Literatur

WELT DER KLÄNGE

18.11.2016 00:05 Uhr Ursendung: Mein Herz ist leer. Von Werner Fritsch

Taneda Santōka schrieb über die kurze japanische Versform.  (picture alliance / Rainer Jensen)

Ein guter Haikumacher ist ein „Dichter des Gehörs“, er lebt „in der Welt der Klänge“. Das schrieb der Wanderdichter Taneda Santōka (1882-1940) über sein Metier, die kurze japanische Versform. Seine modernen Haiku erzählen vom Brüllen der Brandung, vom harschen Klang des Brettspiels, vom Stimmengewirr in der Gaststube, der Stille der Berge. Der Autor und Hörspielmacher Werner Fritsch dichtete Santōkas Haiku nach und ordnete sie zu einem Zyklus. Gemeinsam mit der Komponistin Miki Yui verzahnt er den Klang der Rezitation mit den inneren Hörbildern der Verse.
Regie: Werner Fritsch. Produktion: Deutschlandradio Kultur/RB 2016. Länge: 51’47



HOTEL JASMIN

ist der Titel des großartigen neuen Romans meiner Verlagskollegin Jasmin Ramadan, die seit „Soul Kitchen“ ein gutes Buch nach dem andern geschrieben hat. An der Fassade von „Hotel Jasmin“ hat sie etwas seltenes gemacht: auf der Rückseite neben einer Inhaltsangabe ein Statement: „Mit meinem Nachnamen gelte ich nie als so richtig deutsche Schriftstellerin, obwohl ich kein arabisch spreche und keine Ahnung vom Islam habe.“ Für diesen ZDF-Beitrag hat sie ein Interview gegeben und ihr Familienalbum geöffnet:

https://www.zdf.de/verbraucher/volle-kanne/alltagsrassismus-jasmin-ramadan-100.html



SATELLITEN

Neues Buch von Lydia Daher bei Maro, die Show in München:



UND DIESE HILFE GIBT ES

zu diesem Tag, dem 100. Geburtstag von Peter Weiss, mit einem Vortrag von Christian Geissler von 1990: https://www.jungewelt.de/2016/11-08/002.php

Mit dieser Ergänzung: die ästethik des widerstands. audiobook. r: karl bruckmaier.



PURER ZUFALL

„Ein erstaunlicher Effekt ist es immer wieder, wie sich Münchens Selbstbild in Kriminalromanen auflöst. Kein strahlender weiß-blauer Himmel, kein Glamour, kein saturiertes Bürgeridyll. Jedenfalls nicht bei Friedrich Ani oder Max Bronski. Auch nicht bei Franz Dobler.“ Peter Körte, F.A.Z.

Der Pygmäe von Obergiesing Der namenlose Tag Buchdeckel „978-3-608-50216-9Bildergebnis für trio infernal dvd

 



AUF EIN WORT, VG WORT

Wir zitieren in voller Länge die „Erklärung der Kurt Wolff Stiftung zur Lage nach dem VG Wort-Urteil und vor Beginn der Rückzahlungen“:

