WIE FALLOBST DER MENSCH
Von Franz Dobler | 11. Januar 2022 | Kategorie: Literatur | Kommentare deaktiviert für WIE FALLOBST DER MENSCHHeute vor einem Jahr 11.1.2021 starb der Schriftsteller Ludwig Fels mit 74 in Wien, wo der gebürtige Treuchtlinger seit 1983 gelebt hatte:
„Ich bin mir selbst ein deutsches Problem, ich schreibe nicht mehr gern in diesem Land. Und während ich dies denke, laut wie einen Eid, leeren ausländische Arbeitnehmergäste eine Fuhre Müll vor der Stadtverwaltung aus, plündern einen Gemüsestand, kapern einen Reisebus. Sie winken nicht zurück. Hey, schrei ich ihnen nach, wartet! Ich mag doch auch weiße Steine und ein bißchen mehr Wasser um mich herum. Nehmt mich mit, meinetwegen wie eine Abfalltonne, aber laßt mich nicht hier!“
Strange enough – ich war heute mal wieder auf der anderen Seite vom Fluss in der Hütte, in der es jetzt zu kalt ist, um sich dort aufzuhalten, und dort liegen ein paar Bücher herum, ganz Unterschiedliches zwischen Jesus-dein-Stern und Steinbeck, irgendwie dort gelandet oder vergessen, und manchmal schlag ich was auf, heute eine Sammlung, deutsche AutorInnen über ihr Land, und aahjaa der Ludwig Fels ist auch dabei, und ich denke in dem Moment, ist er nicht im Winter vor einem Jahr gestorben, muss mal nachsehen, vielleicht im Januar, vielleicht sogar heute?
Das Zitat ist der Anfang seines Beitrags mit dem Titel <Und hier ist das Märchen zu Ende> (ein Zitat von Alexej Tolstoi), in „Deutschland, Deutschland – 47 Schriftsteller aus der BRD und der DDR schreiben über ihr Land“ (1979), und sein Beitrag endet so: „Die Genossin Utopie ist nicht unterwegs, macht keinen Striptease in den Kantinen. Die Kälte steht uns bis zum Hals. Die Tiere lachen nicht mehr. Die Zeit ist reif, wie Fallobst der Mensch. Es gibt keine Märchen mehr.“ – strange enough.
DRECKSACK 1/22
Von Franz Dobler | 28. Dezember 2021 | Kategorie: Literatur | Kommentare deaktiviert für DRECKSACK 1/22Freut mich sehr, in der neusten Ausgabe des DreckSack wieder dabei zu sein. Herausgeber Florian Günther hatte freie Auswahl und nahm aus meinem letzten Gedichtband bei Starfruit Publications fünf Stück. Die Welt hatte mal ein besonderes Urteil für das Magazin übrig, das seit über zehn Jahren fast fünfzig Nummern ausgeliefiert hat: „Eine Literaturzeitschrift, für die auch Häftlinge schreiben.“ Während viele Literaturdoktoren über den komischen Untertitel nachdenken: „Lesbare Zeitschrift für Literatur“.
https://www.edition-luekk-noesens.de/drecksack/aktuelle-ausgabe/
uvm
WIGLAF DROSTE FILMPORTRAIT
Von Franz Dobler | 24. Dezember 2021 | Kategorie: Literatur | Kommentare deaktiviert für WIGLAF DROSTE FILMPORTRAITChristoph Rüter hat sein 23′-Filmportrait über Wiglaf Droste online gestellt. Uraufgeführt am 20.9.2019 in der Berliner Volksbühne, als der im Mai Verstorbene Autor und Sänger mit einer großen Gala geehrt wurde.
https://www.youtube.com/watch?v=iEFGrzOvNYQ&t=693s
Außerdem neu: „Literatur in Westfalen – Beiträge zur Forschung 18“ mit einem 100 Seiten starken Wiglaf Droste-Sonderteil mit Texten von ihm, Nachrufen, Interviews u.a. mit meinem Erlebnisaufsatz „Wege zum Ruhm“:
https://www.aisthesis.de/epages/63645342.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/63645342/Products/978-3-8498-1793-0
STARFRUIT STRIKES AGAIN
Von Franz Dobler | 19. Dezember 2021 | Kategorie: Literatur | Kommentare deaktiviert für STARFRUIT STRIKES AGAINKrieg und Paradies – Herausgeber: Yasmin Green und Ann Cotten in Zusammenarbeit mit dem Institut für moderne Kunst Nürnberg – Gestaltung: Timo Reger 192 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen Hardcover; 14 x 21 cm 25,– Euro
„2019 veröffentlichte Adam Green mit seinen Freunden und Kollegen Toby Goodshank und Tom Bayne die Graphic Novel War and Paradise, eine auf verschiedenen Ebenen spielende Bildergeschichte, die sowohl bekannte Figuren und Topoi des Comics aufgreift und in neue Zusammenhänge stellt als auch die »Vivian Girls«-Gouachen eines Henry Darger zitiert oder die Untiefen des Internets reflektiert.
