ERKLÄRUNG DES AUGSBURGER FLÜCHTLINGSRATS: GEGEN RECHTS

15. Jan 2024: NIEMALS DARF WIEDER JEMAND BEHAUPTEN DÜRFEN, MAN HÄTTE VON NICHTS GEWUSST

„Am vergangenen Mittwoch hat das Recherchenetzwerk CORRECTIV seine Reportage über ein Zusammentreffen rechtsextremer Akteure aus ganz Deutschland veröffentlicht. Der Bericht hat Staub aufgewirbelt und das zu Recht. Führende Kader der AfD, rechte Demagogen, finanzstarke Unternehmer und ein Aktivist der rechtsextremistischen Identitären Bewegung aus Österreich kamen am Lehnitzsee zusammen, um ihre menschenverachtenden Deportationspläne im Falle einer Machtübernahme zu konkretisieren. Ihre gewaltsamen Vertreibungsabsichten gelten in erster Linie (post)migrantischen und migrantisierten Menschen, aber auch all jenen, die sie als ihre politischen Gegner*innen ausmachen. Explizit wurden dabei auch in der Geflüchtetensolidarität engagierte Menschen als Ziele ihrer völkischen Säuberungspolitik benannt. Nicht nur, aber auch deshalb wollen wir uns als Augsburger Flüchtlingsrat in diesem Kontext zu Wort melden.

Es ist gut, dass es die Recherche des CORRECTIV-Netzwerks gibt. Und es ist gut, dass die Recherche etwas Staub aufwirbelt. Nicht, dass es den von rechtem Hass Betroffenen nicht schon zuvor klar gewesen wäre. Aber es schadet sicherlich nicht, wenn es laut, deutlich und immer wieder in die Öffentlichkeit getragen wird: Wir haben es in Deutschland und Europa mit einem seit Ende des Zweiten Weltkriegs beispiellosen Rechtsruck zu tun. Der Faschismus breitet sich aus. Er breitet sich in Griechenland, Italien, Ungarn, Portugal, Spanien, Frankreich und an vielen anderen Orten aus. Und er breitet sich auch in der Bundesrepublik aus. Er findet seinen Weg in die Parlamente, in die Institutionen, in den öffentlichen Diskurs und in immer mehr Köpfe der Bevölkerung.

Gleichwohl sind die in einem Luxushotel bei Potsdam verhandelten Themen keineswegs neu. Wer in den letzten Jahren bspw. eine Veröffentlichung von AfD-Politiker*innen wie Bernd Höcke in die Hand bekommen oder womöglich gar die Erkenntnisse eines der zahlreichen antifaschistischen Recherchekollektive zu Kenntnis genommen hat weiß, dass nichts an den Inhalten der CORRECTIV-Reportage wirklich neu ist. Niemand hätte überrascht sein müssen. Statt all das also schon früher zur Kenntnis zu nehmen, war es in den letzten Jahren vielmehr oftmals so, dass antifaschistische Kräfte mit staatlichen Repressionen überzogen, in ihrer Arbeit behindert und kriminalisiert wurden.

Aber wie gesagt: Es ist gut und wichtig, dass zivilgesellschaftliche Akteure diesen Dynamiken trotzen und weiterhin aufdecken, wo und wie die Rechten ihre menschenverachtende Politik planen.

