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HEUTE

vor 95 Jahren wurde mein Vater geboren. Ich war so vierzehn, als er mich einmal dabei erwischt hat, wie ich an meinem Schreibtisch saß und statt Schularbeiten zu machen in einem Roman las. Ich erwartete eine Predigt. Aber er wollte nur wissen, was ich da las. Hemingway, Wem die Stunde schlägt. Es gab eigentlich keine Literatur bei uns daheim, aber man war, wie so viele damals, in einem Buchclub, und so war Hemingway reingekommen. Er sagte, er hätte es auch gelesen und fände es gut. Ich war verblüfft, weil er nie irgendwas las außer die Zeitung oder mal in einem Buch über Kleintierzucht oder Fischen oder sowas. Wenn ich an seinem Grab stehe, kann ich meinen Namen auf dem Stein lesen. Keine schlechte Vorbereitung.



PROBLEM EIGENTOR

Unter dem Titel „Hängt ihn tiefer!“ hat Henryk M. Broder einen Nachruf auf Günter Grass geschrieben. Darin heißt es: „Grass war ein schwadronierender Langweiler, ein geschwätziger Wortakrobat, der blutleere Figuren nach seinem Abbild formte. Er hat so geschrieben, wie ältere Damen ihren Nachmittagskaffee trinken – mit abgespreiztem kleinen Finger.“

Ich wollte schon Beifall klatschen. Aber kurz bevor meine Hände aufeinander prallten, stoppte ich die Bewegung. Weil´s da ein Problem gab, so eine Art Eigentor. Das Problem hat vier Buchstaben: BILD. Oder sieben Zeichen: Bild.de (wo´s mit Datum vom 25.4. steht). Schade. Aber: no way.



IHREN ABSCHIED

von den Lesebühnen beschreibt Sarah Schmidt so großartig und offen, wie man´s von ihr kennt, mit einem Seitenhieb auf die Slam-Kultur. Ihr neuer Roman Eine Tonne für Frau Scholz (Verbrecher Verlag) kann nicht genug Nachfolger bekommen. Womit die gute Nachricht erwähnt ist.

https://verbrecherei.wordpress.com/2015/03/19/kein-blatt-vor-dem-mund/



DENNOCH HAT SICH IN DEUTSCHLAND

mal abgesehen von diesen Nachrichten — „Juden in Deutschland fühlen sich zunehmend unsicher. Sie verstecken ihre Kippa oder vermeiden es, in die Synagoge zu gehen …“ / http://www.deutschlandradiokultur.de/juden-in-berlin-zwischen-angst-und-selbstbehauptung.1001.de.html?dram:article_id=318872 — sehr viel bewegt seit 1945.

Zum Beispiel haben heute viel mehr Deutsche Internetanschluss als damals! Das sollte man nicht verschweigen. Außerdem hat Ministerpräsident Seehofer jetzt in Dachau gerade „betont“, und das nicht nur für den rechten Rand der CSU: „Die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrscher, Verfolgung, Mord und Holocaust erfüllen uns Deutsche mit Trauer und Scham.“

Wie sagt man im Showgeschäft der Waffenexportexperten: Wird schon schiefgehen!



DAS WEISSE PFERD

Nach einem Killerkonzert im Grand Hotel Cosmopolis mit Das Weisse Pferd und einem improvisierenden Das Hobos-Ableger (Tom Simonetti aka Mongkong und LeRoy plus Belp als Gast) hier ein Truck voll Sound aus der wunderbaren und seltsamen Welt von Schamoni Musik:

https://soundclound.com/schamoni-musik

       



WENN DAS NICHT POESIE IST

pulpcovers:

The Girl Between http://ift.tt/1ar7EN1

1960 Gold Medal paperback originalcover art by Charles Binger?

via seattle mystery bookshop



MEINE 3 ANTWORTEN

für die „Nur drei Fragen“-Kolumne in der die welt kompakt:

Welches Buch wollten Sie niemals missen – und warum? + „Wörterbuch der Gemeinplätze“ von Gustave Flaubert. Es ist so komisch, und scharfes Training für den Denkapparat, und man hat immer den Feind vor Augen.

