Bildung

CURTIS MAYFIELD

wäre am Sonntag, 3.6.2012, 70 geworden. Netz-Radio Byte.fm würdigt das nicht nur so´n bisschen, sondern so:

15h Curtis Mayfield – Tanzen mit Botschaft/mit Oliver Stangl. 17h Mayfields Movies/mit Alexandra Friedrich. 20h Searching for the Young Soul Teachers – Die Erben des C.M./mit Klaus Walter. Dauer jeweils 120 Min.

SISTERS! NIGGERS! WHITEYS! JEWS! CRACKERS!

DON’T WORRY

IF THERE’S A HELL BELOW

WE’RE ALL GONNA GO

sang Mayfield 1970. Und war laut David Nathan der erste, der die Beschimpfung Nigger den Weißen wegnahm und für sich und die Seinen stolz okkupierte. Und seine Botschaft kam an. Aber, hat man den Eindruck, nicht bei vielen.

1994 besuchte Klaus Walter Mayfield, und ich griff seinen Bericht für Rock’n’Roll Fever auf, Guido Siebers Abb. 307 ergänzend: Mayfield „war seit vier Jahren zu Hause an Bett, Schläuche, Apparate gefesselt, vom Hals abwärts gelähmt (…) Der Radiodiskjockey ist vom Bild des Elends schockiert, doch Mayfield lenkt ihn schnell davon ab, mit seiner <unpfäffischen Mischung aus Güte und Milde einerseits und politischer Hartnäckigkeit, Kampf- und Widerstandsgeist.>“ Sein Leben „war immer noch von der permanenten Suche nach Food for Thought bestimmt (…) Er musste nicht Boris Vian gelesen haben, um zu wissen, dass das Gehirn das einzige Organ ist, das sich bis zum Tod weiterentwickeln kann.“



RUMGRASSN

ist ein schönes neues Wort. – Und es wundert mich nicht, dass der von mir schon immer (d.h. seit ca. 1984) geschätzte Peter Glaser zu denen gehört, die was Gutes zum Thema einwerfen. (Ein Missverständnis ist ja, dass alle, die sich gegen das Rumgrassn wehren, nun irgendwie auf CDU-Linie wären, soweit kommt´s noch…) – http://blog.stuttgarter-zeitung.de/category/literatur/

Außerdem sowieso Freund Wiglaf Droste in seiner täglichen Kolumne für die Junge Welt (die leider (sage ich, der seit vielen Jahren für die jW schreibt), aber wie zu erwarten war, den Grass beim behämmerten Rumgrassn unterstützt; wenigstens sind also immerhin unterschiedliche Meinungen im Blatt möglich…) – http://www.jungewelt.de/2012/04-07/042.php?sstr=wiglaf%7Cdroste%7Cg%FCnther%7Cgrass

Und damit werden wir unsern nun wirklich gleichgeschalteten Block nicht weiter mit der Sache zumüllen.

In Arbeit ein Essay: warum sind die offensichtlich bedeutendsten, irgendwie auch beliebtesten Autoren der Deutschen zwei 80-plus Männer, die immer wieder mit dubiosem (um es geradezu sanftmütig auszudrücken) Geschwafel auffallen, von dem noch das Dümmste von den größten Printmedien dankbarst aufgegriffen und groß rübergereicht wird? Warum kann ich mich nicht erinnern, dass von den durchaus zahlreichen Autoren, die ich seit 30 Jahren kennengelernt habe (sehr und weniger erfolgreiche, sich stark oder kaum politisch äußernde), niemals jemand sagte, lies doch mal dieses Buch von Grass oder Walser? Schon die Generation vor mir (Fauser, Weissner, Fels, Ploog, Fichte, Achternbusch, Cailloux u.a.) hat doch bei diesen Namen abgewunken. Da gibt´s ein auffallendes Missverhältnis; irgendwas stimmt da nicht. Da war z.B. ein Dürrenmatt ein ganz anderes Bedeutender-alter-Mann-Kaliber. Einer, der nicht als permanenter Mainstream-Mitläufer rumgeschrieben hat, und bei dem man sich vorstellen könnte, dass er (als Deutscher) einfach nur „Deutschland, halt doch einfach mal dein Maul!“ geknurrt hätte. (Geschrieben in Erwartung der großen Bürgeraktion „Einreiseerlaubnis nach Israel für Grass jetzt!“; da dürften dann wohl so ziemlich alle dabei sein…)



