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KNASTLESEN (6)

Vorgelesen aus Unter Brüdern von John Fante. 11 Jungs und ein Mädchen, darunter ein Problemfall, wie ich schon beim Reinkommen durch den Stress unter den Cops  mitbekam. Der Junge war soeben eingefahren und laut eigenen Angaben auf Ecstasy u.a. Ich habe allerdings nicht gewusst, dass er in der Gruppe sein würde und er ist mir auch nicht aufgefallen. Kurz vor Ende wurde er rausgeholt, und ich hatte auch nicht mal bemerkt, dass er eingeschlafen war. Als wir fertig waren, bekam ich am Ausgang mit, dass er ermahnt wurde: wenn er wieder einschlafen würde, dann würde die Gruppe,  wo er jetzt hinmusste, abgebrochen. Ich sagte, einschlafen wäre ja nicht schlimm, es wäre schlimmer, wenn jemand die Gruppe kaputt macht. Kam bei der Chefin natürlich nicht gut an. Manchmal hat sie schon ein Humordefizit – der Jugendarrest wird demnächst geschlossen und in ein Kaff außerhalb verlegt, und ich sagte zu ihr, wenn der Arrest dicht macht, was soll ich denn dann machen in meiner Freizeit? Aber sie kapierte den Witz nicht.

Die beiden Jungs, die mich eine Woche vorher gebeten hatten, aus Unter Brüdern weiter zu lesen, waren jedoch nicht mehr dabei. Also fing ich wieder mit dem grandiosen ersten Kapitel an. Bei der hohen Teilnehmerzahl hatte ich erwartet, dass es chaotisch werden würde, aber denkste. Letztes Mal wurde mehr gelacht, Details kamen besser an, auch der Fante-Witz. Aber einer war jetzt dabei, der besonders auf das Italo-Thema ansprang. Und es stellte sich raus, dass er alle Scorsese-Filme kannte – mit 19! Sogar DeNiros weniger bekannten Film In den Straßen der Bronx, außerdem Heat und Sopranos sowieso, ein echter Mafiafilmspezialist, eine Bildung, die man sich erstmal draufschaffen muss. Wir saßen im Knast und beballerten uns mit Mafiafilmwissen. Ich war überrascht, als er sagte, er würde draußen nie ein Buch lesen.

Am Anfang hatten, was selten vorkommt (und ich frage nie), fast alle erzählt, warum sie da waren. Die meisten BTM, (nur) einer wegen Beleidigung und KV, einer wegen Facebook-Beleidigung, das Mädchen wegen Schwarzfahren. Sie sagte dann nichts mehr, ich konnte sie mit nichts ermuntern, die Frage, ob sie einen von diesen Filmen kennen würde, verneinte sie. Der Junge links neben mir mit den langen Locken saß wegen 0,7g Shit. Er hatte sechs Romane von John Irving in den Knast mitgebracht. Ich erzählte ihm, dass Irving kürzlich in Deutschland war und bei der Beerdigung seines Freundes Günter Grass die Grabrede gehalten habe. Er schaute mich total verblüfft an und meinte, er wäre hingefahren, wenn er draußen gewesen wäre. Mann.

Als im Buch „Redondo Beach“ vorkommt (wo der Erzähler lebt), erwähnte ich zur Verdeutlichung Two and a half Men, wo ja immer wieder der Strand eingeblendet wird. Einer sagte, das sei aber Malibu. Na gut, verdammt. Und der Irving-Fan sagte auf meine Frage, ob sie die Serie denn kennen würden: Nein. – Was? Das gibt´s doch nicht! – Dann lachte er sich kaputt. Er hatte mich verarscht. Das kennt ja wohl jeder!

Mit einem Deutschrussen redete ich vor allem über das Tabu, den eigenen Vater zu schlagen. Klar, sowas geht gar nicht, versteht und kennt jeder. Solche Stellen – auch wie sich die Eltern und Kinder gegenseitig wüst beschimpfen – rufen Kichern hervor, auch großes Erstaunen, dass sowas in einem Buch zur Sprache kommt. Ich erzählte ihnen den üblichen Spruch meiner Mutter: Wer die Eltern haut, dem wächst die Hand zum Grab hinaus! Ich versuchte ihn etwas rauszulocken und sagte, was wäre aber, wenn der Vater den Sohn töten will und der muss in Notwehr sein Leben schützen? Er wich aus, dann müsste jemand dazwischen gehen und das verhindern. Auch weitere aber-wenn-Fragen führten aber nicht weiter.