„Die VG Wort und die unabhängigen Verlage in der Krise

Gerade hat die Verwertungsgesellschaft Wort Rückzahlungsforderungen an die Verlage verschickt.
Diese gründen in der diesjährigen richterlichen Aufhebung des vor vielen Jahrzehnten in der VG Wort einstimmig getroffenen Beschlusses, die Geldsummen, die für die physischen und digitalen Kopien urheberrechtlich geschützer Werke von den Verwertungsgesellschaften eingezogen werden, zwischen den Autorinnen und Autoren und den Verlagen aufzuteilen.
Dieses Urteil verkennt, dass zwar die Autorinnen und Autoren ihr Werk geschaffen haben, doch auch der Verlag zumeist einen hohen Anteil daran hat, dass das Werk gelungen ist und verbreitet wird – und somit überhaupt kopiert werden kann.
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Verlage allerdings ihre Leistung im Lektorat, im Vertrieb und bei der Promotion der Bücher leider oft dezent beschwiegen.
Zudem, das soll nicht geleugnet werden, gibt es, wie in jeder Branche, in unserem Metier einige schwarze Schafe, deren zusätzliche Leistungen für das zu verkaufende Werk nicht messbar sind und die die Autorinnen und Autoren schlicht ausbeuten.
Diese beiden Umstände erlauben es, in interessierten Kreisen das Gerücht zu streuen, Verlage seien insgesamt überflüssig. Die interessierten Kreise schafften es, die Autorinnen und Autoren und die Verlage auseinanderzudividieren, die einen als naive Opfer, die anderen als durchtriebene Täter hinzustellen.
Für die von der Kurt Wolff Stiftung vertretenen Verlage können wir ohne Zögern sagen, dass dies nicht stimmt. Vielmehr versuchen diese Verlage fair zu den Autorinnen und Autoren zu sein, ebenso, wie sie fair auf den Buchhandel zugehen und im Umgang mit anderen Verlagen große Kollegialität zeigen.
Sie sind Enthusiasten, die, wenn sie ein wenig Geld übrig haben, dieses lieber in ein Projekt investieren, als es auf die hohe Kante zu legen. Ökonomen mögen dieses Verhalten belächeln. Der Vielfalt der Kultur hat es dagegen keinesfalls geschadet.
Nicht umsonst erscheint heute die Mehrzahl der ausgezeichneten Lyrikbände in unabhängigen Verlagen. Auch wichtige Werkausgaben werden inzwischen vor allem von unabhängigen Verlagen herausgebracht. Und in diesem Jahr gingen alle Preise der Leipziger Buchmesse sowie der Deutsche Buchpreis nicht umsonst ausschließlich an Bücher, die in Verlagen erschienen sind, die dem Freundeskreis der Kurt Wolff Stiftung angehören.
Doch der Enthusiasmus für das gute Sachbuch und für die Literatur hat seine Kehrseite.
Die Rückzahlungsforderungen, die nun anstehen, lassen bereits die größten deutschen Verlagsgruppen schwitzen. Sie werden einige unserer unabhängigen Kolleginnen und Kollegen jedoch derart treffen, dass sie wahrscheinlich in die Insolvenz gehen müssen.
Die Rückzahlungsforderungen sind rechtens, das bestreiten wir nicht. Und die Rückzahlungen werden nun fällig. Das ist so.
Doch bislang gab es einige Hilfeversprechen vonseiten der Politik, konkrete Maßnahmen sind allerdings nicht erfolgt. Stundungsmöglichkeiten, die die Leitung der VG Wort vorgeschlagen hat, wurden abgelehnt. Es gibt nun verlagsseitig Ideen wie jene, das Leistungsschutzrecht für Verlage einzuführen, dieses jedoch würde nach unserer Meinung erst recht eine Spaltung zwischen Autorinnen und Autoren und Verlagen herbeiführen. Das ist nicht in unserem Sinne.
Angesichts dessen aber, dass wahrscheinlich alle Verlage nun weniger Bücher produzieren werden, angesichts dessen, dass einigen Verlagen der Konkurs droht, angesichts dessen, dass Buchprojekte nun nicht realisiert oder fortgeführt werden, angesichts all dessen kann man von einer sehr ernsthaften Krise sprechen. Von einer Krise der Verlage und einer Krise der Literatur.
Diese geht uns alle an – die Verlage, die Autorinnen und Autoren, die Übersetzerinnen und Übersetzer ebenso wie den Buchhandel und den Kulturjournalismus und nicht zuletzt die Leserinnen und Leser. Ein Rückbau der kulturellen Vielfalt kann in niemandes Interesse sein.
Wir fordern daher umgehende Maßnahmen zum Schutz der unabhängigen Verlage vonseiten der Politik.
Wir bitten die Autorinnen und Autoren und die Übersetzerinnen und Übersetzer um Unterstützung: Die Wichtigkeit der Verlagsarbeit sollte, wenn Sie Ihnen etwas wert ist, auch von Ihnen betont werden. Wir sitzen im gleichen Boot.
Und wir bitten die Leserinnen und Leser: Unterstützen Sie uns, unterstützen Sie die Autorinnen und Autoren, indem Sie Bücher von unabhängigen Verlagen kaufen – und lesen. Denn erst das gelesene Buch macht die Arbeit der Urheberinnen und Urheber und der Verlage sinnvoll!“

Britta Jürgs Leif Greinus Jörg Sundermeier (Vorstand der Kurt Wolff Stiftung)

Leipzig, 31.10.2016



ELFRIEDE JELINEK

im A-Z vom freitag – großartig wie immer. Also sie und es.

