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EINE ZIEMLICH INTERESSANTE

Meldung erreicht uns von österreichischen Kollegen und natürlich geht es um den Bachmann-Wettbewerb. Wie jedes Jahr werden wir Literaturafficionados miterleben dürfen, wo die wahren literarischen Hämmer hängen, selbst wenn, wie meistens, das darf man kritisch anmerken, kein Goetz oder Wawerzinek dabei sein wird.

Die diesjährige Hauptmeldung also (nachzulesen in Profil) fordert dann aber doch mal unsere ganze Aufmerksamkeit:

<Und die Literatur hat es ausnahmsweise ganzflächig auf die Titelseiten regionaler Zeitungen geschafft: „Rettet den Bachmannpreis“, forderte die „Kleine Zeitung“ vor wenigen Tagen. Die Veranstaltung selbst, die am Mittwoch dieser Woche mit einer von Michael Köhlmeier gehaltenen Rede eröffnet wird, steht unter keinem guten Stern (…) In Köhlmeiers Eröffnungsstatement wird die aktuelle Causa keine große Rolle spielen: „Meine Rede wird sich um den Schriftsteller Jörg Fauser drehen, den ich vor 30 Jahren in Klagenfurt kennengelernt habe“, kündigt der Autor an: „Es ist mir viel wichtiger, über Fauser zu sprechen als über Wrabetz (der sog. ORF-General, A.d.V.). Nichts, gar nichts kann mich davon abhalten, eine Hommage auf Fauser zu halten.“>

Komplett hier: http://www.profil.at/articles/1326/560/361173/orf-kritik-kulturszene-wrabetz

Jörg Fauser (1944-1987) hatte 1984 beim Klagenfurt-Rennen seine Erzählung „Geh nicht allein durch die Kasbah“ vorgelesen und war von den Juroren Reich-Ranicki und Jens – (das wurde aber auch wirklich in allen Nachrufen respektvoll kritisch erwähnt, dass der Mann ein paar kleine Kenntnislücken im Unterm-angeblich-höööchstkulturellen-Literaturbereich hatte) – auf eine Art niedergemacht worden, die jungen Autor/en/innen zeigen sollte, dass man den ganzen Scheiß nicht so toternst nehmen sollte. Ist die eine Seite so grotesk wie entlarvend (oder auch desillusionierend, würden sensible Gemütter wohl meinen), so ist Fauser sensationell gelangweilt bei der Beurteilung. Gibt keinen deutschen Autor, der ein schöneres „Fuck off“ in die Literaturbetriebskameras gegeben hätte.

 Trikont CD

Das kann man sich im Netz ansehn oder auf der DVD, die dem Band „Mann und Maus/Gesammelte Erzählungen II“ beiliegt (Gesamtausgabe Band 6, Berlin 2006).



WAS SIND DENN ECHT RICHTIGE MÄNNER?

Da haben wir in unserem frauendominierten Block keinen Zweifel: richtige Männer beschweren sich nicht, wenn es an ihrem großen Jubiläumstag vom Himmel pisst, als würde die Hölle den Tag des Jüngsten Gerichts anläuten, obwohl sie fünf Wochenenden dran gearbeitet haben, ein Gelände mit Bars und Bühnen und Zelt herzurichten für den Anlass.

Wir sagen es zu ihrem 40. genau so: Sehr beruhigend, in der Hölle auf diese Männer zu treffen. Nach 7 Stunden schweren Schwerstgitarren sind wir bereit!



TAGEBUCH EINES ÜBEREIFRIGEN MUSIKSTUDENTEN (3)

1 John White: Erik Satie/Caresse

2 WDR Sinfornieorchester: Benjamin Britten/Young Person´s Guide to the Orchestra

3 Ensemble I Musici: Benjamin Britten/Simple Symphony Op.4

4 Charities Philharmonia: Britten/Young Person´s Guide

5 Charles Mingus: Mingus plays Piano

6 Glenn Gould: Beethoven/Piano Concerto No.5 in e flat major/I.

7 Glenn Gould: Alban Berg/Piano Sonata, Op.1

8 Miles Davis: Sketches of Spain

9 Jerry Fielding: The Wild Bunch Soundtrack

10 The Good, The Bad & The Queen: s/t

11 XTC: Apple Venus Vol.I

12 Robert Wyatt: Comicopera



SPITZENSATZ (10)

„Dass eine schwangere Frau in den Hungerstreik geht und damit ihr Ungeborenes gefährdet, muss sofort beendet werden.“

Christine Haderthauer, Bayerische Staatsministerin für Slasher-Filmförderung



SCHON GUT

Es stimmt schon. Hier muss wieder mehr Lustiges verbreitet werden. Das Lustige wird ja in unserer Zeit viel zu wenig beachtet. Obwohl es doch alle so bitter nötig haben – (Flaubert hätte in seinem Wörterbuch der Gemeinplätze notiert: Nötig: Immer bitter.)

Das Problem ist, dass unsere Redaktion „Spaß und Freizeit“ notorisch unterbesetzt ist. Diese Säcke und Tussen sind entweder krank oder sitzen „an einer großen Sache, die aber Zeit braucht.“

Also haben wir ausnahmsweise unsere Gleichstellungsbeauftragte abkommandiert. Waren dann alle überrascht, dass sie auch auf diesem Gebiet Talent hat. Wenn sie Pech hat, werden wir ihr die Abteilung „S&F“ zusätzlich aufs Auge drücken. Aber lesen Sie selbst, was sie zu bieten hat:

Als ein Interviewer Samuel L. Jackson fragte, was das „L“ in seinem Namen bedeute, erwiderte er: „Motherfucker.“

(Mehr lehrreiches Wissen auf diesem Niveau in: Jim Dawson/Motherfucker. Berlin, 2011. Edition Tiamat, wo sonst?)



