Der große Schweizer Regisseur starb am 6. August im Alter von 71 Jahren. Er war seit Jahren an einem unheilbaren Krebs erkrankt. Im Dezember hatten wir uns zuletzt in einem Wiener Café getroffen. Ich war mir nicht sicher, ob er genau wusste, mit wem er sich traf. Aber was weiß man denn schon genau. In jedem Fall haben wir uns gut unterhalten.
Wir hatten uns bei einem Theatertreffen kennengelernt, und dann näher, als ich 1989 eine Hospitanz am Schauspielhaus Dortmund machte. Huonder inszenierte George Taboris Montage-Stück ‘Masada’. Das Stück greift die historische Situation auf: die jüdischen Widerstandskämpfer in der Festung Masada werden von römischen Truppen belagert, und haben keine Chance. Die Frage ist nun, soll man sich ergeben oder kollektiv Selbstmord begehen?
Zu der Zeit ging etwas mit einem RAF-Hungerstreik durch die Medien, und Huonder brachte dieses Thema mit hinein. Obwohl er mit kaum einem Satz einen deutlichen Bezug herstellen konnte – mit den Bildern war er deutlich genug. Die Inszenierung war nicht nur anstrengend, sondern auch wie ein Faustschlag ins Hirn, und, einmal mehr, umstritten sowieso. Bei Probenbeginn wurde erstmal Aktuelles diskutiert. Sollte keiner auf Idee kommen, er würde vielleicht in einem Historienspiel locker herumflanieren.
In der Kantine setzte er sich oft an den Tisch der Bühnenarbeiter. Nicht, weil man das als Direktor-Regisseur ja auch mal machen muss, sondern weil er Schauspieler nicht immer ertragen konnte. Er konnte mit jedem reden und redete mit jedem so, wie er eben redete. Er konnte sogar zuhören, jedem; selten, bei Männern in so einer Position. In Sachen Smalltalk war er allerdings ganz schlecht ausgebildet. Aber ein Meister in den Fächern Komik und Gscheit-auf-die-Schippe-nehmen. Dass er mal Lehrer in einem Schweizer Kuhdorf gewesen war, wollte ich ihm nie glauben.
Parallel dazu inszenierte Huonder, der damals das Dortmunder Haus leitete, auch Taboris Stück “Mein Kampf”, das vom jungen Adolf Hitler in Wien erzählt. Neben ‘Warten auf Godot’ ist es für mich das beste Theaterstück seit ca. 1789. Ich habe inzwischen mehrere Inszenierungen gesehen – die von Huonder scheint nicht erreicht werden zu können.
Die Arbeit mit Guido Huonder und die Beschäftigung mit dem Werk von George Tabori waren mit die wichtigsten Lektionen, die ich je bekommen habe. Bis heute kann ich sie immer wieder gebrauchen, habe Situationen, Szenen, Gespräche im Kopf. Guido hatte die Art Soul, die nicht mit Seele zu übersetzen ist.
Hier ein lesenswerter Artikel/Nachruf über seine Zeit als Intendant in Potsdam: