SOMETHING SPECIAL ZUM TOD

von Specials-Sänger Terry Hall: mein Verlagskollege und taz-Redakteur Ulrich Gutmair hat ein damals nur Spex-online veröffentlichtes und inzwischen nicht mehr erhältliches Interview rausgeholt (hier ein Auszug) und so kommentiert: „Interessant, dass keiner der Nachrufe aus UK, die ich gelesen habe, auf Terrys jüdische Familie aus der Working Class Bezug nimmt, und auch nicht darauf, dass Terry in alter Familientradition immer Labour wählte – bis Corbyn kam. Too controversial, I guess.“ (Während sich, darf man ergänzen, die verstorbene Vivienne Westwood als Unterstützerin der anti-jüdischen BDS-Bewegung innerhalb der Brit-Kultur-Society in keiner controversial Position befand, sondern in einer fast schon dort erschreckend verbreiteten, was in den zahlreichen Punk-Nachrufen ebensowenig erwähnt wird wie die Tatsache, dass sie Punk nicht so gut wie erfunden oder geradezu mütterlich betreut, sondern vor allem von denen profitiert hat, die ihn gemacht haben, darin ebenbürtig dem mehr als nur dubiosen Ober-Business-Punk Malcolm McLaren, aber genug jetzt*):

„Terry Hall: (…) Der Antisemitismus ist für mich eine zentrale Frage, weil wir eine jüdische Familie sind. Ich glaube nicht, dass er [Jeremy Corbyn] aufrichtig ist, wenn er um Entschuldigung für antisemitische Ausfälle in der Partei bittet. Über viele Jahre hat er politische Freundschaften mit Leuten von Hamas oder der IRA geschlossen. Ich werde ihn sicher nicht wählen. Nicht nach seinen Bemerkungen zu Juden und Israel.
Spex: Auch die im Vereinigten Königreich einflussreiche BDS-Bewegung ist nah am Programm von Hamas.
Terry Hall: Mein Schwiegervater wurde in Berlin geboren, er musste die Stadt in den 1930ern verlassen. Das Vereinigte Königreich wurde sein Zuhause. Andere aus seiner Familie machten Israel zu ihrem neuen Heim. Die Briten haben Palästina nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen, und die israelische Gesellschaft sah sich von Anfang an umzingelt. So ist es ja auch. Jeder durchschnittliche israelische Jude wird dir das erklären.
Spex: Es gibt ein Stück auf dem neuen Album, das Ihre Liebe zu jüdischer Musik zeigt. „Breaking Point“ klingt osteuropäisch, auch ein bisschen nach Brecht/Weill.
Terry Hall: Als ich Kind war, war das die erste Musik, die ich zu hören bekam. Mein Vater hörte auch immer Edith Piaf. Meine Lieblingsgenres sind Klezmer und die Musik der Roma. Wir haben bei „Breaking Point“ eine Tuba eingesetzt, weil ich die Musik der osteuropäischen Blaskapellen liebe.
Spex: Wenn man Sie googelt, sieht man ganz oben das Foto eines jungen Manns mit goldener Halskette, an der ein großer Davidstern hängt.
Terry Hall: Meine Mutter hat darauf bestanden, dass ich ihn täglich trage.
Spex: Haben Sie deswegen Probleme bekommen?
Terry Hall: Es gab damals eine Partei namens „The British Movement“, und wir, also die Band, bekamen von ihnen Todesdrohungen: Zwei Schwarze und ein Jude, das ist perfekt, Mann. Ich hatte also die Wahl, wem ich mich stellen sollte: Dem British Movement oder meiner Mutter.“
(Quelle: newsletter von Radio-DJ/Journalist Klaus Walter)
(*vielleicht vor dem nächsten Nachruf auf einen Superpunk die 550 Seiten von Jon Savages England´s Dreaming nicht nur durchblättern)
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