PRÄESIDENT

Mein Talent zum Seher, meine Qualitäten als Prophet sind mir langsam unheimlich; zum Glück bin ich nicht religiös und mein Ehrgeiz, was dieses Business betrifft, geht gegen Null – (aber vielleicht auch nur n o c h gegen Null, daher etwas unheimlich…). Im Grunde ist es mir also ein Rätsel, warum ich schon am 4. Juni 2010, als der vorige Präsident grade der neuste war, schon alles zum nächsten, jetzt also neusten gesagt habe. Sowas kann man eben nicht lernen, und ich schätze mal, das stand in keinem Leit- oder Hintergrundleitartikel. Ich will damit keineswegs angeben, jage nicht nach 18xDaumenhoch o.ä., führe eigentlich nur ein Selbstgespräch. – Suche per Datum oder Stichwortsuche „Präsident“.

Was z.B. im Aprilheft von Konkret zum neusten Präsident kommt, macht einen schon etwas nachdenklich, selbst wenn man nur die Hälfte glauben möchte. Besonders schön (oder auch schockierend für Sensiblere) der Schluss von Florian Sendtners Artikel, wo er schildert, wie Stoiber am 22.2.2012 den Präsidentkandidaten „4.000 betrunkenen Dumpfbacken“ im Bierzelt Passau zu verkaufen versucht, aber ein Argument nach dem andern kommt bei den CSUlern nicht an bzw. „die Bedudelten checken´s immer noch nicht“, bis Stoiber schließlich das sie überzeugende Argument final bei ihnen einschlagen lässt: „Einer, der für Thilo Sarrazin auch ein gutes Wort gefunden hat!“ Und da endlich jubelt die Gemeinde.



MY PUMPGUN IS MY BROTHER

singt Prince in einem Frühwerk, und das kann man kritisieren, jedoch oft auch verstehen. Wie man auch die CSU oft versteht und jetzt ihren Dr. Goppel (oder heißt er Dr. Goppels?). Dem ultrarechten Blatt (das kürzere Wort für ultrarechts ist per Gericht dafür verboten) Junge Freiheit hat er gerade zum 25. oder 33. Geburtstag gratuliert. „Die JF wird gebraucht! … Zur Verbesserung der Sicht des ganzen Deutschlandspektrums“,schreibt Dr.Goppels „anerkennend“ (Süddeutsche) und hat mit dem zweiten Satz mehr recht als er selber denken tut.

Über irgendwas mit Schulunterrichtskram hat der Doktor angeblich seine Doktorarbeit geschrieben. Unser Blockspezialteam hat etwas recherchiert und kommt zu einem anderen Ergebnis. Titel der Dr.-Goppels-Dr.-Arbeit: „Kulturgeschichtliche Hintergründe der Hose Richard Wagners, die Dr. Goebbels eines Tages mit seinem Hund Adolf in Bayreuth kaufen ging“.

Überhaupt spielt der Hund im Leben des 1947 geborenen CSU-Politikers eine wichtige Rolle, liest man auf seiner Homepage. Das Dauergekläff seines Lieblings mag die Nachbarn stören, der Dr. Goppels aber hört´s gern: „Unser Labrador bellt unüberhörbar, wenn Gefahr droht – draußen wie drinnen.“