Jemand erzählte von einem realen Fall, dass eine Frau in sehr hohem Alter ihrem ebenfalls sehr alten Mann gestanden habe, ihn einmal vor Jahrzehnten betrogen zu haben, und daraufhin habe sich der Mann scheiden lassen. Diskussion: absurde Sache; sie hätte es doch nach so langer Zeit nicht sagen müssen … – Ich: Sehr alte oder kurz vor dem Tod stehende Menschen hätten oft das Bedürfnis, solche Sachen zu gestehen. Und erzählte, wie meine Mutter, schon im Sterbebett, mir erstmals erzählte, dass ihr Vater sieben Jahre im Knast gewesen war.

„In ihren Sonntagsanzügen warteten die Sargträger trübsinnig und suchten Schutz vor der Sonne unter einer großen Ulme, an diesem heißen, freudlosen Nachmittag. Es waren Zarlingo, Cavallaro, Antrilli, Mascarini, Benedetti und Rocco Mangone. Sie sahen so schön aus wie alte Steine, die man über ein Stück Hügellandschaft verstreut hatte.“

Wir haben nie genug Zeit, um mehr als ein paar Seiten zu schaffen; kommen, bei Romanen, nie bis zum Schluss. Manchmal fragt mich jemand, warum ich denn nicht jeden Tag kommen könnte.



NIGHT OWL #3

Zwei Stunden mit Smokestack Lightnin´s Michael Kargel: https://www.mixcloud.com/michaelkargel/night-owl-3-692015/

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EIN BULLE IM ZUG (9)

Endlich mal wieder im Zündfunk, endlich mal wieder mit dem geschätzten Roderich Fabian geplaudert. Und dabei einige geradezu intime Geständnisse gemacht … ab 40´50:

http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/zuendfunk-03-09-2015_x-100.html

Rodi erinnerte mich auch daran, wie wir uns vor ca. 25 Jahren kennengelernt hatten, anlässlich einer Lesung in einem Münchner Lokal. Es war so voll, dass man ihn und einen Freund nicht mehr reinlassen wollte. Aber ich stand grade draußen und sagte, dass ich keinen Satz lesen würde, wenn diese beiden Männer nicht reinkamen. Ich habe ganz vergessen, was ich mal für ein harter Bursche war. Hallo?

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IN MIROW

an der Ecke gegenüber dem Mecklenburger Hof endlich mal ein Geschäft mit einem genialen Namen entdeckt:

TATTOOkonsum



IM DIAMOND MOTEL

treffen sich beim at.tension Theaterfestival am 5.&6.9. von links nach rechts Pencil Quincy, Franz Dobler, Digger Barnes. Um zu tun, was sie tun müssen. Sonst nichts.



AUF DEN ECHT IRRE (ODER DAS IRRE?)

gut phantastischen, eigentlich schon so gut wie outer-space-wissenschaftlich die digitale Welt erforschenden und kommentierenden Blog von Peter Glaser hier mal wieder eine Verlockung: „Wie wird man 100 Jahre alt? Man lässt die Lebensmittel weg und isst nur die Konservierungsstoffe.“ (Erschießen Sie nicht den Kabarettisten, bei dem Sie´s dann hören!)

http://www.nzz.ch/meinung/blogs/glaserei/



DIAMOND MOTEL

Drei Vorstellungen beim Theaterfestival at.tension in Lärz am 5./6.9. Hier der Trailer: http://diamondmotel.jimdo.com/video/

Ein Abend zwischen Autoren-Lesung, Kino und Konzert mit Texten von Franz Dobler, Projektionen von Pencil Quincy und Musik von Digger Barnes:
DIAMOND MOTEL (80 min) Regie: Barnes & Quincy. Sounddesign: Hanns Clasen, Lichtdesign: Timo Reichenberger. Eine Barnes & Quincy Produktion 2014. Koproduziert von Schwankhalle Bremen. 

