Unterhaltung

SPITZENSATZ (3)

klingt erstmal ganz harmlos: „Ihren grundverschiedenen Texten verliehen die Literaten Laut.“ Zeigt aber, dass man um das Pressetextwesen keine Angst haben muss. Bei dem Mut zur gewagten Unterhaltung. Wäre schlimm, wenn solche Leute nicht wählen dürften, das muss eine Demokratie aushalten.



SPITZENSATZ II

Die jeweils neueste Ausgabe von Konkret ist wie immer eine 1a-Quelle für unpackbare, unschlagbare Sätze. Speziell die kommentierte Zitatsammlung „Gremlizas Express“ ist allein schon den Kauf des Magazins wert. Hier ein poetischer Diamant des Zeit-Herausgebers Giovanni di Lorenzo, den Konkret-Herausgeber Gremliza aus der Frankfurter Allgemeinen gefischt hat:

„Wenige Stunden vor dem Tod des Papstes, berichtet Lorenzo, habe er die Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale aufgesucht und dabei eine paradox anmutende Erfahrung gemacht: ‚Nicht wir waren ihm, dem Papst, im Sterben nahe, sondern der Papst war sterbend bei uns‘.“

Und in der Konkret-Rubrik „Herrschaftszeiten“ darf er natürlich (oder schon naturgemäß) nicht fehlen, unser fast schon Lieblingsadeliger, der große Filmschaffende Henckel von Donnersmarck, der, egal wo und wann, immer die ganz großen, im Sinne Deutschlands auch besonders aussagekräftigen Sätze herausproduziert, in einem Ausmaß, dass man schon fast den Hut ziehen muss, dass er nebenbei auch noch Filmewerke hinkriegen kann. Hier  ein auf der Berlinale 2009 vom Stapel gelassenes Flackschiff:

„Hätte Deutschland den Ersten Weltkrieg gewonnen, wären Sebastian Koch und Ulrich Tukur genauso große Stars wie George Clooney und Johnny Depp.“ – Moment, es gibt tatsächlich noch einen drauf: „Das hat mit politischen Zufälligkeiten zu tun.“

Melancholische Stimmung vor dem Jahreswechsel: Ich glaube, die Speerspitze des deutschen Adels wird selbst dann noch Europa regieren, wenn sogar Éinzeller nicht mehr überleben können.



Spitzensatz

Es müsste eine Kulturbehörde geben – geleitet von Steffi zu Guttenberg, wenn’s sein muss, mit dem „Journalisten“ Günter Jauch im Beratungsgremium, drunter wird’s kaum gehn – die einem einen Finderlohn zahlt, wenn man im Netz Spitzensätze findet und weitergibt, und hierfür den Höchstsatz:

„Er sieht aus wie 74, macht auf 30, ist aber 45 und seit 3 Jahren in Pension, und ich folge ihm in Gedanken in seine Schweinsbraten durchfurzte Wohnung, wo er zusammen mit Hundi lebt, den er als einzigen auf der Welt lieb hat, weil der ihn nie betrügt und immer so dankbar schaut, wenn er ihm eine neue Dose gegrillten Neger aufmacht.“ (Andreas Niedermann)

Den großartigen Block meines Freundkollegen Andreas Niedermann muss man lesen (Verbindung s. rechte Spalte). Und sein neues Buch, den kurzen Roman „Die Katzen von Kapsali“. Den man bei seinem beachtenswerten Songdog Verlag bestellen kann („unbedingt“, wie Friedrich Ani zu sagen pflegt). Ein Buch über Arbeiten, Jobs, Ein- und Ausstellung.