ERNÄHRUNG IST KRIEG

wie man weiß. „Im März fand in Bremen unter Beteiligung des Landesverbands der Linkspartei eine Aktion statt, mit der zum Boykott israelischer Waren aufgerufen wurde“, heißt es in der Mai-Ausgabe von Konkret, und Katharina König, Thüringer Landtagsabgeordnete der Linken und Gegnerin der Aktion, präzisiert im Interview: „Die Aktion wurde vom Bremer Friedensforum initiiert, als Teil einer europaweiten Kampagne, die dazu aufrief, keine Früchte aus Israel mehr zu kaufen und damit wirtschaftlichen Druck auszuüben.“

Dagegen ernähre ich mich schon länger hauptsächlich von Avocados aus Israel. Die Frucht, die demnächst zum Einsatz kommt, sieht aus wie eine etwas groß geratene Handgranate und trägt die Seriennummer PLU 1244 / L-4748. Schön wär’s, wenn man so Haufen wie das Bremer Friedensforum damit in Grund und Boden fressen könnte.



DER ISRAELISCHE MILITÄREINSATZ

gegen den Gaza-Schiffskonvoi ist nur zu diskutieren – (was bekanntlich nicht mit „gut heißen“ identisch ist) – unter der Berücksichtigung, dass „das Angebot ausgeschlagen wurde, die Hilfslieferungen im israelischen Hafen von Aschdod löschen und dann unter Aufsicht nach Gaza bringen zu lassen“. Wie der israelische Botschafter laut Süddeutsche Zeitung erklärte.

Und außerdem erwähnte: „Nie habe ich von den (deutschen) linken Abgeordneten ein Wort über die 8000 Raketen gehört, die von Gaza auf Israel abgefeuert wurden.“

Vielleicht weil sie auf dem falschen Dampfer sind, wenn sie glauben, dass sie irgendwie irgendwo links sind?



ZU DJANGO REINHARDT

seinem 100. Geburtstag ein Fundstück aus der Biographie „Chanson für Edith – Das Leben des Norbert Glanzberg“ von Astrid Freyeisen (List Verlag, 2003). Glanzberg war ein jüdischer Pianist und (Film-)Komponist, der 1933 vor den Nazis fliehen musste.

Ort: Paris, 1936 oder -37: „Der Gitarrist des kleinen Orchesters war ein Zigeuner, ein schwarzhaariger Mann mit tiefen Falten im Gesicht und einem dünnen schwarzen Menjou-Bärtchen. Er hieß Django Reinhardt. Im Vergleich zu den anderen Musikern und vor allem zu Glanzberg, dem jungen Flüchtling, war Django Reinhardt ein klingender Name in der Szene (…) Reinhardt war ein begnadeter Musiker, dessen Unzuverlässigkeit sprichwörtlich war. Verspürte er den Drang, einen schönen dicken Fisch zu angeln, machte er sich zu den Ufern der Marne auf, ließ sich dort irgendwo mit seinen Angelutensilien nieder und vergaß die Welt um sich herum. Auch die Uhrzeit. Auch die Auftritte am Abend. Die Mitglieder seines Orchesters lernten es, die Gewohnheiten des Meisters mit der Zeit zu erahnen und liefen, wenn er wieder einmal nirgends zu finden war, fluchend den weiten Weg bis zum Fluss, um Reinhardt hoffentlich noch rechtzeitig aufzustöbern.“

Dann der Abend, an dem Glanzberg Edith Piaf kennenlernt: „Glanzberg wandte sich gelangweilt ab. Doch dieses Wesen rief ihm plötzlich ein paar Brocken in einem Französisch zu, das er so gut wie gar nicht verstand. Offenbar handelte es sich um Anweisungen. Fragend sah er zu Django Reinhardt hinüber. Anstatt zu helfen, wandte der sich an die bucklige Person und sagte trocken zu ihr: ‚Gib dir mit dem boche keine Mühe, der versteht sowieso kein Wort.‘ Immer dasselbe! Reinhardts liebster Spaß war: Hey boche, du deutsches Sauerkraut, hast du überhaupt verstanden, was ich dir gesagt habe? Glanzberg musste grinsen und schüttelte den Kopf.“

Zum 100. ist bei Trikont die tolle Tribute-CD „Django´s Spirit“ erschienen, kompiliert von Susie Reinhardt (ex-DM Bob & The Deficits und heute bei  Hoo Doo Girl). 20 Covers/Annäherungen von u.a. Dotschy Reinhardt, Biréli Lagréne, Coco Schumann, Mama Rosin, Dead Brothers, G Rag Y Los Hermanos Patchekos und den unwiderstehlichen Hoo Doo Girl.



