CHANGES/NO CHANGES
Von Franz Dobler | 13. Januar 2021 | Kategorie: Allgemein | Kommentare deaktiviert für CHANGES/NO CHANGES(Quelle nicht überprüft via >> Zündfunk-Redakteur Michael Bartle on f-book >> Mario Stanton 8-2019 on f-book)
(Quelle nicht überprüft via >> Zündfunk-Redakteur Michael Bartle on f-book >> Mario Stanton 8-2019 on f-book)
Einer der großen deutschen Autoren verstarb gestern in Wien mit 74 Jahren. Ich bin bis heute sehr stolz darauf, als mir Ludwig Fels nach meinem Johnny-Cash-Buch einen Brief schrieb. Man! A big JC-Fan, und mindestens so amerikanifiziert wie ich. Getroffen haben wir uns nur einmal in Wien (wo er schon lange lebte … es hat ihn nicht im mindesten gestört, dass er im deutschen Literaturbetrieb nicht mehr groß wahrgenommen wurde, so what), korrespondiert immer wieder. Auch als er das Hörspiel „Hello, I´m Glen Sherley“ schrieb, über den glücklosen Sänger und Kriminellen, von dem Cash in San Quentin den Song spielte. 1981 hatte ich erstmals von Ludwig Fels was mitbekommen, als im Magazin S!A!U! die ersten Kapitel von „Ein Unding der Liebe“ abgedruckt waren. Seine späten Romane haben mich alle mitgenommen. In einem meiner neuen Gedichte habe ich ihn gegrüßt …
„… während draußen ein tiefschwarzes und schneenasses Schwarz auf die Erde drückt und der Zug jetzt in Treuchtlingen hält – und ich denke Treuchtlingen, Treuchtlingen, Treuchtlingen? Was sagt mir diese kleine Drecksstadt, die in der Nacht nicht mehr als ein kleiner Bahnhof ist, an dem abgeführt wird, wer ohne Wohnsitz aussteigt – nein, zur Hölle! Das ist also die Stadt Treuchtlingen, die einen der besten Dichter deutscher Sprache ihren Sohn nennen kann, Ludwig Fels! Aber ich weiß nicht, ob ihn dieses Treuchtlingen irgendwann gut behandelt oder ihn allein schon mit diesem Namen verjagt hat – schon lange lebt er nicht mehr dort – ihr verdammten kleinen Städte, sie verjagen dich oder halten dich fest mir ihren ekelhaft feuchten Schlingen, und dieser Zug fährt nicht weiter …“
In meiner Nähe hängt traditionell der Jahresabreißkalender der Stadtsparkasse Dachau. Auf der Rückseite der abgerissenen Blätter sind nicht selten nützliche Informationen oder interessante Meldungen zu lesen. Unter dem Hinweis, dass am 9. Januar die Sonne um 1635 unterging, gab es eine neue Folge in der Rubrik „Wörter unter der Lupe“:
„<Alles in Butter> ist eine Redewendung aus dem Mittelalter. Über die Alpen wurden von Italien nach Deutschland teure Gläser transportiert … Ein Händler hatte da einen Einfall. Er legte die Gläser in Fässer und schüttete heiße Butter darüber“ und so „konnte man die Gläser sicher transportieren … Am Ziel war die erste Frage: Ist noch alles in Butter?“
Ich möchte diesen historischen Schwank ergänzen: Aufgrund der drei Bücher, die ich aus dem Englischen übersetzt habe, kann ich mitteilen, dass das Verb „buttern“, jedenfalls im Amerikanischen, sehr unterschiedliche Tätigkeiten meint. Da gilt es auf den Zusammenhang zu achten. Die Tätigkeit hat nicht zwingend mit dem Nahrungsmittel „Butter“ zu tun, auch wenn man nach Ansicht von Bertoluccis Film Der letzte Tango in Paris anderer Meinung sein könnte.
Hello you proud boys and girls of america
on your way to hell you should listen to this playlist of country music
you should have better listened to before taking the wrong way if you know
what I mean, if in doubt ask your mothers, but good night anyway with
WAYLON JENNINGS
lp are you ready for the country /a+b side
BIG AL DOWNING
lp same title /b
SKEETER DAVIS & NRBQ
lp she sings, they play /b
ANDRE WILLIAMS & THE SADIES
lp red dirt /a
JOHNNY CASH
lp johnny 99 /b
JOHNNY CASH
lp american recordings /a+b
STEVE EARLE
cd my best-of 1986-2011
MERLE HAGGARD
cd if I could only fly
CHARLEY PRIDE
lp 10th album /b
JELLO BIAFRA & MOJO NIXON
lp prairie home invasion /a
STEVE EARLE
cd townes /one
DALE WATSON
cd every song I write is for you
WILLIE NELSON & MERLE HAGGARD
cd django and jimmie
LUCINDA WILLIAMS
2-lp good souls better angels /d
BOB DYLAN
“murder most foul”
für den am 9. Januar 1890 in Berlin geborenen Kurt Tucholsky. Vor und während der Getränkeausgabe abzusingen:
WER WAREN UNSERE AHNEN?
