Die antisemitischen Zeichen, die schon länger im Münchner Club Import/Export zu beobachten sind, wurden in einem Zündfunk-Beitrag vom 11.6. sozusagen durchgewunken bzw. sogar verdreht dargestellt. Dagegen hat mein Artists Against Antisemitism-Kollege Gerald Fiebig so ausführlich wie sorgfältig protestiert:
„Sehr geehrte Zündfunk-Redaktion,
zu Ihrem Beitrag „Warum das Import Export um seine städtischen Fördergelder bangt“ vom 11.06.2025 (https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/der-muencher-club-import-export-und-die-antisemitismus-vorwuerfe-100.html) muss ich leider eine scharfe Kritik äußern. Sie betrifft in erster Linie das tendizöse Framing, das sich durch den ganzen Artikel zieht.
Ich spreche dabei als einer der Unterzeichner der Erklärung der „Artists Against Antisemitism“ (www.artistsagainstantisemitism.org), die auch unser im Beitrag erwähnter Münchner Kollege Werner Gaßner unterzeichnet hat. Die „Artists Against Antisemitism“ setzen sich bereits seit 2021 gegen den ja schon lange vor dem 7. Oktober 2023 in der Pop- und Clubwelt grassierenden, v.a. israelbezogenen, Antisemitismus (Stichwort BDS) ein. DIe Liste der Unterstützer:innen umfasst Hunderte von Künstler:innen aller Kunstsparten, darunter zahlreiche Musiker:innen, DJs und Bands.
Werner Gaßner ist einer der Münchner „Artists Against Antisemitism“. In dem Beitrag erscheint er aber konsequent als Einzelperson, während das „Import Export“ sich stets als „Institution“ äußern darf. Das Bild, das hier gezeichnet wird, läuft darauf hinaus, dass jemand, der konsequent antisemitische Strukturen benennt und kritisiert, als querulantischer Einzelgänger, als „Spalter“, erscheint, der eine imaginierte „größere gemeinsame Sache“ (hier: die Clubkultur) gefährde. Das muss ich auf das Schärfste zurückweisen: Das Problem ist der Antisemitismus, nicht die Person, die ihn kritisiert.
Die reißerische Überschrift „Warum das Import Export um seine städtischen Fördergelder bangt“ trägt von Anfang an zu diesem Framing bei. Viele Leser:innen werden davon aufgeschreckt sein und werden in der Sorge um ihren Lieblingsclub von Anfang an zu einer bestimmten Positionierung für das „Import Export“ und gegen Kritik an ihm gedrängt. Dabei ist der Aufmacher völlig irreführend, denn 1. geht es in dem beschriebenen Vorgang überhaupt nicht um die institutionelle Förderung der Stadt München für das „Import Export“, sondern nur für ein dort stattfindendes Festival, und 2. erfährt man am Ende des Beitrags ja, dass das Festival nach Überprüfung des Line-ups seine städtische Förderung nun doch bekommt. Viel Lärm um nichts also im Zündfunk-Beitrag, aber Hauptsache, die Kritik an Antisemitismus ist erst mal als Problem für die Kulturszene etabliert? 🙁
Mit anderen Worten: Weder die Festivalveranstalterin noch das „Import Export“ haben aufgrund der kritischen Überprüfung des Line-ups irgendwelche finanziell-existenziellen Bedrohungen zu gewärtigen. Dass ein Fördergeber geklärt haben will, wofür seine Gelder verwendet werden, ist gerade beim Thema Antisemitismus – wo viele Skandale und Eskalationen im Kulturbereich hätten vermieden werden können, wenn sich Verantwortliche vorher nicht naiv gestellt hätten, sondern kritisch nachgefragt hätten, bevor das Kind auf offener Bühne in den Brunnen fällt – nicht nur legitim, sondern auch professionell: Vorbeugen ist besser als Blamieren – für alle Beteiligten.
Aber der ganze Artikel baut diese Bedrohung rhetorisch auf, um Werner Gaßner aufgrund seiner kritischen Nachfragen als Problem für die Clubkultur zu stilisieren. Das „Import Export“ spricht angesichts der geäußerten sachlichen Kritik von „canceln“, dabei ist doch leider die „Pro-Palästina“-Bewegung dafür bekannt, dass sie in ihrem moralischen Furor inzwischen auch zu Todesdrohungen und physischer Gewalt gegen Menschen und Orte greift, die sich mit dem Staat Israel und jüdischen Menschen hierzulande solidarisieren. Wenn die Verhältnisse in München sich noch ein Stück weit in Richtung Berliner Verhältnisse entwickeln würden, dann gäbt ihr mit so einem Framing einen Menschen für seine politischen Gegner zum Abschuss frei. Und zwar nicht metaphorisch: In Berlin sind die roten Hamas-Dreiecke als Todesmarkierung inzwischen an der Tagesordnung. Mal drüber nachgedacht?
