Produktion

DIE WIESN DIE WIESN

ist – von allen ungemahten Wiesen – schon die schönste. Und selbst wenn man schon beim Dirndlanziehen hackedicht ist, gibt es einen Grund hinzugehn. Ich habe ihn in der Süddeutschen Zeitung vom 21.9.2000 beschrieben (und der Artikel ist, von der gesellschaftlichen Position Dr. Stoibers und vom von uns gefahrenen Haider Jörgl mal abgesehen,  nicht so durch wie die  Supermodels vom letzten Jahr):

Das Herz von der ganzen Wiesn

Die Krinoline, ihre Blasmusik und ihre erste CD

Am dritten Wiesnabend um halb Sechs wird’s spannend an der Krinoline, dem ältesten Fahrgeschäft auf dem Oktoberfest. Sechs Polizisten kommen zum Karussell gerauscht, und ein Schwung Medienleute ist auch da.

Fotoausrüstungen, Fernsehkameras. Was wird denn jetzt hier wieder gespielt? Kommt der Stoiber? Der Haider? Oder beide zusammen?!

Warum nicht ? Aber jetzt nicht. Die eine Truppe redet ein paar ernste Takte mit einigen jungen Burschen, denen das böse Wiesnkoks weniger geschadet hätte als die hiesige Lieblingsdroge. Und die andere Truppe hat die fünf Musiker der Krinoline Blaskapelle im Visier. Denn die kann in ihrem 63. Jahr ihre erste CD präsentieren: „Biermusik!“ Der Titel kommt vom Tenorhornisten Franz Fürst: „Wir spielen keine Volksmusik, wir spielen Biermusik!“ Eben, wo doch die Wiesnvolksmusik bei all den Alpenyuppies gut aufgehoben ist, mit deren Spielen und Trachten die Krinoline-Combo etwa so viel zu tun hat wie ein Vilsmaier-Film mit einem von Achternbusch. Oder das Karussell mit dem riesigen Olympia-Looping, vor dem es aufgebaut ist; wie der Hightec-Maschine zum Fraß vorgeworfen schaut’s aus der Entfernung aus. Aber es ist unwahrscheinlich, dass das tolle Ding die gemächliche Attraktion seit 1924 überleben wird. Gemächlich? Vorsicht. Das Drehen und dabei Schaukeln hat’s in sich, wie die Krinoline eben, der „schwingende Reifrock der feinen Damenwelt um 1860“. In Begleitung der so unmilitärisch klingenden Kapelle, die in einem an der Außenwand befestigten Kabuff sitzt und die man beim Fahren ständig lauter und wieder leiser hört, entsteht eins der schönsten mir bekannten Gefühle.

Die Brüder Sepp und Franz Schmid stehen im Mittelpunkt des Abends, denn die beiden Flügelhornisten sind nicht nur die Seele der Kapelle. Allein dies ist schon eine kräftige Lokalmeldung: Die ältesten Münchner Zwillinge – mit 90 das erste Album! Die langjährigsten Wiesnmusiker sind sie sowieso. Seit der ersten Nachkriegszeit haben sie sich durch fast alle Bierzelte gespielt, ehe sie vor bald 30 Jahren in die Krinolinen-Band eingestiegen sind, und damit entkommen dem „ganzen Rauch und Radau“ und auch dem Dirigenten – so eng ist es, dass die Drehscheibe, wenn sie am Höchsten schwingt, ihm glatt den Kopf abschneiden würde, so nah sind die Fahrer den Musikern.

Die „Schmid Buam“ stellen sich für die Fotografen auf. Sie sind stolz, sie freuen sich wie die Schneekönige und sie strahlen so viel Würde aus, dass die Wiesn für eine Minute verstummen müsste. Wir möchten nicht glauben, dass das ihre letzte Saison sein soll.

Diese Musik „strahlt einen geradezu exotischen Reiz aus“, bescheinigte sogar die Sänger- und Musikantenzeitung. Weil eine fünfköpfige Blasmusik eine schön abgespeckte, verfremdete Blaskapelle ist und somit auch der letzte Gassenhauer neu und ungewohnt klingt, speziell für’s Quintett arrangiert. Die schmale Besetzung hat sich aus Platz- und Finanzgründen ergeben, und ihr Sound aus der Notwendigkeit, sich der eleganten Karussell-Bewegung anzupassen: Die Musik ist weich und gefühlvoll, eigentlich nicht weiter weg von Swingjazz als von Blaskapellenmusik, deren Zackiges und Marschierendes verbannt wurde. Das gehört zur großen Schmachtfetzenmusik, so in der Mitte zwischen Mariachi und finnischem Tango. Wenn’s einen echt bayerischen Soul gibt – das muss er sein.