Gleichzeitig ist Krieg und Paradies eine bitterböse Dystopie, eine psychedelische Soap-Opera und eine scharfe Abrechnung mit der politischen, gesellschaftlichen und moralischen Entwicklung der USA unter einem Tyrannen namens »Blumper« – Adam Greens Auseinandersetzung mit dem 45. Präsidenten der Amerikanischen Staaten, Donald Trump, und anderen Beispielen narzisstischen Größenwahns.
Die Schriftstellerin und Übersetzerin Ann Cotten hat die Graphic Novel von Adam Green erstmals ins Deutsche übertragen. In einem Gespräch zwischen Ann Cotten, Adam Green, Toby Goodshank und Tom Bayne werden nicht nur die Entstehungsgeschichte von Krieg und Paradies, sondern auch Phänomene wie Fleischtornados, fliegende Dick-Tits und jüdische Jedi-Ritter beleuchtet.“
https://www.starfruit-publications.de/buecher33
RABENLIEBE IM FILM
Von Franz Dobler | 30. November 2021 | Kategorie: Literatur | Kommentare deaktiviert für RABENLIEBE IM FILMPeter Wawerzinek hat seinen hammerharten autobiografischen Roman „Rabenliebe“ – (die von mir noch nie verwendete Beschreibung hammerhart für einen Roman ist treffend) – zum Film „Lievalleen“ umgeschrieben und verfilmt: „Der Schriftsteller Peter Wawerzinek (geboren 1954) wird als Kleinkind gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester Beate von den Eltern in der Wohnung in Rostock zurückgelassen. Die Eltern sind in den Westen geflohen und erklären die Kinder für tot. Peter und Beate werden erst Tage später in der verwahrlosten Wohnung entdeckt und gerettet. Doch diese Rettung ist zugleich der der Beginn einer leidvollen Kindheit: Peter kommt in die Obhut zweier Kinderheime, mit elf Jahren wird er adoptiert. Seine Schwester Beate wird als nicht entwicklungsfähig eingeschätzt und in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht.“ (NDR) Mit Musik von Herbst in Peking! Mehr Vorschusslorbeeren kann ein deutscher Fernsehfilm nicht ranschaffen. Live optimal passend: 1.12. 00:00h
https://www.ndr.de/fernsehen/programm/epg/Lievalleen,sendung1205270.html?fbclid=IwAR0ep6OhBb_TAaXRLEjWVd2U185mRsyISnTNSO5AKNvwM1WDQnrYhQEkyYw
GUTES IN DORTMUND
Von Franz Dobler | 5. November 2021 | Kategorie: Literatur | Kommentare deaktiviert für GUTES IN DORTMUND9.11. 20h: „Das LesArt Literaturfestival ist wieder zur Gast im domicil!
Ein Abend für Wiglaf Droste.
Mit: Fritz Eckenga, Danny Dziuk, Klaus Bittermann, Hartmut El Kurdi, Ralf Sotscheck und Rayk Wieland.
