NILS KOPPRUCH R.I.P.

SIEH MICH MAL AN 

So viel Schnee liegt jetzt draußen wie damals, als ich Nils mit der Band zum ersten Mal traf, nach der Vogelbeobachtung im Winter. Wir redeten was, aber vom Maler Sam hat mir Nils nichts erzählt. Sam kannte ich länger als Nils, aus verschiedenen Wohnungen in Hamburg. Die Schiffe im Hamburger Hafen und ein Gesicht und ein Tier. Ich erkannte seine Sachen immer sofort. Ich fragte mich, ob die Sonne da scheint. Irgendwann kamen wir auf die Verbindung.

Das Einfache gefällt mir, und dann die Frage, ob es wirklich so einfach ist, wenn man es länger ansieht, aber frag mich nicht, lass mich allein, ich kann dir nichts erzählen.

Wenn ich anderen Künstlern von Sam und den Bildern erzähle, die nicht so teuer wie möglich sein sollen und dann wenn möglich immer noch teurer, sondern zu kaufen auch mal für Leute, die sonst keine Kunst kaufen können, dann sind sie verständnislos oder finden es irgendwie komisch im Sinn von ganz lustig, als wäre es billig, wenn es mal nicht so teuer ist, und ich verstehe sie auch wieder nicht. Die anderen sehen es anders, sie mögen den Fisch in der Wohnung, das Mädchen mit der Handtasche, ein Straßennetz. Ich freue mich immer, wenn ich einen Sam in einer Wohnung sehe. Und man sieht einen Sam in einer Wohnung und weiß, dass man dann auch Nils hören kann. Ich beendete eine Tour in Hamburg, hatte ein Bündel Scheine in der Tasche und besuchte ihn im Atelier. Die Schaufensterscheibe gefiel mir. Ich kaufte den Diskjockey. Die Nacht davor lag ich wach und hab gefroren. Ich übertrug dem Diskjockey alle dummen Geschichten und trug ihn durch den Zug. Ich dachte, das ist der Junge von dem Liebespaar, das bei meiner Frau im Zimmer hängt, ich war mir nicht sicher.

Das Einfache gefällt mir, und dann die Frage, ob es wirklich so einfach ist, wenn man es länger ansieht, aber frag mich nicht, lass mich allein, ich kann dir nichts erzählen.

Wir saßen hinten im Bus und erzählten uns Geschichten. Mein Vater war bei der Polizei. Mein Vater war bei der Eisenbahn. Ich hab mal ein Bild geklaut. Ich hab mal ein paar Worte geklaut. Ich hab keinen Plan. Ich hab keinen Anschluss. Hier kannst du mich finden, wenn du mich suchst. Die nächste Stadt war auch nicht schlechter und in der nächsten war ich wieder allein. Hinter den toten Gleisen und der menschenleeren Industrie ging ich in den Wagenmeister und entdeckte im Gastraum einige Sambilder. Die Frau mit der Zigarette tat es mir an. Warum bist du hier und wohin wirst du gehn, irgendwo hab ich dich schon gesehn. Ich schrieb auf ein Blatt, was sie mir alles erzählte und auch, was sie mir verschwieg. Dass sie beim Ficken besonders gern oben ist, wenn sie eine Zigarette im Mund hat, erzählte sie, und wie sich das anfühlt, verschwieg sie.

Das Einfache gefällt mir, und dann die Frage, ob es wirklich so einfach ist, wenn man es länger ansieht, aber frag mich nicht, lass mich allein, ich kann dir nichts erzählen.

Neun Winter später pinkle ich es in den Schnee. Ein Vogel beobachtet mich, ich bin in Gefahr, es muss schnell gehen, es geht ganz schnell. I (Herz) Sam.

(In: Sam. Nils Koppruch: Dilettant. Hamburg, 2006)

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