Nennen Sie uns bitte das Zitat, das auf Sie den größten Eindruck gemacht hat. + „Du hast keine Chance, aber nutze sie“ – von Herbert Achternbusch.

Was bereitet Ihnen beim Schreiben die größten Probleme? + Ist der letzte Satz gut? Könnte er denn nicht besser sein? Habe ich genug Ahnung vom Raum hinter seinen Worten, und warum kann mich die Welt dort draußen bei diesen Problemen nicht wenigstens mal für eine Weile in Ruhe lassen?!

In seiner Einleitung meint Philip Haibach, ich hätte mit Ein Bulle im Zug „den lässigsten Roman des ausgehenden Jahres auf die viel befahrenen Gleise der deutschen Gegenwartsliteratur geworfen“.

http://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_literatur/article135202560/Nur-drei-Fragen-Herr-Dobler.html



DYLAN CASH

Im Nashville Country Museum bis December 31th 2016 die Ausstellung „Dylan, Cash, and the Nashville Cats: A New Music City“. Mit dem Plakat von der Waco Brothers & The Mekons one & only Jon Langford:

Mehr: http://countrymusichalloffame.org/ bzw Tennessee Tourism Deutschland: http://de.tnvacation.com/



CHARLES PLYMELL 80

Einer der größten amerikanischen Dichter feiert heute seinen 80., Charles Plymell, womöglich der letzte der echten Beats. Dessen Werke, wie unser Korrespondent von songdog.at sagt, „in fast jedes Bücherregal gehören“, und deren Autor bei guter Gesundheit ist. Ich habe Plymell mit dem von Carl Weissner übersetzten und herausgegeben Gedichtband „Panik in Dodge City“ kennengelernt (Expanded Media Editions, 1981) und vermute und hoffe, dass mich die Sammlung schwer beeinflusst hat.

Bildergebnis für charles plymell  & KB8 BENZEDRINE HIGHWAY BY CHARLES PLYMELL Norton/Kick Books

Da gibt es ein ergänzendes Interview mit Plymell, und er sagt etwas über Literatur und Produktion, das ich für eines der besten Statements halte. Ich habe es schon oft weitergegeben und war mir dabei nicht immer tausendprozentig sicher, dass es in seinem ganzen Ausmaß verstanden wurde, wie auch immer, es geht so:

Plymell: Möglich, daß Knochenarbeit auch sowas wie ein Gedicht sein kann. Aber man muß es nicht übertreiben. Ich will´s mal ganz kategorisch sagen: Kuhscheiße an den Stiefeln ist nicht unbedingt was Besseres als ein Harvard-Studium.

 hipsterfansite.blogspot.com

Charles Plymell ist im großartigen Verlag Peter Engstler mit diesen Werken vertreten, die der Hipster von heute lesen/hören muss, wenn er seinen Job ernst nimmt:

Plymell, Charles: Animal Light Plymell, Charles: LIEBESGESÄNGE Plymell, Charles: MINDEATER Plymell, Charles: Some Mothers' Sons

Plymell, Charles: READING 2. NOVEMBER 2007 CD Plymell, Charles: From Mc Namara and Vietnam to Rumsfield and World War ThreeCherry Valley, September 2003  Tape



VERLEGEN

Immer eine Reise wert: Peter Glasers (der Bachmann-Preisträger 2002, wenn´s der erkennungsdienstlichen Einordnung dient…) Blog „Glaserei“ in der NZZ. Mit der Gelegenheits-Rubrik „Verlesen“, die z.B. zu diesem reizenden Ausdruck führt, den man als Gegenmodell zum Grass´schen sozialdemokratischen Literaturbetriebsverhalten – vom Stil der Sozialdemokratieliteratur aus Zeitverschwendungsgründen ganz zu schweigen (vgl. sehr schön hier: http://songdog.at/blog/?p=10863 mit der Antwort auf die Frage: „Weißt du, was Dürrenmatt über Grass gesagt hat?“) – verfolgen (ich habe zuerst vergolden geschrieben!) und in die Realität einbringen sollte:

HOCHSCHULE FÜR ABGEWANDTE KÜNSTE

http://glaserei.blog.nzz.ch/2015/04/10/hochschule-fuer-abgewandte-kuenste/