AN DER TÜR DER HOFFNUNG IN GERMANISTAN

Aus Can Dündars Theaterkolumne, ein Auszug:

https://www.gorki.de/de/can-duendars-theater-kolumne-38

„Der Warteraum ist voller Menschen verschiedener Hautfarben, Sprachen und Länder; Die Syrer*innen sind vor dem Krieg geflüchtet, die Iraner*innen vor Repressionen, die Afghan*innen vor der Scharia. Es ist, als stünden sie Schlange, vor einer »Tür der Hoffnung«.

Mein Termin passt zur deutschen Wahrnehmung von Zeit: 11:36 Uhr … Pünktlichkeit ist eines der wichtigsten Kriterien der Integration. Deshalb bin ich schon um 11:15 Uhr da. Allerdings ist der zuständige Fachbereich nicht so pünktlich wie ich. Meine Nummer erscheint um 11:50 Uhr. Ich gehe in den Raum und lege die angeforderten Dokumente, so wie ich es zuvor geprobt habe, nacheinander stolz auf den Tisch. Sie sind vollständig. Ich fühle mich wie ein Schüler, der nur Einsen im Fach Integration bekommen hat. Dann kommt es zur Zahlung. Die Gebühr: 43,90 Euro. 43,90 Euro für den Termin um 11:36 Uhr. Der Tanz der deutschen Zahlen. Aber kein Problem für mich. Ich zücke meine Kreditkarte, doch der Sachbearbeiter sagt:

– Das Kartengerät funktioniert nicht, Sie müssen bar bezahlen.
– OK.
Ich hole 50 Euro aus meinem Geldbeutel. Dem Sachbearbeiter gefällt das aber auch nicht.
– Ich kann nicht wechseln, Sie müssen passend bezahlen.

Ich krame 45 Euro zusammen, aber ernte erneut Widerspruch. Ich traue mich nicht zu sagen, »behalten Sie den Rest«. All mein Integrationsstreben könnte an der Differenz von 1,10 Euro scheitern.

Ein Freund hat mich zum Termin begleitet. Er ist schon längst integriert und eingebürgert, aber auch er bekommt die 43,90 Euro nicht passend zusammen.

Wir sehen zuerst auf das Kleingeld in unseren Händen, dann einander und zuletzt den Sachbearbeiter ratlos an.

– Was sollen wir tun?

Der Sachbearbeiter zeigt auf die Uhr. Die Mittagspause fängt gleich an. Wir sollen um 14:00 Uhr mit dem passenden Geld zurückkommen (…)“

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