BALKANBALKON (17)

In Belgrad in der Fußgängerzone kaufte ich mir die erste Platte, eine 10-inch in bretterdickem Vinyl. Sinti-Roma machten den Stand, der mehr Bücher als Platten hatte. Ich hatte natürlich keine Ahnung, wer Dorde Marjanovic ist, doch das Cover weckte mein Interesse, eine 8-Mann-Combo mit Kontrabass und Vibraphon, 1958, was sollte da schiefgehen. Aber es musste gehandelt werden, ich kam von 20 auf 5 Euro runter und wurde zurecht ermahnt, dass das viel zu teuer war, aber es war am zweiten Tag in der Fremde und ich hatte noch kein Gefühl für Geld. Ich verteidigte mich, dass ich das mit garantiert viel Gewinn weiterverkaufen könnte. Was man so sagt. Sehr nett: Während ich die Platten durchsah wurde ich von einer jungen Frau auf serbisch angesprochen, ein Schwall Worte, sie dachte, ich wäre der Chef vom Stand (noch bevor sie meine kaputten Zähne gesehen hatte!).

Aber folgendes, was ich dann doch sehr schön fand: Dorde Marjanovic ist heute 84, ein serbischer Star (und keineswegs ein „ehemaliger Sänger“ wie Wikipedia meint, denn es gibt keine lebenden ehemaligen Sänger, trotzdem Dank an das Lexikon!), der auch internationale Hits eingeserbischt hat und mit Lee Dorseys „Yaya“ in Kusturicas „Underground“ dabei ist. Mann. Ich hätte ihn in Belgrad vielleicht besuchen können, aber ich wusste zu spät, was ich da hatte … tolle Platte.

Ich erinnere mich, wie mir Jonathan Fischer mal erzählte, als er am Anfang als Musikjournalist in New Orleans mit den großen SängerInnen redete, und er hatte nur im Telefonbuch nachgeschaut, und sie waren überrascht, dass sich noch irgendjemand für sie interessierte. Ja, wir interessieren uns. Nichts ist vergessen – so wie manche Sachen eben auch weder vergessen noch vergeben werden können.

Hätten Sie anders entschieden?

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