Anders als häufig in den Medien zu hören und zu lesen ist, handelt es sich bei alledem aber wohlgemerkt nicht um ein bloßes AfD-Problem. Ohne Zweifel ist die AfD die derzeit erfolgreichste parteiförmige Manifestation des Rechtsextremismus in Deutschland. Die AfD aber gedeiht nicht zuletzt deshalb so prächtig, weil ihr von nahezu allen anderen politischen Kräften in der BRD der ideologische und diskursive Nährboden bereitet wird. Wenn der sozialdemokratische Kanzler Scholz auf dem Spiegel-Cover nicht etwa eine solidarische Sozialpolitik propagiert, sondern kraftmeiernd nach Abschiebungen im großen Stil verlangt, wenn der privatversicherte Führer der größten Oppositionspartei völlig wahrheitswidrig von Asylbewerbern in Zahnarztpraxen schwadroniert, wenn Lindner und Buschmann die verfassungswidrige Kürzung von Sozialleistungen für geflüchtete Menschen fordern, wenn allerorten Politiker*innen die Axt an das individuelle Recht auf Asyl legen und im Geiste Seehofers von Migration als der „Mutter aller Probleme“ fabulieren, dann verdeutlicht das, wie selbstverständlich und allgegenwärtig das ausgrenzende und menschenfeindliche rechte Denken mittlerweile ist, das die Demokratie und den Rechtsstaat bedroht. Als Frauke Petry und Beatrix von Storch 2016 den Schießbefehl an der Grenze forderten, mobilisierte das in Augsburg unter dem wahrscheinlich irgendwie lustig gemeinten Slogan Amore statt Peng Peng noch unzählige Menschen zum Protest auf den Rathausplatz. Kurt Gribl und seine CSU-Konsorten waren damals ganz vorne mit dabei. Wenn heute jedoch mit Jens Spahn ein führender CDU-Politiker fordert, „mit physischer Gewalt irreguläre Migrationsbewegungen auf[zu]halten“, dann löst das bei seinen Parteifreunden und in der breiteren Öffentlichkeit nur noch ein müdes Gähnen aus.

Diesem Trend gilt es entgegenzutreten. Es gilt, antifaschistischen Widerstand zu organisieren und zu bündeln. Der Anfänge können wir nicht mehr wehren, dafür sind die Entwicklungen schon zu weit fortgeschritten. Aber wir können alles erdenkliche Tun, um diesen Trend umzukehren, um den Faschismus von der Straße und aus den Hinterzimmern, den Parlamenten und den Köpfen zu bekommen. Wir müssen es tun, weil uns keine andere Wahl bleibt!

Auf den Staat können wir uns dabei wohl nicht wirklich verlassen. Wenn besagter Kanzler Scholz im rechten Geheimtreffen von Potsdam ein verfassungsrechtliches Problem erkennt und nach dem Verfassungsschutz ruft, dann müssen wir zuerst an Hans-Georg Maaßen denken, der diese Institution über Jahre hinweg leitete und auch in diesem Amt sein rechtsextremes Gedankengut verbreitete. Wenn nach intensivierten Aktionen der Sicherheitsbehörden gerufen wird, dann müssen wir zuerst an den NSU, den NSU 2.0, an Oury Jalloh und viele andere Opfer von Polizeigewalt denken, an das Versagen der Behörden rund um die rechten Terrorakte von Hanau und Halle usw. usf. Auch die etablierten Parteien bieten uns derzeit ganz offensichtlich keine Möglichkeit zur Kooperation. Von ganz rechts außen getrieben, überbieten sich auch die bürgerlichen Kräfte der sogenannten Mitte in rechter Rhetorik und ausgrenzender Politik. Das Lob, das aus der rot-grün-gelben Ampelregierung über die unlängst auf europäischer Ebene mit deutschem Segen verabschiedeten, menschenrechtlich fatalen GEAS-Regelungen zu hören war, spricht dafür Bände. Ebenso wie der Schmusekurs gegenüber den Faschist*innen an der italienischen Regierung.

Wir müssen uns also zivilgesellschaftlich zusammenfinden und gegen den Rechtsruck eintreten. Neben dem Zurückdrängen rechten Denkens und Tuns bedeutet das nicht zuletzt auch, für den Erhalt des individuellen Rechts auf Asyl zu streiten und selbstorganisiert all jenen Menschen Schutz und Solidarität zu verschaffen, die von rechter Gewalt bedroht oder betroffen sind!“

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