„Ich entstamme einem Milieu, in dem Arbeiten gleichgesetzt war mit Leben. Ich fing auch schon sehr früh damit an und hatte meinen ersten, regelmäßigen Job mit 10“, sagt der Autor in einem kurzen Interview im Anhang, und: „beinahe alle Schriftsteller in der Schweiz waren Lehrer. Bis auf einige, großartige Ausnahmen. Man bezog ein gutes Lehrergehalt und erledigte das Bücherschreiben in den Ferien. Für mich war und ist Schriftstellersein eher eine Art zu leben…“

Zugabe aus dem Buch: „Die ganze Nacht über Vibration und Gebrumm. Ich versuchte etwas Schlaf zu finden. In einem Pullman-Sessel. Inmitten all der Deutschen, die gleich eine Art Camp errichtet hatten. Mit Schlafsäcken, Decken, Rucksäcken, Kulturbeuteln und Plastikflaschen. Die paar Griechen, die es hier ebenfalls gab, hatten sich in die Sessel gefläzt und losgeschnarcht. Das können die. Ich dagegen kriegte kaum ein Auge zu.“



LOVE PARADE

Die aktuellen Pläne für die Love Parade 2011 in Frankfurt auf  Titanic-magazin.de, Startseite unten, ein Video-Breaking News-Bericht von Oliver Maria Schmitt.



CATWALK SMALLTALK III

„Rotwein-Cola-Mixgetränk fertig in Flaschen?!“

„In Hamburg. Hat Ahne erzählt. War in Hamburg.“

„Und am Etikett steht Kalte Muschi?!“

„Weiß nicht genau. War betrunken. Wahrscheinlich sagen die das nur so.“

„Du kannst ne Halbe Kalte Muschi bestellen?!“

„Pass auf, is rot.“

„Isses doch immer.“



CATWALK SMALLTALK II

„Er ist gegangen. Der Koch.“

„Aber nicht richtig. Er geht immer noch. Der Koch geht in die Küche und holt sich einen Brei.“

„Jetzt ist er auch gegangen, der Onkel Roland. War die Sprache meiner Mutter. Hat sogar Ausländern die Hand gegeben, ach ja.“

„Also ist er nicht gegangen.“

„Nein. Nur von a nach b. Also weiter auf den Sack.“

„Ein Sack geht, ein Sack kommt.“

„Kommst du noch mit?“

„Wenn´s geht.“



CATWALK SMALLTALK

„Ging schon gut los heute.“

„Weil?“

„Du gehst Jahre durch die Gegend, und plötzlich, aha, ‚One Scotch, One Bourbon, One Beer‘ ist ja von Amos Milburn.“

„Passiert eben.“

„Phhhh!“

„Ist doch eh nicht von ihm, behaupte ich mal.“

„Du wieder.“

„Du hast da ´n Loch im Strumpf.“

„Was? Wo!“

„Da, ganz oben.“

„Das auch noch.“



MISTER & MISSIS.SIPPI AM TV

sollte niemand mit entsprechendem Interesse verpassen. Vom 3.-5.4. jeweils 20.15 auf 3sat. Mein Artikel dazu in der jungen Welt vom 3.4.:

AUF DEM MISSISSIPPI NACH MARK TWAIN Volker Strübings Abenteuer als TV-Serie und Buch.

Am 21. April jährt sich der Todestag von Mark Twain zum 100. Mal. So kam die Berliner Filmproduktion MonstaMovies auf die schöne Idee, die Mississippi-Floßfahrt von Huckleberry Finn und seinem Freund Jim neu zu inszenieren. Den 3-Teiler, der vom 3.-5. April um 20.15 Uhr auf 3sat läuft, sollte man nicht verpassen.

Für alle TV-Hasser hat Drehbuchautor Volker Strübing, zudem Co-Regisseur und Hauptdarsteller des potentiellen Straßenfegers, auch das Buch „Mister&Missis.Sippi“ bereitgestellt; nur dort bekennt der Berliner Autor, abenteuer-erprobt durch viele Einsätze bei Lesebühnen und eine Antarktis-Expedition („Nicht der Süden“), was alle Couch-Kartoffeln unter den Autoren beruhigen wird: das Buch war der härtere Job.

