspielerinnen, Käthe Reichel, Agnes Kraus und so.“ FRANZ WAHL, 39, Verkäufer: „Ich find´s irgendwie immer das Gleiche. Wobei, dieses Jahr finde ich die ‚Brecht-Geisterbahn‘ ganz toll.“

CHRISTOPHER KÖHLER, 24, Koch: „Dafür, daß Brecht gesagt hat, das Beste an Augsburg sei der Zug nach München, finde ich es gut, daß Augsburg drüber hinweg sieht.“ CHRISTINE DRAWS, 45, Verwaltungsjuristin: „Ich vermisse das abc-Festival. Das wurde dem ersten München-Pendler Brecht gerecht.“ MARCUS ERTLE, 30, Journalist: „Brecht ist immer dann gut, wenn er subversiv ist. Das Augsburger Brechtfestival läuft ein bisschen Gefahr, sich allein dadurch subversiv zu fühlen, dass man den Bürgerschreck Brecht feiert.“

SVENJA LIPCZINSKY,  24, Studentin: „Ich muß gestehen, daß ich im Moment gar nichts mitbekommen habe, weil ich grade mein Staatsexamen schreibe, über das Drama von Barock bis zur Neuzeit, also Brecht begleitet mich.“ SEBASTIAN LUTZ, 30, Gastronom: „Ausgelutscht.“ MATTHIAS LEIN, 32, Designer: „Es ist gut, daß es das gibt.“

Die Frage an mir un-/bekannte Bewohner anderer Städte lautete etwas anders: Was bedeutet Ihnen Bertolt Brecht?

OLIFR MAURMANN (alias GUZ), 47, Musiker: „Brecht ist mir immer auf den Wecker gegangen. Weil er rechthaberisch ist, oberlehrerhaft, ideologisch verpestet.“ CLAUDIA KNUPFER, 56, Schauspielerin: „Ich finde seine Texte fantastisch, seine Stücke und Gedichte. Er war für die Entwicklung des Theaters total wichtig. Die Stücke sind einfach unglaublich.“ TRINE PAULI, 45, Wirtin: „Brecht war für mich eine Erlösung.“

MATTHIAS HERING, 43, Autor: „Der ist immer schon da. Kaum beschäftigt man sich mit ´nem aktuellen Thema, hat Brecht schon ein Stück drüber gemacht.“ CHRISTIANE LEMBERT, 54, Ethnologin: „Bei Brecht gefällt mir das Umfeld, der Bühnenbildner Caspar Neher, Kurt Weill, seine Frauen. Und er hat ein paar kluge Sätze gesagt.“

Als ich letzte Woche den polnischen Autor Andrzej Stasiuk (52) traf, fragte ich ihn nicht nach Brecht, denn in seinem Buch ‚Dojczland‘ hat er alles dazu gesagt:

„Deshalb ging ich (…) auf die Suche nach dem Brecht-Haus. Nicht daß ich ihn besonders bewundert hätte. Ich war schon vierundvierzig. Als Jugendlicher habe ich die Dreigroschenoper im polnischen Fernsehen gesehen. Meine Eltern meckerten, das sei doch Blödsinn und ich solle umschalten, aber ich blieb bis zum Ende stur sitzen in dem Gefühl, das sei eine Art Rebellion gegen die Älteren. Jetzt aber suchte ich nach seinem Geburtshaus, einfach um mir die Zeit zu vertreiben. Auf dem Rain war es ein bißchen düster. Vor der Hausnummer 7 parkte ein roter Sportwagen. Eine sarkastische Geste des Kapitalismus gegenüber diesem Sohn des Proletariats, der elegante und teure Automobile über alles liebte. Der arme Kerl. Er hätte fünfzig Jahre später geboren werden sollen. Dann würde er an der Volksbühne inszenieren und danach mit seinem Porsche Cayenne Turbo nach Boltenhagen fahren, um über den Strand zu brausen. Oder mit einem BMW Coupé V10 nach Rußland, wo der KGB ihm für Petrorubel ein elegantes Theater kaufen würde.“

Mit dem Satz, den Stasiuk dann anfügt, möchte ich mich aus dieser logischerweise kurzlebigen Kolumne, zu der in meinem Blog ein paar Ergänzungen zu lesen sein werden, mit herzlichen – zu viele Augsburger würden sagen: „mit brechtigen“ – Grüßen verabschieden:

„Künstler sterben immer zu früh.“

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