WENN DER HERR HENRYK M. BRODER

das gesagt hätte, wäre die Aufregung unter den bedächtig klug abwägenden deutschen Feuilletonjournalisten mal wieder groß. Aber er hat es nicht gesagt. Sondern der 91-jährige Schriftsteller und Psychoanalytiker Hans Keilson im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen vom 19.11.2009, und ich denke nicht, dass es härter zu formulieren ist.

„FRAGE: Würden Sie auf das heutige Deutschland vertrauen?

KEILSON: Ich vertraue auf die Reaktionen seiner Verbündeten, die als überfallene Nationen ein ähnliches Schicksal teilen und sich an ihre Geschichte, an das, was geschehen ist, erinnern werden, falls Deutschland dies einmal vergisst.“

Angebrachtes tiefes Misstrauen also. Auch gegenüber einer linken Seite, die sich, anders als dieser Block, nicht darauf einigen kann, die Fundamentalisten, egal, welcher Religion sie anhängen, abzulehnen. Mit der Maßgabe, sich gegen sie ggf. zu verteidigen. Weil man ja Curtis Mayfields „(Don´t worry) If there´s a Hell Below, We´re All Goin To Go“ durchaus kapiert hat. Und im Gaza-Streifen dann lieber nicht herumhängen möchte.



ICH WUSSTE NICHT

dass Paul Weller „Corrine, Corrina“ gespielt hat.

Es gibt soviel, was man nicht weiß.

Soviel, was man wissen muss.

Soviel, was man nicht wissen will.

Soviel, was man gewusst hat.

Soviel, was man nie wissen wird.

Soviel, was man nie gewusst haben wollte.



FEMINISMUS & CAMORRA (& …)

Zu diesem schönen Thema stand auf der Feminismus-Seite der Jungen Welt vom 11. September ein AP-Bericht von Frances D’Emilio. Schon der Anfang ist filmreif: „Sie führen Pseudonyme wie ‚Dicke Katze‘ oder ‚Wildfang’…“ Und natürlich machen diese Herzchen Karriere, weil ihre Süßen eingebuchtet sind.

Bevor die 4-teilige Serie in der Brigitte kommt, will ich gern den Vorbau dazu weitergeben: „Vielfach besetzen die Frauen der Camorra zwar nach wie vor die eher traditionelle Rolle und schneiden und verpacken Kokain und Heroin in ihrer Küche. Zunehmend aber erpressen sie selbst…“

Während sich die neapolitanischen Killerbienen also zunehmend etwas mehr emanzipiert haben, „haben sie in der sizilianischen Cosa Nostra diese Möglichkeiten offenbar nicht“, werden die Untersuchungen des Historikers Ombretta Ingrasci zusammengefasst.

Die Feminismus-Seite der Jungen Welt erscheint jeden Freitag, und wenn nicht deswegen, dann muss man sich an diesem Tag die Ausgabe wegen der Kolumne von (Jörg) Schröder & (Barbara) Kalender kaufen. Um sich dann vielleicht mal wieder geradezu endlos auf ihrem Riesenblock auf der taz-homepage festzulesen. Da hat man dann sein Lachen über die allerneusten Netz-Manifeste auch gleich schnell vergessen und kann sich locker tagelang mit was Sinnvollem beschäftigen.

An diesem 11. September erzählt die Kolumne wie März-Verleger Schröder mit 17 Erich Wollenberg, u.a. während der Räterepublik stellvertretender Oberkommandant der Roten Armee bei Dachau, kennenlernte. Letzter Satz: „Dennoch, diesem Mann verdanke ich meine Initiation als Linker“.