GUZ IST TOT GODDAM

Der Schweizer Musiker Oliver Maurmann alias Olifr M. Guz alias GUZ starb am 19.1.2020 im Alter von 52 Jahren an einem Herzleiden. Wir waren seit etwa 25 Jahren befreundet und haben uns so gerne wie nur gelegentlich getroffen. Er war mit drei Songs auf diversen Compilations vertreten, die ich herausgegeben habe; 1997 hatte ich die Ehre und das Vergnügen „In GUZ we trust – Anthology 1984-95“ zusammenzustellen, nachdem er mit seiner Band Die Aeronauten zum L´age d´or-Label gewechselt hatte.

Ich habe einige Artikel über ihn geschrieben, der folgende zu seinem Album „Mein Name ist GUZ“ (Trikont) erschien im April 2008 in der jungen Welt und in meinem Buch The Boy named Sue. An den Schluss konnte ich mich jetzt nicht erinnern: „You´re gonna miss me, singt GUZ am Schluss. Das ist mal irgendwann sicher.“ Ja, goddam shit.

HITS UND EIN SCHEISSLIED

Es war im letzten Sommer. Wir saßen im sonnigen Hinterhof der Münchner Plattenfirma Trikont und palaverten so rum, lauschten dem Rauschen der Straßen von Obergiesing und tranken Bier.
Achim Bergmann, der Gründer des Labels, feuerte eine Salve ab – daß ein großer Teil der populären Musik nur noch in den Nischenprogrammen der Radios einen kleinen Platz hat, und in den Zeitungen nur, wenn es eine hammerharte Story dazu gibt. Was nicht formatiert ist, was eine Störung oder Überraschung hervorrufen könnte, wird in eine Nischenkultur für Auskenner und Gebildete abgeschoben, und die anderen sind abgemeldet und werden mit Madonnas Ötzis abgespeist…

Eine Entwicklung, die seit Jahren Trikont speziell trifft – sie wollten noch nie auf einem Sofa in der Nischenkultur rumsitzen. Und arbeiten beständig gegen die Minimierung der kulturellen Informationen an. Vielleicht ist es ein verlorener Posten, aber er ist gut gegen Verblödung.
Bergmann hatte also keine schlechte Laune deswegen und er überlegte auch nicht, ob er die Situation mit dem Verkauf von Klingeltönen (oder vielleicht sowas wie einer Police-Coverband) verbessern könnte. Das Label feierte sein 33jähriges Jubiläum, es war jetzt das älteste linke und unabhängige Label Deutschlands. Der Weg war zu lang und gut, um sich jetzt in die Hose zu machen und in den Mainstream zu stürzen. In dem schon so viele Linke abgesoffen sind.
»Und weißt du, was«, sagte Bergmann, »wir machen die neue GUZ«.