Der Groove des Karussells

Vor allem die Schmid-Brüder stehen für diesen einzigartigen Klang, und deshalb hat die Plattenfirma Fischrecords für die CD die Kapelle um sie herum gebildet (vom Krinoline-Stamm sind die Tenorhornisten Franz Fürst und Sigi Kaiser dabei und an der Tuba Sepp Preis). Im Tumult am Karussell kann der Musik nie die ganze Aufmerksamkeit gehören, und so ist das Album (das am Fahrgeschäft sinnigerweise nicht verkauft werden darf) mehr als nur ein Souvenir, ohne Publikum, aber live, an zwei Tagen im Studio eingespielt. Im Begleitheft entdeckt man Worte wie „Groove“ und „Bavarian Bluenotes“ („kleine musikalische Unsauberkeiten“, die im Interesse eines blitzsauberen Gesamteindrucks nicht weggesäubert wurden); das ist ungewöhnlich für eine Platte mit Volks-, pardon Biermusik, und es stellt sich die Frage, wer das endlich einmal dokumentiert hat.

Wird schon kein Zufall sein, dass Fischrecords nur eine Art Bastard der Volksmusik-Szene ist. Dahinter stecken Hans-Peter Falkner, bekannt als Ziehharmoniker des heftigen Linzer Duos Attwenger („wir probieren gerade neue Songs“), der andererseits mit astreiner Volksmusik aufgewachsen ist und sie mit seinen Eltern schon lange spielt; und zweitens Hias Schaschko, Münchner Postkartenverleger, Grafiker, „Intim-DJ“, Musikherausgeber und seit vielen Jahren Krinoline-Fan. Er hatte schon die Fäden gezogen, als die Krinoline-Band 1992 bei einem Attwenger-Konzert den Anheizer machte. Es ist ihre siebte CD mit alpenländischer Rootsmusic. Dokumente, aufgenommen, ehe sie zwischen den Blöcken porentief reine Museumsvolksmusik und Volksballermann womöglich verschwunden sind.

Während die zweite Schicht der Krinoline-Blaskapelle zu arbeiten anfängt, steigt im Hinterhof eine kleine Feier, eingeklemmt zwischen Karussell und rasendem Looping. Kein Außenstehender käme beim Anblick der Gäste auf die Idee, dass hier die Herzkapelle der Wiesn geehrt wird, und andererseits fehlen die bei „Release Parties“ üblichen Angebergestalten. Die Bewirtung ist optimal, Augustiner vom Fass und Brezen. Karussell-Chef Theo Niederländer, der Enkel des Begründers, der dieses Unikum nur einmal im Jahr mit Liebe zum Detail aufbaut, hält bescheiden eine kurze Rede, und die von Schaschko ist ganz kurz. Kein Getue, keine Scheinwerfer, und Musiker mit sonnigem Gesicht. Neben der Musik ist es das, was alle an diesem Album Beteiligten verbindet: nirgendwo ist was Aufgemotztes im Spiel – an diesem Ort!

Die Aufgänge zum Karussell sind schwer belagert. Erwachsene vier, Kinder drei Mark (Verliebte frei, das fehlt noch). Die Welt dreht sich und man erkennt doch alles genau auf der leuchtenden Wiesn. So sieht sie gut aus. Und die Krinoline Blaskapelle spielt „La Paloma“. Wem jetzt das Herz nicht brennt, der hat nur eins aus Lebkuchen.

(Die CD „Biermusik!“ gibt’s im Fachhandel, Vertrieb Indigo/Hoanzl, die Live-Musik täglich von 15 bis 23 Uhr auf der Wiesn.)



MEINE GROSSEN GEFÜHLE

oder besser gesagt meine überwältigenden bezüglich des bayrischen Biergartens habe ich im August-Heft des Magazins A GUIDE so ehrlich wie noch nie beschrieben:

DOOF / Ich wurde dann doch nicht wahnsinnig, aber ich war, wie immer, kurz davor, es zu werden, und im Sommer hat ein Mensch mit einer minimalen Restsensibilät sowieso kaum eine Überlebenschance.