Ein Schriftsteller sitzt in der Provinz fest. Er hat sich in einem Motel eingemietet und wartet ab. Liest, schreibt und sieht aus dem Fenster. Auf schlaflose Nächte folgen verkaterte Tage. Gäste scheint es ansonsten keine zu geben. Der Rezeptionist vertreibt sich die Zeit auf der Gitarre, die Neonreklame blinkt vor sich hin, es regnet und am Horizont braut sich etwas zusammen…



ZU MEINER ERNÄHRUNG

gehört seit dreißig Jahren das Magazin „für Politik & Kultur“ Konkret, natürlich auch, weil es gut geschrieben ist. Herausgeber Hermann L. Gremliza schreibt z.B. im neuen Heft: „Nach den Maßstäben, die deutsche Politiker und Journalisten an Menschen vom Balkan oder aus Afrika anlegen, waren neun von zehn der Opfer an der Mauer >Wirtschaftsflüchtlinge<. Freilich, sie waren Volksgenossen, Deutsche, richtige Menschen, lebenswertes Leben.“

Florian Sendtner ist seit einiger Zeit so eine Art Bayern-Korrespondent und kommentiert aktuell einmal mehr die Chefetage: „Nein, alles easy in Bayern. Seehofer belobigt seinen Integrationsbeauftragten, den Abgeordneten Martin Neumeyer, im Zivilberuf Spargelkönig von Abensberg, der immer sehr geschmerzt dreinschaut, wenn der Führer wieder ein paar Tausend betrunkene Rassisten im Bierzelt anfeuert.“

Man liest Konkret eher nicht, weil es so unterhaltsam wäre, aber die neue Kurzkolumne „Angewandte Filmkritik“ (aktuell Folge 3) von Jürgen Kiontke ist saukomisch (und so kurz, dass hier nichts zitiert werden kann), und ebenso immer ein Brüller die in die Pressebeobachtungskolumne „gremlizas express“ eingebaute, inzwischen bei Folge 37 angelangte Serie „Deutsch für Karasek“ (der vom literarischen Quartett nämlich), die sich an Karasek-Schreibe aufhängt (bzw. umgekehrt).



DAS HOBOS

den Link zu ihrem ersten Album Memphis-Buchloe hatten wir hier noch nicht… während wir auf Vinyl oder was ähnlich handfestes warten… LP… Do-LP… Buch mit LP… Cassette… alles ist willkommen… downloaden einstweilen…

https://soundcloud.com/dashobos/sets/memphis-buchloe



CORE

ist das Magazin der Randomhouse-Abteilung Heyne Hardcore und wie immer mehr als nur ein Werbeblättchen zum Verlagsprogramm. Die neue Ausgabe Nr.8 bringt u.a. das speziell für seine deutschen Leser geschriebene Nachwort von James Lee Burke zu seinem in diesen Tagen erscheinenden Roman Glut und Asche, den Originalbeitrag „Glam oder Aufstieg und Fall des Schminkköfferchens vom Mars“ von Karl Bruckmaier, eine Ergänzung zu seiner großen The Story of Pop, das im November als Taschenbuch erscheint, und ein Interview mit mir, das nicht zufällig den Titel „Donner und Dobler“ hat: im Januar kommt meine Jim Thompson-Übersetzung Fürchte den Donner, im April Ein Bulle im Zug als Taschenbuch.

http://www.randomhouse.de/CORE_das_HEYNE_HARDCORE_MAGAZIN/aid46754.rhd?men=2327&aid=46754

Core 8, Heyne Hardcore Magazin, PDFBild "Philip_Cover_news.jpg"Karl  Bruckmaier - The Story of Pop

James Lee  Burke - Glut und AscheFranz  Dobler - Ein Bulle im ZugJim  Thompson - Fürchte den Donner

„Literatur abseits der ausgetretenen Mainstream-Pfade … Das war die Maxime, als 2005 beim Bier die Idee für Heyne Hardcore geboren wurde“, schreibt Markus Nägele im Editorial, der das Label nicht nur erfunden hat, sondern seitdem lenkt – eines der interessantesten Programme im deutschsprachigen Raum mit inzwischen über 200 Veröffentlichungen. Wir hatten uns lange vorher kennengelernt, als er noch Redakteur des Fanzines Superstar in Frankfurt war, und ich kenne sehr wenige Männer, die im Lauf von so vielen Jahren nichts von ihrer Leidenschaft und Neugier verloren haben. Ein Buch wie Ry Cooders In den Straßen von Los Angeles wäre ohne seine Kooperation mit dem Kleinverlag Edition Tiamat nicht möglich gewesen, und es war nicht die einzige derartige Coproduktion. Im November gehen wir, zusammen mit Philip Bradatsch (Sänger und Gitarrist der Dinosaur Truckers, sein erstes Soloalbum When I´m Cruel neu auf Off Label Records), auf eine kleine Tournee, um die Willie Nelson-Autobiografie zu promoten … Also, ja, ich bin stolz darauf, in der Hardcorecrew aufzulaufen.