für die Zeit heißt „Über den Linden“, die neuste Folge „Morbus Israel“ (25.6.) wurde nach einigen Stunden von Zeit-Online gelöscht („mehrere Formulierungen, die nicht den Standards der ZEIT entsprechen“), deshalb hier der vollständige Text zur Information:
„Kommt ein Deutscher zum Arzt und sagt: „Herr Doktor, immer, wenn ich über Israel rede, geht sofort mein Puls schneller, und nach dreißig Sekunden brülle ich jeden an, der nicht meiner Meinung ist. Ist das normal? Und wie gefährlich ist es für meine Gesundheit?“ „Was ist denn Ihre Meinung zu Israel?“, sagt der Arzt. „Hören Sie auf!“, schreit der Patient den Arzt an. „Wollen Sie mich umbringen?! Ich sollte mich doch nicht mehr so aufregen!“
Ja, wenn es um Israel geht, um Benjamin Netanjahu und die strategisch richtige, aber unmenschliche Hungerblockade von Gaza oder die rein defensive Iran-Kampagne der IDF, kennen die meisten Deutschen keinen Spaß. Das Drama, das sie dann aufführen, begleitet von der bigotten Beschwörungsformel „Das Völkerrecht! Das Völkerrecht!“, mit der sie niemals Leute wie Sinwar oder Ali Chamenei belegen würden, hat nichts mit einer zivilisierten politischen Auseinandersetzung zu tun. Es ähnelt eher einer Teufelsaustreibung am eigenen Leib, ohne Priester und Handbuch, und die Frage ist nur, wer oder was hier der Teufel ist: das schlechte Gewissen des Täterenkels? Oder der ewige Opa und willige Wehrmachtsspieß, der für immer in solchen Leuten steckt?
Neulich zum Beispiel, bei Lanz, der politischen Talkshow für politische Anfänger, das war noch kurz vor dem Israel-Iran-Krieg. Gerade ging es um die EU, Flüchtlinge und den opaken Minister Dobrindt, als sich im entspannt fragenden Gastgeber plötzlich alles zusammenzog. Denn jetzt war der Nahe Osten dran! Er ging in seinem Moderatorenstuhl in eine raubtierhafte Angriffshocke, er zischte und fauchte, statt zu sprechen, und versuchte immer wieder, von seinen Gästen die Aussage zu erpressen, dass Israel im Gazastreifen der Al-Kassam-Brigaden „Kriegsverbrechen“ begehe. Und während der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ihm erklärte, wie selbstkritisch und demokratisch die israelische Gesellschaft sei und dass er dieses Land nie aufgeben würde, rollte der nervlich stark angegriffene Moderator mit den Augen wie Elon Musk auf Ketamin.
Was ist sein Problem?, fragte ich mich. Welcher Dybbuk ist in den freundlichen Südtiroler gefahren, der ausgerechnet seit dem 7. Oktober davon besessen ist, die Israelis als mittelalterliche Kindermörder und moderne Kriegsverbrecher zu überführen? Und warum regt er sich nie ähnlich leidenschaftlich über die Endlösungsmullahs von Ghom oder über die dschihadistischen Steinzeitserienkiller der Hamas auf, die seit Jahrzehnten die Menschen von Gaza, Be’eri und Tel Aviv terrorisieren, töten, vergewaltigen? Vielleicht, dachte ich, sollte sich die Lanz-Redaktion zum Beispiel einmal zu einer Sendung über die Hamas aufraffen, über die Hamas und nichts als die Hamas, die ja den ewigen Gazakrieg ganz allein angefangen hat und durch ihre bedingungslose Kapitulation und die Überstellung ihrer noch lebenden Führer nach Den Haag ganz allein beenden könnte.
Bei so einem Hamas-Special wäre dann die Schuldfrage von Anfang an hundertprozentig geklärt, nicht wahr, überlegte ich weiter, und der nervöse Moderator müsste endlich einmal beim Thema Nahost nicht ausflippen. Außerdem könnten seine Redakteure noch ein paar andere leicht entflammbare Islamversteher wie Tilo Jung, Ralf Stegner, Kai Ambos, Kerstin Hellberg und jemanden von Amnesty International einladen – damit auch sie endlich herunterkommen können von ihrem pathologischen, psychisch bestimmt sehr belastenden Anti-Israel-Horrortrip.
Ich selbst habe zum Glück privat mit dem Morbus Israel der Deutschen kaum zu tun, denn bei der Auswahl meiner Freunde achte ich immer darauf, dass kein faules Ei dabei ist, kein Juden- und Israelhasser, aber auch kein eifriger Philosemit, denn bei Eiferern weiß man nie, welcher Glaube ihnen gerade passt. Womit ich beim Kern der neugermanischen Orient-Neurose wäre – der enttäuschten Liebe der Deutschen zu ihren Opfern von früher, locker formuliert. Wie rief vor ein paar Wochen der selbsterklärte Anti-Antisemit und Martin-Walser-Sohn Jakob Augstein in einem Streit-Podcast stocksauer aus? „Ich werde mir von niemandem erklären lassen, was die deutsche Verantwortung für den Holocaust ist!“ Dass er dabei genauso enttäuscht klang wie sein biologischer Vater, der einst dem Schoah-Helden und größten deutsch-jüdischen Politiker der Nachkriegszeit Ignatz Bubis vorwarf, ihm seien seine Geschäfte wichtiger als Vergangenheitsbewältigung, wies Augstein jr. – Vorsicht, Ironie! – schon mal als engagierten Freund der Juden aus. Als er dann – gedämpft, aber immerhin – die Hamas eine „Terrororganisation“ nannte und die Israelis „unsere Verbündeten“, wusste ich endgültig, hier spricht kein Judenhasser, sondern ein Freund, der nur gerade sauer ist, dass es seinen rachitischen, hochgebildeten Idealjuden nicht mehr gibt, der höflich vor der für ihn vorbereiteten Gaskammer ansteht. Oder sich von den iranischen Revolutionsgarden in Atomstaub verwandeln lässt.
Kommt ein Israeli zum Arzt und sagt: „Herr Doktor, ich war gerade vierzig Tage mit meiner Einheit in Gaza und hab keine Lust mehr, auf Araber zu schießen. Was soll ich tun?“ „Sie könnten damit natürlich sofort aufhören, wenn Sie wollten“, sagt der Arzt, „aber raten würde ich es Ihnen nicht. Auch nicht nach unserer Therapie.““