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»Großartig!«, rief ich und riß die Arme nach oben.
Denn der umgedrehte ZUG erreichte damit genau den richtigen Bahnhof. Warum gehören die zusammen? Weil sie so stur auf ihrem Weg bleiben?  Bei GUZ sind es seit der ersten Cassette auch schon 24 Jahre. Durchhalten allein ist keine Qualität; kann auch sein, dass jemand eingeschlafen ist und dabei so weiterwurstelt.
Olifr Maurmanns offensichtlich nie nachlassende Neugier und Experimentierfreude, der ansteckende Spaß, der viel wichtiger als Perfektion ist, und daß er (wie schon immer) was zu sagen hat und auf seiner unverwechselbaren Art beharrt: das paßt zu Trikont. Deren musikalische Interessen sich ebenfalls von keinem Radau, Land, Irrwitz, Sound oder Out-of-Time begrenzen lassen: Alpenländische bis amerikanische Ausgrabungen, Balkanbeat bis Beerdigungsmusik, Bernadette LaHengst bis John Peel (der die Auswahl aus seiner Schellacksammlung nicht zufällig hier veröffentlicht haben wollte). Da ist der GUZ-Kosmos in der Nähe: sein charmant durchgedrehtes Aufmischen von Hit-Klassikern mit der »üblen Bierzeltkapelle« Die Zorros (mit Reverend Beatman), die perfekte Imitation und Co-Regie von heißem Fivties-Rock’n’Roll als »Jerry J. Nixon« (ebenfalls auf Voodoo Rhythm), Vertonungen von Friedrich Glauser-Texten, der Funkpop mit den Aeronauten; und beim One-Man-Project GUZ, in dem all das aufscheint, zudem Electropop, Punk zum Mitsingen, Klamauk – und Blues.
»Die Musik nennen wir« – schreibt der Schaffhausener zu seinem neuen Album »Mein Name ist GUZ« – »der Einfachheit halber mal Blues« und haut noch die Begriffe »schöne Popmusik« und »Stumpfpunk« dazu. GUZ-typisches Medienanrempeln. Und riskant dazu. Man sieht reihenweise Redakteure, die informiert genug sind, um Punk als Dreck von gestern zu erkennen und bei Blues ein mitleidiges Grinsen ins Gesicht stellen – was ist denn mit dem los, kennt er keinen Hiphop?

Tatsächlich aber hat der Blues, der seit Jahren das Rückgrat der GUZ-Platten ist, nichts mit dem zu tun, an dem sich der weiße Mann traditionell schwerstens abarbeitet (mein Lieblingsspruch auf den Bluesplakaten in Mittelblueseuropa: »authentischer Bluesrock«), sondern mehr mit dem dröhnenden Bluestrash eines R.L.Burnside, dessen komplexer Freestyle eben nicht die übliche weiße Bluesversammlung inspirieren konnte. Bei GUZ sind Blues und Punk keine Widersprüche, und die Art, wie er diese Formen verbindet (und den Blues in den schönen Popsongs nur leicht anklingen läßt), ist vollkommen eigen – nichts klingt nachgemacht oder abgestanden. Macht ihm keiner nach. Einen (im Sinn von Curtis Mayfield) perfekt-schönen und ernsten Soulsong wie »einsam« neben einem Rock’n’Roll-Kracher wie »king of the jungle« und einem komischen Hörspiel-Bastard wie »kulturfestival« auf einem Album zu bringen, ist auch mutig. Kann ihm keiner was vormachen.

GUZ sieht sich gern als Retter, »Guz haut uns raus und singt ein Scheißlied«, singt er im »scheißlied«, denn »wenn alles schön ist und wenn alles stimmt, braucht es einen, der ein Scheißlied singt«. Einer der Hits. Bei dem ich mich mal wieder frage, warum ihr und wir ihn nicht im Radio rauf und runter hören werden: weil sie sich damit in die eigenen Eier treten würden (während bei einem Doherty eben doch alles schön in der Ordnung bleibt). Mit intelligenter Unterhaltung – ein Ausdruck für den er mich in meine treten wird – ist eben schwer anzukommen. Wie mit dem Humor, der sich nicht als guter Kumpel zu erkennen gibt. Warum sagt der Mann, der »entschieden gegen rechts« ist und sich »Sorgen um die Umwelt« macht und »gern im Wald spaziert« und Gewalt verurteilt, »I hate everybody«? Ich weiss es nicht, ich kann’s nicht erklären. Vielleicht kommt ein Hinweis aus einem anderen Song: »wenn ihr nicht tanzen könnt, dann müsst ihr Nazis werden«. Aber auch nur vielleicht.

»You’re gonna miss me«, singt GUZ am Schluß – das ist mal irgendwann sicher.

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Einer seiner großen Songs, „Drogen nehmen und rumfahren“, vom Trikont-Album „Sisters & Brothers“ (2010) der Band Die Zukunft, die er mit Bernadette LaHengst und Knarf Rellöm formiert hatte:

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