Die Veranstalterin des nun überprüften und letztlich doch von der Stadt München geförderten Zarda-Festivals wird im Artikel mit den Worten zitiert, sie weise zurück, „dass du einfach annimmst, dass irgendeine arabische Veranstaltung irgendeine antisemitische Äußerung auf der Bühne mitbringt.“ Hier wird wieder implizit der Vorwurf des antiarabischen Rassismus gegen denjenigen konstruiert, der kritisch nachfragt. Dabei hat doch gar niemand pauschal unterstellt, alle Araber:innen seien antisemitisch – Anlass der Nachfrage war eine spezifische Vorgeschichte, nämlich dass der gewählte Veranstaltungsort „Import Export“ in der Vergangenheit eine erkennbare Vorliebe für antisemitische Künstler wie Arabian Panther gezeigt hat (und, anders als z.B. die „Rote Sonne“, hier auch keinem Dialog zugänglich war.“).
Hier hätte eine kritische Einordnung ebenso not getan wie bei hanebüchenen Äußerungen wie der folgenden vom „Import Export“: „Das Instrumentalisieren von Antisemitismus-Vorwürfen rollt rechten Narrativen, also allen Nazis in Deutschland, die wirklich antisemitisch sind, den roten Teppich aus“. Schon das „Instrumentalisieren“ unterstellt Werner Gaßner und letztlich uns Artists Against Antisemitism im Ganzen, dass wir mutwillig Clubs zerstören wollen – aus was für einer absurden Motivation heraus sollte das denn passieren?! – und dafür nur einen taktischen Vorwand suchen. Für das „Import Export“ ist offenbar unvorstellbar, dass es uns ernsthaft und dringlich darum geht, solche Orte zu erhalten – aber eben als sichere Orte für wirklich alle, auch für Jüdinnen:Juden.
Das Ablenken vom real existierenden Antisemitismus nicht nur in arabischen, sondern v.a. in weiten Teilen einer sich als „progressiv“, „links“ und „dekolonial“ missverstehenden „Pro-Palästina“-Bewegung durch den Verweis auf Nazis ist in diesem Kontext von nahezu grotesk realitätsblinder Selbstbezogenheit. Abgesehen davon, dass der Antisemitismus der Nazis und der Antisemitismus der palästinensischen Nationalbewegung durchaus historische Parallelen haben – bis hin zur aktiven Kollaboration der palästinensischen Führung der 1930er und 1940er bei der NS-Judenvernichtung und beim palästinensischen Kampf für den Sieg der deutschen Wehrmacht in Nordafrika, damit die Deutschen dann die Juden aus Palästina deportieren -, kann man dieser Äußerung im aktuellen Kontext fast nur noch mit Sarkasmus begegnen: Liebes „Import Export“: wenn sich jüdische Gäste bei euren Partys durch Accessoires mit „Fuck Israel“-Aufschrift und eure riesigen „Free Palestine“-Graffiti eingeschüchtert und bedroht fühlen und das euch gegenüber äußern würden – glaubt ihr, denen würde es besser gehen, wenn eure Security sie darauf hinweist, dass es ihnen noch viel schlechter gehen würde, wenn sie in einen Naziaufmarsch auf dem Odeonsplatz geraten wären, und sie sich mal nicht so anstellen sollen? Super Awareness-Konzept, danke für nichts. 🙁
Aber dass Jüdinnen:Juden und kritische Stimmen gegen Antisemitismus „sich nicht so anstellen sollen“, das ist ja leider deutscher Standard. Insofern ist das Schlimme an der Haltung des „Import Export“ genau das, was es an uns kritisiert: „Es ist mal wieder so typisch, dass sich Deutschland nur um sich selbst dreht“, so wie das „Import Export“ um sich und seine unreflektierten Haltungen.
Der Zündfunk hat nach dem 7. Oktober 2023 durchaus wertvolle und differenzierte Beiträge zum Thema Israel/Palästina gebracht (z.B. https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/palaestinensische-community-in-deutschland-100.html). In jüngster Zeit gewinnt man wiederholt den Eindruck, als würde er seine kritische journalistische Distanz zu dem plakativen „Free Palestine“-Narrativ (in dem stets Israel als einziger Gegner der zivilen Palästinenser:innen erscheint und nie die Hamas & Co.) verlieren, das in weiten Teilen der Popkultur Mainstream geworden ist. Der Zündfunk hat es über 50 Jahre lang geschafft, nicht Mainstream zu werden – wenn er es jetzt ausgerechnet bei diesem Thema werden würde, wäre das fatal. Bitte arbeiten Sie daran, dass das nicht so wird.
Sollten Sie an einer differenzierteren Berichterstattung über die „Artists Against Antisemitism“ interessiert sein, so finden Sie in der Unterstützer:innenliste auf www.artistsagainstantisemitism.org zahlreiche namhafte Acts, die Sie ansprechen könnten. Gerne bringen wir Sie aber auch mit weiteren regionalen Stimmen aus Bayern in Kontakt.
Mit freundlichen Grüßen“