Aber wenn man wenige Sekunden nach Beginn des ersten Teils das Floß sieht, das von der Quapaw-Canoe-Company für die 2000 Kilometer lange Fahrt von St. Louis bis New Orleans gebaut wurde, werden sich viele genau wie ich denken: Jesus, ohne mich! Lieber schreibe ich für Bild! Minuten später verüben Naturgewalten den ersten Überfall auf Floß- und Filmcrew, und man glaubt´s, wenn ZDF-Morgenmagazin-Moderatorin Patricia Schäfer, die mit Strübing durch den Film führt, sagt: „Eine Reise auf dem Mississippi ist eben keine Butterfahrt.“ Auf die Frage, warum auf dem Strom außer riesigen Transportern keine Spuren von Menschen zu sehen sind, hat Kapitän und Floßbauer John Ruskey eine einfache Antwort: „Die Leute haben Angst.“

So schippern sie runter, geplagt von Sonne und Moskitos, beseelt von Naturschauspielen, Lagerfeuerabenden und Abstechern an Land. Wo man die Qualitäten der Serie schnell erkennt: die Balance zwischen Geschichte und Gegenwart, Twain-Echo und den angenehm durch die Gegend laufenden, kommentierenden, interviewenden Schäfer&Strübing. Man hat genug Zeit für Gesprächspartner, liefert nicht die bekannten Bilder: in New Orleans gibt’s keinen Jazz, aber das Portrait einer Drag Queen. Und ausführliche Informationen darüber, wie der Hurrikan Katrina genutzt wurde für den Versuch, Sozialprojekte und missliebige, also arme Bewohner buchstäblich aus dem Stadtbild zu entfernen. Patricia Schäfer wird in Memphis zwar in einem 1955-er Cadillac herumchauffiert, aber nicht nach Graceland, während man sich fragt, warum Strübing eine Kurzausbildung bei der Müllabfuhr bekommt, ehe man erfährt, dass Martin Luther King sich vor seiner Ermordung mit streikenden Müllarbeitern solidarisch erklärte, während die blonde Patricia bei der Burlesque-Truppe Memphis Belles gestylt wird, nachdem sie den Ausführungen eines afroamerikanischen Richters über Rassismus damals und heute zugehört hat.

Das ehemals blühende Städtchen Cairo ist heute abgewrackt, aber plötzlich sieht es so aus, dass man nirgendwo anders sein möchte. Wegen der Leute vor allem. Eine Polizistin gibt ein offensichtlich nicht eingeplantes, langes, großartiges Interview. Auch das ist eine Qualität des Films, dass er nicht nur vielen Bildern unkommentierten Raum gibt, sondern allen Leuten genug Zeit, um sich auszudrücken; eine Lektion über diese einfachen Leute, die kluge Sachen sagen. Sogar der allzu typische, biedere Waffenhändler („guns don´t kill people, people kill people“) verleitet Strübing zu einem flappsigen Kommentar im Sinne Mark Twains, der meinte, Reisen sei gefährlich für „Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit.“

Es gibt eine starke Nebenfigur im Film (wie der Bob Dylan, der durch Sam Peckinpahs „Pat Garrett&Billy The Kid“ geistert), der Zeichner Matthias Seifert. Und der hat im Buch mehr Platz als im Film. Zum Glück. Denn Autor Strübing hatte nach all den Dreh- und sonstigen Filmarbeiten zu wenig Zeit, und gibt das auch zu: „Es gäbe noch jede Menge zu schreiben.“ Sein Buch ist gegenüber dem Film nur skizzenhaft, hängt zu lang an den Vorbereitungen, Nebenschauplätzen, baut nicht den Bogen, den der Film so toll schafft. Hätte die Äußerungen der Polizistin aus Cairo einfach abdrucken sollen. Aber: großer Auftritt des Zeichners Seifert. Und weil Strübing ein Autor ist, den man einfach gerne liest, selbst wenn er sein Thema eher umgeht, ist das Buch mit CD, auf der er liest, empfehlenswert, ein besonderes Ding eben.