KASCHUBISCHE GERMANEN.
DIE ZEUGTEN ZUR ERFRISCHUNG
UNS PROMENADENMISCHUNG.
Zum Vortrag kommen die Texte und Noten aus dem mitzubringenden „Kurt Tucholsky Chanson Buch“ (Hamburg, 1983).
„Der Nameunserer Schule erinnert uns an den Schriftsteller Kurt Tucholsky, der 1890 im Moabiter Kiez geboren wurde und sich kämpferisch für Menschenrechte und eine bessere Zukunft in Deutschland eingesetzt hat. Zum Thema „Schule in der Gesellschaft“ hat er sich kaum geäußert, jedoch war er der Meinung, „dass Wandlung nicht oben, sondern unten, nicht außen, sondern innen zu beginnen hat.““
Diese Geschichte aus der Hamburger Staatsanwaltschaft könnte einen auf die Idee bringen, dass die Capitol-Angreifer kein politisches Motiv hatten, sondern einfach nur wütend-traurig sind, dass man ihren Papa so schlecht behandelt:
HAMBURG taz, 6.1.2020: „Die Hamburger Staatsanwaltschaft will den Mann, der vor der Synagoge einen Juden attackierte, anklagen. Ein politisches Motiv sieht sie nicht … Stattdessen liege das Tatmotiv in der psychischen Erkrankung des Tatverdächtigen … Er soll – bekleidet in einem Tarnanzug der Bundeswehr – den 26-Jährigen am Eingang der Synagoge im Bezirk Eimsbüttel von hinten mit einem Spaten angegriffen haben …
Auch wenn in den Taschen des Angreifers ein Zettel mit einem aufgemalten Hakenkreuz gefunden wurde, scheide ein politisches Motiv für die Tat aus. Zwar stehe die Tat und das Motiv in Beziehung zum jüdischen Glauben, diese Beziehung aber bestünde in erster Linie in der Krankheit des Tatverdächtigen … „Wir gehen wegen des Gesundheitszustands von der Schuldunfähigkeit des Tatverdächtigen aus“, sagt“ die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
https://taz.de/Anschlag-vor-Synagoge-in-Hamburg/!5738287/
wurde in die „Listen der Vernunft“ aufgenommen, die traditionell am Jahresende von der Tageszeitung junge Welt erstellt und sozusagen medizinisch empfohlen werden. Auf die Zusammenstellung „Belletristik“ von Redakteur Peter Merg können oder könnten sich etwas einbilden:
Stefanie Sargnagel: Dicht. Aufzeichnungen einer Tagediebin (Rowohlt) Anke Stelling: Grundlagenforschung. Erzählungen (Verbrecher) Jürgen Roth: Vielleicht Hunsrück (Haffmans bei Zweitausendeins) Ror Wolf: Alles andre: ungewiß (Schöffling & Co.) Éric Vuillard: Der Krieg der Armen (Matthes & Seitz) Franz Dobler: Ich will doch immer nur kriegen was ich haben will. Gedichte 1991–2020 (Starfruit) Paula Irmschler: Superbusen (Claassen) Hans Georg Traxler: Die grünen Stiefel (Verlag Antje Kunstmann) Michael Scharang: Aufruhr (Suhrkamp) Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder (S. Fischer) jW-Sonderpreis: Christian Geissler: Ein Boot in der Wüste (Verbrecher)
(der sticker klebt übrigens nur digital auf dem cover des buchs, das mit vielen fotos von juliane liebert ausgestattet ist)
„Der Deutsche Wetterdienst hat zwar keinen Sonnenschein angekündigt, die Polizei rechnet aber trotzdem nicht mit einem Abflauen des Besucherandrangs.“
(tagesschau.de, 2.1.2020)
diese ALLE in diesem neuen Vorabendbüchlein ALLE SIND SO ERNST GEWORDEN?
Alle Buchstabensuppenhersteller*innen?
Oder alle Kindergartenopferanwälte, alle Nazis, alle Vollidioten mit Abitur, alle homosexuellen katholischen Priesterkandidaten, alle BDS-Unterstützer, alle Migranten, die Angst haben, nach Afghanistan abgeschoben und dort gekillt zu werden? Oder alle anderen und sogar alle vom Rest? Oder doch nur alle Talkshowgäste, die sich zu Tode gelangweilt haben?
Ich weiß es nicht. Und werde es wohl nicht rausfinden. Außer ich muss. Aber lieber nicht. Obwohl es langsam echt wahnsinnig ernst wird.