GUSTL MOLLATH (3)

bleibt in der Geschlossenen sitzen. Das Gericht hat sich die Meinung sozusagen umgeschnallt, dass man von Mollath „außerhalb des Maßregelvollzugs weitere erhebliche rechtswidrige Taten“ zu erwarten habe (zitiert nach SZ, 13.6.).

Man möchte sich tot lachen: Der Psychiater, der das grundlegende Gutachter verfasste, ist jetzt „im Lichte der neuen Erkenntnisse mit einer ergänzenden Stellungnahme beauftragt, diese verweigert der Gutachter nun offenbar.“

Das ist nur ein Teil des Desasters, um es mal gaaanz vorsichtig zu benennen: „Warum aber gibt es nichts Neues im Strafverfahren gegen Mollath? Weil sich das Regensburger Landgericht seit Monaten nicht in der Lage sieht, einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattzugeben.“

Und dennoch glauben wir so: Die Leute, die glauben, den Fall erfolgreich unterm Teppich zu halten, sollten sich mal umdrehn. Um die Lawine zu sehn, die auf sie niederkommen wird. Vielleicht nicht so schnell, wie sie´s verdient haben, aber vermutlich schneller als ihnen lieb ist. Dieter Hildebrandt hat es kürzlich angedeutet, als er Frau Merk die zurückgetretenste Ministerin der Woche nannte.

Sie und ein paar andere Figuren sind gut getroffen in diesem 45-Min.-Alptraum:

http://www.ardmediathek.de/das-erste/reportage-dokumentation/die-story-im-ersten-der-fall-mollath?documentId=15028746



TRIFF MICH IN

der Leichenhalle“ (hätte Ross Macdonald gesagt) oder hier auf neuen Videos:

1. Beim Vortrag von „Tango & Benzin“:

2. Aus Ry Cooders „In den Straßen von Los Angeles“:

 



UND JETZT ABER WAGNER

Ohne den Wagnersound anyway faszinierend oder auch nur im Geringsten fucking erträglich zu finden, bin ich doch anscheinend – in dem Fall würde ich wirklich lieber „scheinbar“ verwenden können – auch von diesem Giganten des deutschen Erdbodens beeinflusst (geprägt wäre dann hoffentlich wohl doch zu stark). Also durchaus auch passend zur Zeit. Obwohl ich mich in der aktuellen Diskussion, man sollte Bayreuth nach Offenbach verlegen, noch zu keiner Meinung durchringen konnte. Denn schließlich ist ganz Deutschland ein Offenbach.

„Faschistisches Kabuki in Bayreuth“ ist der Titel des Texts von Harry Mulisch, ein Auszug aus seinem Buch „Die Zukunft von gestern. Betrachtungen über einen ungeschriebenen Roman“ (Edition Tiamat, 1995), der sich im Tiamat-Reader „Perlen & Trüffel. Eine kleine Reise durch 25 Jahre Verlagsgeschichte“ (erschienen 2004) findet. Beide Bücher schwer zu empfehlen.

Harry Mulisch: „Im August 1971 kam ich in Gesellschaft einiger Freunde zu den Festspielen. Ich fühlte mich wie ein Ethnologe, der ins Inland von Neuguinea gereist ist, um die letzten Überreste kannibalischer Rituale zu studieren. (…) Die achtzehnhundert Zuschauer wurden so still wie bei einer Totenfeier – mit dem Unterschied, daß es hier die Totschläger waren, die verstummten. Ich hätte gern gewußt, ob das Theater auch ausgereicht hätte, die Menschen zu fassen, die von den Anwesenden umgebracht worden waren. (…) Wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte, wäre es dort genauso gewesen, wie es jetzt ist – nur ohne mich und noch ein paar andere Menschen.“

Und selbst für die Ankündigung im Edition Tiamat-Katalog Herbst 2013 für mein neues Buch „The Boy named Sue. Aus den Memoiren eines zerstreuten Musikliebhabers“ kam ich ums Rumwagnerianern nicht rum:

„Ich würde mich in meinen dreckigsten Stiefeln auf den Schminktisch von jedem aus der Liga dieser von und zu Guttenbergs stellen und ihnen erklären, warum ich mich lieber im Schlamm zu den Gesängen von Woodstock wälzen würde, als an ihrem Arm durch die Hallen Bayreuths bis an den Rand des Orchestergrabens zu wandeln, obwohl mich auch das nicht glücklich machen würde.“



CATWALK SMALLTALK (7)

IM KOMMUNISMUS, WENN DIE ARBEIT AUFHÖRT, ZEIT IST UMSONST, MASCHINEN MACHEN ALLES, SO KOMMT ES NÄMLICH, LES ICH ALLE BÜCHER.

DER MELKSCHEMEL WÄR MEINE LETZTE ARBEIT, ICH HACK IHN MIT DER AXT KLEIN. ICH GEH MIT KEINEM, DER KEIN AUTO HAT.

EIN AUTO HAT IM KOMMUNISMUS JEDER.

WENN JEDER EINS HAT, GEH ICH AUCH MIT JEDEM.

VIELLEICHT WAS LANGSAMER. UND VORSICHTIGER.

SCHEISS AUF DIE VORSICHTIGER.

ABER DANN SAG ICH: WENN ALLES AUFHÖRT, DIE MORAL HÖRT NICHT AUF.

UND DANN STREITENSE. DAS MUSS ICH VORBEREITEN.

VERGISS DIE VORBREITEN.

MACH MICH HIER NICHT.

AU MANNO SAU.



TOPCOVERS DER WELT NR.91

Nicht leicht zu interpretieren. Wenn man alles bedenkt.

Aber eine würdige Nr.91. Ganz klar.