DER LAUFENDE MOTOR

Im Sommer ist es mir immer am langweiligsten. Das ist schon komisch, weil es bei den meisten Leuten genau andersrum ist. Aber ich bin auch bei vielen anderen Sachen genau andersrum. Wahrscheinlich kommt das von der Sonne. Ich renne durch die Gegend und suche mir immer was zu tun. Zum Beispiel mache ich Berge von Geschirr sauber, und wenn keiner mehr da ist, besorge ich mir sofort den nächsten. Vielleicht habe ich einen Sprung in der Schüssel, aber dann habe ich damit immerhin Spaß.

Ich habe mich gerade vollkommen leergeschrieben, wie wir das in der Fachsprache nennen, aber was tue ich dann, und auch noch in der sogenannten Ferienzeit? Ich fange sofort das nächste an. Und es ist kein kleines Gedicht über Geschirrberge, das es zweifellos wert wäre, aufgeschrieben zu werden, denn wer von den Lyrikern schreibt denn heute noch über Geschirrberge – nein, es sieht mir verdammt nach dem Beginn von 584 Seiten aus. Das ist kein Wunder, weil es seit einiger Zeit geradezu Pflicht für jeden ist, der in dieser Branche irgendwo geparkt hat, aus jedem noch so kleinen Einfall einen Ziegel zu machen, mit dem man sein Kind erschlagen kann, wenn es wieder einmal beim Dichten stört. Diese Pflicht ist die, die mir zuerst an meinem tätowierten rechten Oberarm vorbeigeht; mein Problem ist, dass ich allzu leicht außer Kontrolle gerate, wenn die Pflicht mal wieder ruft. Dann geht´s also dahin, obwohl ich ja leergeschrieben bin.

Die ersten Zeilen habe ich gleich, wie es oft meine Art ist, aus der Zeitung genommen, ohne allzuviel zu verändern. Ich finde das in Ordnung, denn wenn man einen guten Satz liest, ist es egal, woher der kommt. Geht so: „Die Ministerin verließ die Kabinettsitzung in Berlin am Dienstag durch die Hintertür. Dort wartete bereits ein Auto mit laufendem Motor.“ signet_getawayc dontry.fi

Dann habe ich sofort meinen Anwalt angerufen. Das macht man heute so, das lernen sie heute schon am ersten Tag in der Dichtungsschule. Nur ein Dummkopf schreibt 584 Seiten voll und geht dann damit zu seinem Anwalt. Hat aber auch Nachteile. Mein Anwalt hat gesagt, ich hätte mehr als nur einen Sprung in der Schüssel, wenn meine Hauptperson Christa Haderthaler heißen soll. Dann habe ich zu ihm gesagt: „Okeh, dann mit K und ohne h hinter dem t.“ Dann hat er gelacht und gesagt: „Und was passiert mit ihr?“ Dann ich: „Wahrscheinlich weniger schlimme Sachen als in meinem letzten Buch.“ Dann er: „In aller Freundschaft, streich die Hälfte von dem Zeug schon jetzt.“

Soviel zu Anwälten.

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