Einmal eine Stunde in einem Biergarten sitzen, und ich bin eigentlich schon so gut wie selbstmordgefährdet, beziehungsweise umgekehrt.

Einige Sätze, die in den letzten Wochen durch mein Trommelfell kamen, weil sie von meinem körpereigenen Akustikabwehrsystem nicht rechtzeitig entdeckt wurden. Es sind nichtmal die besten, und es sind nichtmal fünf Prozent.

„Mag sein, dass sie nicht doof ist, aber ihre Wohnzimmergarnitur ist vier Jahre alt und grün, das würde ich mir echt nochmal gut überlegen, wenn ich du wäre“. Genau an dem Punkt und ohne eine nennenswerte Ergänzung blieb diese an sich schon mörderische Frauenstimme eine Stunde lang hängen, und obwohl ich mich selbst geradezu behämmert intensiv mit jemandem unterhielt, entkam ich ihr nicht.

„Du kannst über Seehofer sagen, was du willst, aber er will´s wirklich wissen“. Genau an dem Punkt blieb der Rettet-die-Bürokratie!-Mann, der nur einen Wunsch in mir weckte, in die Deutsche Demokratische Republik flüchten zu können, eine Stunde lang hängen.

„Das musst du mir erstmal beweisen, dass Michael Jackson nicht ermordet wurde“. Genau an dem Punkt und mitten in einer bayrischen Kleinstadtmetropole, die bis heute stolz darauf ist, von einer der übelsten Bankiersfamilien der Weltgeschichte geprägt und beseelt oder,  von einem anderen Blickwinkel gesehen, umgelegt und eingemottet worden zu sein, blieb das Paar, von dem ich überzeugt war, dass es sein Kind sofort über den Zaun nach Neverland werfen würde und eine Klage wegen Kindesmissbrauch eingereicht hätte, noch bevor das Kind auf dem Boden aufgeschlagen hat, eine Stunde lang hängen.

Es gibt Schlimmeres, ich weiß; allein schon die Vorstellung, man wäre gezwungen, sich jedes Interview von diesem vernagelten Bischof in voller Länge anzuhören, ist schlimmer.

Aber weil ich zum Glück nicht ganz blöd bin, habe ich dann herausgefunden, dass es in Bayern kein Gesetz gibt, das einen zum Biergartensitzen verpflichtet.

Ja, das war mir auch neu. Wie alle, die ich kenne, die nicht wahnsinnig geworden sind und in einer Geschlossenen sitzen, bin ich immer davon ausgegangen, dass jeder von uns verpflichtet ist, pro Saison mindestens zwanzig Stunden im Biergarten zu sitzen. Es ist nicht zu fassen, wieviele Qualen ich mir in meinem Leben hätte ersparen können. Kann man sie nicht verklagen? Wegen Vortäuschung eines Gesetzes?

Darüber habe ich dann nachgedacht, wieder einmal im Biergarten. In dem ich nur saß, weil das Gefahrenpotential gegen Null ging. Weil es grade geregnet hatte und gleich wieder regnen würde. Und weil mein Hirn schon erheblich verregnet war, hatte ich nicht bedacht, dass sich in dieser Wetterlücke der Biergarten naturgemäß innerhalb von Minuten füllen würde. Und obwohl ich aus meinem Schädel schaute wie der Serienmörder Ed Gein in seinen dunkelsten Momenten, setzte man sich auch zu mir.

„Ach, ist das schön hier“, sagte die Frau.
„Wunderbar“, sagte der Mann, „wie im Paradies“.
„Bei uns damals in Jena vor der Mauer gab´s ja auch viele Biergärten“, sagte die Frau zu mir und lächelte mich an.

„Ich weiß schon, dass bei euch nicht alles gut war“, antwortete ich freundlich. Dann musste ich laut werden. Ich spürte, dass ich kurz davor war. Und dass ich noch nicht bereit war. „Franz!“, schrie ich, „ein Notfall! Zehn Halbe für mich, aber auf einmal und pronto!“



ZUM TOD VON WILLY DEVILLE

schrieb ich für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 9.8. diesen Nachruf.

ALTE SCHULE

Ein Gentleman und Sänger: Zum Tod von Willy DeVille

Willy DeVille sah phantastisch aus in den letzten 20 Jahren. Als hätte jemand zu Johnny Depp gesagt: „Wenn du sie mit deinen Piratenfilmen alle umhauen willst, muss Captain Sparrow aussehen wie Willy DeVille“.