Höchste Präzision in sprachlich stilistischer Brillanz und Tiefenschärfe zeichneten sein Schreiben aus. Die Süddeutsche adelte ihn zum ‚Tucholsky unserer Tage‘, auch weil er in seinen Texten nicht zwischen Journalismus und Literatur unterschied: Wiglaf Droste, der seit Mai 2019 schmerzlich vermisste Feinsinns-Poet, der scharfsinnige Meister pointierter Zuspitzung und zugleich der Berserker der Polemik dort, wo ihm etwas nicht gefiel.“
EINE COURAGIERTE KRITIK
Von Franz Dobler | 2. November 2021 | Kategorie: Literatur | Kommentare deaktiviert für EINE COURAGIERTE KRITIKliegt vor, wenn jemand mit klarem Blick das eigene oder nähere Umfeld analysiert und keinen Bonus gewährt: Doris Akraps taz-Kommentar zu den Ereignissen btr. Frankfurter Buchmesse 2021 ist eine selten couragierte Kritik gegen diesen letztlich blinden Aktionismus (den sie „Schnappatmungsaktivismus“ nennt), der nur schnelle Zustimmung aus den eigenen Reihen erreichen will:
Auszug: „Der Boykottaufruf in diesem Jahr wegen der Anwesenheit rechter Verlage traf übrigens mangels Rechter – es gab nur einen Stand, den die Polizei dorthin platziert hatte, wo sie ihn am besten überwachen konnte – übrigens vor allem genau jene Verlage, die die Bücher der größten Empörungsaktivisten veröffentlichen. Aber ach, das bisschen Widerspruch wird einfach überbrüllt: Ihr habt keine Empathie. Ihr interessiert euch nur für Weißwein (…) Die Nazis hingegen haben die Provonummer auf der Messe offenbar ausgespielt und sich längst auf einen anderen, ihnen viel mehr Aufmerksamkeit bringenden Weg gemacht – an die polnische Grenze. Um den dort strandenden Flüchtlingen ohne Buchvertrag, ohne Kolumnenplatz und ohne Talkshowprominenz zu sagen: Ihr seid hier nicht willkommen. Klar, es ist nicht ausgeschlossen, dass Schwarze auf der Buchmesse genauso wie überall anders im Land von Rassisten angepöbelt, bedroht oder gar tätlich angegriffen werden. Aber würden in einer deutschen Stadt so viel sicht- und unsichtbare private wie staatliche Sicherheitsdienste wie auf den Frankfurter Messegängen patrouillieren, würde man mit Recht von Überwachungsstaat sprechen.
Nun aber haftet ihr [der Buchmesse] dank des Schnappatmungsaktivismus das Bild an, dass ihre Stände und Bühnen bloß noch Tarnung seien, hinter denen Nazis ihren Provokationen und Mordfantasien an Schwarzen ungehindert nachgehen können. Wo aber bleibt eigentlich die Empathie der Schnappatmungsaktivisten mit all den Journalisten und Schriftstellerinnen wie Can Dündar oder Aslı Erdoğan, die von einem ganzen Regime verfolgt werden und für die ein Auftritt auf der Buchmesse eine Gelegenheit ist, überhaupt öffentlich zu sprechen? Alle diese Autoren und Autorinnen waren durch den gratismutigen Boykottaufruf dazu genötigt, ihre Anwesenheit auf der Frankfurter Buchmesse zu rechtfertigen. Für solche Feinheiten aber reicht die Empathie des Empörungsaktivismus nicht. Man müsste dazu halt kurz mal den Blick vom eigenen Bauchnabel abwenden (…)“
https://taz.de/Debatte-um-die-Frankfurter-Buchmesse/!5808581/
THOMAS BRASCH
Von Franz Dobler | 1. November 2021 | Kategorie: Literatur | Kommentare deaktiviert für THOMAS BRASCH„Am 3. November 2001 verstarb mit 56 Jahren der Dichter Thomas Brasch. Zuerst widersetzte er sich der staatstragenden Vätergeneration in der DDR und dann, im anderen Teil Deutschlands, jeder Form von Autorität. „Künstler oder Krimineller“, das war seine Devise.“
Der großartige Dokumentarfilm von Christoph Rüter (2011, 93′), der mit Brasch befreundet war und ihn oft mit der Kamera begleitete:
https://www.arte.tv/de/videos/099737-000-A/brasch-das-wuenschen-und-das-fuerchten/
„Und doch, was weiß man über ein Leben, wenn man bloß seine Stationen kennt? Nicht viel, weiß Christoph Rüter, dessen eindringliches Porträt „BRASCH – Das Wünschen und das Fürchten“ nun ins Kino kommt. „Der Konflikt war sein Leben, der Schmerz sein Auge, die Wunde der Kontakt zur Außenwelt“, sagt Rüter. Und alldem – der ungemilderten Existenzform Brasch also – setzt der Film uns aus. Nichts von den üblichen Vergangenheitsvergewisserungen, schon gar keine Gespräche mit Zeitzeugen. Hier redet nur einer, sagt Rüter, und das ist Brasch selbst.“ (Der Tagesspiegel, Kerstin Decker)
LYRIK ISST SCHWÜRICK
Von Franz Dobler | 26. Oktober 2021 | Kategorie: Literatur | Kommentare deaktiviert für LYRIK ISST SCHWÜRICKund Kollege Jan Kuhlbrodt hat jetzt fast alles dazu gesagt: „die lyrikszene ist so politisch wie streuselkuchen. man spricht ständig von der marginalisierung der lyrik und heult sich gegenseitig ins taschentuch, aber zu den geschehnissen auf der buchmesse (rechte verlage, absagen und dergleichen) vernimmt man aus dieser ecke kein wort. (das ist etwas pauschal, aber es stößt mir schon auf)“ (fbook 26.10.) – Titelzeile ist ein Zitat von Wiglaf Droste.