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/elfriede-jelinek



WÄRE NETT

Friedrich Ani im Interview mit Crimemag. Nur eine Antwort wird hier verraten: „17. Was soll auf Ihrem Grabstein stehen? – Mein Name wäre nett.“

http://culturmag.de/crimemag/bloody-questions-the-crime-questionnaire-19/95869



WENN NICHTS MEHR

voranzugehen, sondern zuviel zurückzuschlagen scheint, braucht es Stoff, mit dem es weitergeht. Jasmin Ramadan: Hotel Jasmin, Roman, Tropen. Gerhard Henschel: Harry Piel sitzt am Nil (über Schmähkritik und Unflätigkeit im öffentlichen Raum), Edition Tiamat. Hermann L. Gremliza: Haupt- und Nebensätze, edition suhrkamp. Jürgen Ploog: Radar Orient, Stories (Neuausgabe) mit CD, Verlag Moloko Print.

Buchdeckel „978-3-608-50142-1  Image 



DYLAN (16)

Einige meiner Freunde sind große Dylanologen, hier der größte, Friedrich Ani in der tz: „Die Entscheidung ist einzigartig, bravourös und cool. Bob Dylan ist ein Jahrhundertdichter. Ich höre, lese und verehre sein Werk seit frühester Jugend – und ich weiß nicht, ob ich als Schriftsteller ohne seinen Begleitschutz über die Runden gekommen wäre.“ Also auch dafür Dank an Dylan. +++ Und Wiglaf Droste in junge Welt: „Völlig zu Recht, wenn auch arg verspätet, wurde dem größten Musiker und Textdichter seit Johann Sebastian Bach der Literaturnobelpreis zugesprochen. Das war überfällig, und quasi als Kollateralglück wurde der Preis damit entgrasst; man darf ihn also wieder annehmen.“ +++ Andererseits die renommierte deutsche Literaturkritikerin Sigrid Löffler laut orf.at: >Dylan sei zweifellos ein genialer Folk- und Rockmusiker und habe der Rockmusik eine neue sprachliche Komplexität gegeben, „aber bitte, das ist alles 50 Jahre her“, sagte Löffler. Er habe rätselhafte, dunkle und sehr komplexe, symbolistische Texte geschrieben, diese seien aber keine eigenständige Lyrik, denn sie funktionierten nur gesungen.< Was für eine Unkenntnis seit 50 Jahren, was für ein beschränktes Verständnis von Lyrik, das schon lange von gestern ist, unfassbar. +++ Jeder Preisträger ist umstritten (man erinnere sich nur zb an die so irren wie bösartigen Kommentare, die Elfriede Jelinek hinnehmen musste), jeder Preis ist fragwürdig, das weiß jeder, außer die Literaturbetriebsnudeln, die in den Jurys sitzen und glauben, wir sollten ihnen den Arsch küssen. +++ Fehlt nur noch: ich erinnere mich an einen Bericht des Dylanologen und Soziologen Günter Amendt in konkret, wie er einmal kurz auf Martin Walser traf, der ihn fragte, warum er sich denn so sehr (sinngemäß) mit diesem herumzigeunernden Juden Dylan beschäftige; wofür Walser heute erheblich mehr von dem Beifall bekommen würde, den er so stark gefördert hat. +++ Schöner Abschluss: „Bob Dylan bleibt stur. Bei einem Konzert in Las Vegas ging der 75jährige Musiker am Donnerstag abend mit keinem Wort auf seinen Literaturnobelpreis ein. Er ignorierte die Schreie aus dem Publikum, das ihn mit Ovationen und »Nobelpreisträger«-Rufen feierte. Seinen Auftritt beendete er bezeichnenderweise mit einem Song, den Frank Sinatra einst sang: »Why Try to Change Me Now«. (dpa/jW)