Er hatte lange Haare, ein Gesicht, das man nicht bekommt, wenn man Gemütlichkeit für den Sinn des Lebens hält, und mit seinen eleganten Kleidern wirkte er wie ein Südstaaten-Gentleman, der morgens von drei schönen Damen den Bericht zur Lage bekommt, und bei Sonnenuntergang überlegt, welche Bank er, ganz altehrwürdig gewaltlos natürlich, ausnehmen könnte.

Und tatsächlich lebte er in der Nähe von New Orleans und züchtete Pferde. Falls er nicht in seinem Appartement im French Quarter auf den Ruf der Straße hörte und sich bereitmachte, ihm zu folgen. „Ich bin eine Quarter-Ratte“, sagte er einmal.

Es war undenkbar, dass dieser Mann nicht aus den Sümpfen Louisianas kam. Das sah man, das hörte man seiner Musik an, diesem typischen Gemisch aus Rhythm´n´Blues, Soul, Cajun, irgendwas Karibisches; und die vielen französischen Titel wie „Loup Garou“; und Begleitmusiker wie Dr. John, Allen Toussaint oder The Meters.

Doch es war eine Inszenierung, ein musikalisches Bekenntnis des unheilbaren und offensiven Romantikers Willy DeVille, in dessen Künstlernamen nicht der Teufel, sondern ein Cadillac steckte, und der als William Borsey am 25. August 1950 in Stanford, Connecticut, geboren worden war.

Es war eine Inszenierung, die aber keine Pose war. Er hatte seine vielen musikalischen Einflüsse auf den Straßen der Lower Eastside von New York eingesammelt, in denen er mit dreizehn landete, und dazu passend waren unter seinen Vorfahren Irokesen, Iren, Basken „und ein bisschen von diesem und jenem“, erzählte er Richard Marcus.

Diese Einflüsse waren schon deutlich, als er mit seiner Band Mink DeVille Mitte der Siebziger in der New Yorker Punkszene um den Club CBGB´s debutierte. Das Album „Cabretta“ klang 1977 nicht nach Punk, und sie sahen nicht aus wie die Ramones – und als ihre Musik dann nach Deutschland kam, konnte man, spätestens 1985 mit dem Hit „Italian Shoes“, verblüfft sein, dass das irgendjemand unter Punk einordnete: weil da ja Schmachtfetzen drauf waren, Bläser, Bluesiges, Jesus!?

Die Forscher wussten es später zu belegen: im Gegensatz zu den vielen prolligen englischen Punks, waren viele New Yorker ziemlich gebildet, vor allem, was die musikalischen Traditionen betraf, und speziell Mink DeVille schienen neben einer Jukebox zu stehen, in der noch Hank Williams- und Ronettes- und Sinatra- und John Lee Hooker-Singles waren.

Nach den ersten, ganz ordentlichen Erfolgen mit Produ-zentenlegende Jack Nitzsche, löste sich die Band 1986 auf. Ein paar Jahre später schaffte es Willy DeVille unter einem Drogen- und Schuldenberg hervorzukriechen und eine Solo-Karriere zu starten, die in Europa eher als in den USA erfolgreich war.

Als Mann der alten Schule pfiff er auf die jeweils aktuellen Trends und bedachte Plattenfirmen und Radiostationen mit einer schönen Sammlung von Schimpfworten. Mit seiner unwahrscheinlichen Mariachi-Version von „Hey Joe“ hatte er 1992 nochmal einen großen Hit. Sein Spätwerk ist würdevoll, von ungebrochener Leidenschaft für die Sounds, die er liebte. Manches war vielleicht etwas zu opulent geraten, schlecht war nichts. Und seine Stimme war immer einzigartig verkratzt und beseelt.

„Ich arbeite an einem Buch über mein Leben“, sagte er 2008 in einem Interview mit Peter Gruner. Aus dem leider, soweit wir wissen, nichts mehr geworden ist. Nach 30 Jahren im Musikgeschäft und 15 Alben starb Willy DeVille am 6. August in New York, drei Wochen vor seinem 59. Geburtstag. Ein früher, aber kein überraschender Tod; seit Februar waren alle Konzerte abgesagt.

Er starb friedlich, heißt es, und im Beisein seines „Guardian Angel“ (den er schon 1978 besungen hat), der Frau, die er liebte. Ein Tod, der eines Südstaaten-Gentleman würdig ist.