Für Buch und Fernseh-Serie gilt, was der Fahrer des Cadillac in Memphis zu Patricia sagt: „Wenn du dir keinen Psychiater leisten kannst, kauf dir eine Flasche Whisky und geh in einen Blues-Club.“

Volker Strübing: Mister&Missis.Sippi. Buch/CD, mit Zeichnungen von M. Seifert, Verlag Voland&Quist, 176 S. Die Serie auf 3sat: 3.-5.4. jeweils 20.15 Uhr

 



Zum Glück muss

ich mir keine Block-Neujahrsrede aus der Rippe hauen, weil ich einen Freund habe, der eh schon alles gesagt hat, wie es der Songdog-Autor und -Verleger Andreas Niedermann eben so zu tun pflegt.

„Wir hier, liebe Gemeinde, wir machen einfach weiter unseren Job. Uns Autoren ist es vollkommen blunzen, was für ein Jahr ist. Wir stehen auch diese Feiertage durch, mit all den Amateursäufern und ihrem Zwang zur Fröhlichkeit und zum Kauf von Glücksbringern. Wir glauben nicht ans Glück. Wir Autoren glauben ans Schreiben und an die Arbeit, an Großzügigkeit, Rache, Herzensgüte und Nassrasur. Wir glauben daran, dass man sich tüchtig verirren und trotzdem wieder auf den Weg kommen kann. Wir glauben an Drogen und Alkohol. Manchmal an die Liebe. Und wir glauben daran, dass wir uns bemühen müssen. Wir glauben an die Freiheit und an gute Gedichte, und an die grundgütige Wirkung von rotem burgenländischen Wein und viel Sport. So, liebe Gemeinde, sieht es aus. “

Wer einen Nachhall auf die letzte Mitternacht braucht, soll sich den von King Dynamite holen und bei Youtube „Roman Signer Rampe 2008“ hineintippen.



VON DER GEBURT BIS ZUM TOD

könnte man sein Block-Leben verbringen, indem man nur Zeugs aus Magazinen kommentiert, und würde sich wohl schon nach einem Jahr aufhängen müssen, um in einen sinnvolleren Zustand überwechseln zu können.

Aber bei den sog. Intelligenzblättern ist es schon manchmal ganz interessant. Wenn sie so schlau herumtun, aber dann kräht einem die furchtbarste Kleingeistigkeit, Spießigkeit und Dummheit entgegen, zu der meine Oma, die keine Volksschule abgeschlossen hat, sich niemals hätte hinreißen lassen.

Dann gehn wir mal rein: eine (natürlich edel gemachte) Fotostrecke, mit dem Titel „Die Welt ist eine Scheibe“, die Fotos werden kommentiert. Foto von Amy Winehouse: „Fahrt ins Vergessen“. Aufgenommen nach einem Club-Konzert in London.

„Sie kämpft sich durchs Gedränge“, schreibt der Kommentarschreiber, „gerät mit einem Fotografen aneinander, spuckt, schreit. Vor nicht langer Zeit hat sie ihr Comeback desavouiert, weil sie betrunken auf der Bühne erschienen ist. Das Bild der am 17. September aus dem Auto pöbelnden Winehouse wird zum Dokument ihres Scheiterns – obgleich der Gig im Jazz After Dark brillant war“.

Darauf muss man erstmal kommen: nach einem brillanten Konzert pöbelt sie ein paar Säcke an, die sie nicht in Ruhe lassen, und ist deswegen gescheitert. Ist das Logik? Oder sollte man jemanden, der das darunter versteht, bei einem sog. angesehenen Wochenblatt, feuern? Oder den Chef vom Dienst? Der vielleicht seit 30 tapferen Jahren behauptet, Fotografen könnten keine griffigen Bildunterschriften verfassen? Würde der „griffig“ sagen? Kann ich mir vorstellen. Auch egal. Genaueres findet man wie immer an der Quelle: Die Zeit Nr. 51/2009.