 



DIESES GEDICHT

ist nicht in meinem neuen Gedichtband  „Ich fühlte mich stark wie die Braut im Rosa Luxemburg T-Shirt“, der am 6. Oktober im Songdog Verlag erscheint. Warum?

a) ist es nicht gut genug; das sage ich für die Konkurrenz, die glaubt, müde lächeln zu müssen, weil der Band nur 60 Seiten hat.

b) wurde es lange nach dem Abgabetermin geschrieben; es ist also jung und kümmert sich um gar nichts, es grinst nur unbekümmert in die Fresse des Literaturbetriebs, und hier ist es (inspiriert von den Block-Aufzeichnungen meines Kampfgefährten Andreas Niedermann, siehe rechts in den Links):

Die Bauarbeiter vor meinem Fenster

sind zum Streiken zu blöd

doch ich bring sie alle um

auch wenn ich in die Zelle

zum Charlie Manson kumm.

Anmerkung: Beim Schreiben habe ich nicht an einen Literaturpreis gedacht. Und an kein Unterkommen in einem Literaturhaus.  Nicht bewusst jedenfalls. Ich wollte mir nur, wie so oft, mit dem Schreiben helfen. Harlan Howard hat beim Schreiben von „Busted“ auch nur an sich selbst gedacht. Und an die, die es verstehen können bzw. verstehen können sollen. Ja.



ZU MEINEN SCHÖNSTEN ERFOLGEN

gehört zweifellos, dass der Berliner Songwriter Danny Dziuk mein Gedicht „Der mit der Gitarre“ auf seiner letzten CD „Freche Tattoos auf blutjungen Bankiers“ (Buschfunk) vertont hat.

Und dazu passend unfassbar ist, dass sich der Song seit Monaten ganz oben in den Independent-Charts in Kroatien und Finnland hält. Ein Traum, zu dem keiner von uns eine Erklärung hat.

Das erinnert mich aus irgendeinem Grund auch daran, dass Johnny Paycheck (ich glaube am Anfang seiner Karriere) die LP „Live at Madison Square Garden“ veröffentlichte. Von der keine Sekunde im Garden aufgenommen worden war. Logischerweise. Weil er dort noch nie gespielt hatte.



S!A!U!

war Anfang 1980 eine umwerfende Entdeckung für mich: ein von Punk und New Wave deutlich inspiriertes Literatur- und Filmmagazin. Texte, Briefe, Karten, Entwürfe von Achternbusch, Fels, Lemke, seitenweise von/über Devo, Patty Smith, XTC etc. Herausgegeben von Eckhart Schmidt, ein Filmer aus der Münchner Gruppe.

Die Story “Der Fan” wurde in S!A!U! gedruckt, dann als Film legendär; die junge Desirée Nosbusch frisst ihren Star… Und Schmidt hat auch viele tolle Dokumentarfilme gemacht, die von seiner starken Amerikanifizierung erzählen und seiner Liebe zum Film, zuletzt “Glamour vs. Paparazzi”.

Eckhart Schmidt und Karl Bruckmaier sind meine Gäste im Benno-Ohnesorg-Theater in den Münchner Kammerspielen am 29.3. um 21h.

Schmidt ist vor allem mit seinem neuen Fotoband “Window Girls” dabei, die Schaufensterpuppen vom Hollywood Boulevard, die bald einer Shopping Mall weichen müssen (Belleville Verlag). Ein Stapel Fotos wird kommentiert.

Karl Bruckmaier, seit vielen Jahren wichtigster SZ-Popjournalist und BR2-DJ, stellt eine seiner Arbeiten vor und hat einen neuen Band mit Short Stories des Blues/Experimental-Gitarrenhelden John Fahey dabei, “Orange” (edition suhrkamp), den er herausgegeben und übersetzt hat. Bruckmaier (wie Fahey) ein Wanderer durch die populäre Kultur: hat mit “Haschplatten” ein extremes Label gemacht, die ersten Poetry Slams in Deutschland organisiert, und ist mit seinen Hörspiel-Inszenierungen in fremde akustische Welten aufgebrochen.

Wird eine sehr amerikanische Nacht. Und irgendein Bezug zum Theaternamen könnte sogar auch noch auftauchen. Falls uns das interessieren würde/wird/kann.



ON THE ROAD AGAIN MAMA #4

Die Veröffentlichung der CD ist auf den 12.10. verschoben (Trikont/Indigo). Zu den Release-Konzerten, am 28.9. in München (s. Vereinsheim.net) und am 2.10. in Augsburg/Café Viktor (s. Homepage Trikont) ist das Produkt jedoch anwesend.



UNSER DJ, DER HELL, DER HELLI

hat er, sagt die Kim, die Kim Peers, also die “DJ & Performerin” Kim Peers, der Hell also gesagt zu ihr, als sie sich, der Geier Helli und die Peers, kennenlernten:

“Schoene Menschen machen schoene Musik”.

Also der Wahnsinn, der Hell, wie er es nur immer schafft, so eine Intelligenz mit so einfachen Worten, der Wahnsinn, der Hell, der DJ Hell. Hab ich mir auch schon immer ueberlegt, aber kam nicht richtig drauf. Logisch eigentlich: haessliche Menschen machen haessliche Musik, kleine kleine Musik, weisse weisse. Verblueffend aber meine Erfahrung: dumme Menschen machen nicht immer die duemmste Musik. Ich weiss auch nicht – sowas weiss ja nur unser Hell, der DJ, der Helli vom Chiemsee, also der Geier halt, ihr wisst schon, der Hell, den manche in Berlin, sagt der Hell, sogar “Dr. Hell” nennen, also laut Hell zumindest.

Nichtsdestotrotz, unter den Umsonst- bzw. 1-Euro-Magazinen ist mir das “Vanity Fair” so ziemlich das liebste. Ganz schoen viele Informationen. Und dann aber die Fotos. Also der Hell, ich meine der DJ Hell, und die Kim und die,  also die vom Label vom Helli, also vom DJ, der Geier Helli halt, schon ganz schoen schick, also chic natuerlich, jetzt aber echt, das ist kein Schmarren.



IN DER SONDERSCHULE VON GEORGE TABORI

habe ich einmal sein dürfen. Als ich 1989 eine Hospitanz am Schauspielhaus Dortmund machte, bei Guido Huonder, der George Taboris Montage-Stück ‘Masada’ inszenierte.

Das Stück greift die historische Situation auf: die jüdischen Widerstandskämpfer in der Festung Masada werden von römischen Truppen belagert, und haben keine Chance.

Zu der Zeit ging etwas mit einem RAF-Hungerstreik durch die Medien, und Huonder brachte dieses Thema mit hinein, obwohl er mit kaum einem Satz einen deutlichen Bezug herstellen konnte – mit den Bildern war er deutlich genug. Die Inszenierung war nicht nur anstrengend, sondern auch wie ein Faustschlag ins Hirn.

Parallel dazu inszenierte der Schweizer Regisseur, der damals das Dortmunder Haus leitete, Taboris Stück “Mein Kampf”, das vom jungen Adolf Hitler in Wien erzählt. Neben ‘Warten auf Godot’ ist es für mich das beste Theaterstück seit ca. 1789. Ich habe inzwischen mehrere Inszenierungen gesehen – die von Huonder scheint nicht erreicht werden zu können, weder die Komik noch das Grauen.

Die Arbeit mit Guido Huonder und die Beschäftigung mit dem Werk von George Tabori waren mit die wichtigsten Lektionen, die ich je bekommen habe. Bis heute kann ich sie immer wieder gebrauchen, habe Situationen, Szenen, Gespräche im Kopf, und es war die Art von Soul, die nicht mit Seele zu übersetzen ist.

Soweit ich mich erinnern kann, gab es in ‘Masada’, montiert aus historischen Berichten, die in die Festung im heutigen Israel verlegt wurden, nur am Ende einen Satz von Tabori selbst:
Bei klarem Wetter sieht man bis Auschwitz.
R.I.P.



ON THE ROAD AGAIN MAMA

ist der Titel von # 4 meiner Compilation-Serie “Perlen Deutschsprachiger Popmusik” und erscheint am 12. September wie die vorherigen bei Trikont.

Eins möchte ich jetzt schon rauslassen: mit “Nur Worte gehen weiter als ich” von ROCK aus Hamburg, ein unveröffentlichter Song von und mit Christof Schreuf, früher Brüllen, vorher Kolossale Jugend.

(Geht doch: ich musste kolossal im Lexikon nachsehen: ein l zuviel kann ja tödlich sein, besonders wenn man nicht an diesen oder jenen Alah glaubt).