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BAD LUCK MAN

heißt das neue Album von unserem neuseeländischen Freund Delaney Davidson auf Voodoo Rhythm Records. Aber es klingt nach dem Glück, mit vier Trucks voll Talent gesegnet zu sein zum rockin soulfull Folkblues, sagt der Blockmusikredakteur. Ob der Ex-Dead Brothers besser denn je ist? Bis auf weiteres mal wieder ganz sicher. Ein Haushalt, der glaubt, das nicht zu brauchen, sollte sich nicht zu sicher fühlen.

                      

http://www.myspace.com/delaneyfdavidson

 



ANTIFASCHISMUS

ist bekanntlich das Lieblingshobby der Deutschen. Nicht von allen, naturgemäß, und nicht schon immer; wie man sich von Dr. Goppel und auch anderen Doktoren bestätigen lassen kann. Wie auch immer, Outdoor-Sportarten sind eben in, und es gibt wahrlich Sinnloseres, seine Freizeit totzuschlagen.

Gelegentlich kommt es zu überraschenden Beispielen. Eines davon entdecken wir im wie immer wärmstens ans Herz gelegten neuen Heft von Konkret. Herausgeber Gremliza schreibt: „Der für die ehemaligen Städte der Bewegung und der Reichsparteitage zuständige Ministerpräsident Seehofer beim Bewältigen seiner heimatlichen Vergangenheit:“ <Die Juden Bayerns sind unser fünfter Stamm> (äußerte also Seehofer; weiter Gremliza:) „Der erste Stamm sind Bayerns Bayern, der zweite Bayerns Franken, der dritte Bayerns Schwaben, der vierte Bayerns Nazis, pardon: Bayerns Sudetendeutsche. Da wird ihn sein fünfter Platz mächtig stolz machen, den Juden.“

Andere Menschen verbringen ihre Freizeit jedoch weniger gesund. Auch ohne darüber urteilen zu wollen, kann man´s nicht gutheißen. Ein Beispiel dazu aus Ry Cooders „Los Angeles Stories“, die ich zur Zeit versuche in anständiges Deutsch zu übertragen, natürlich selbst an Stellen, die gutzuheißen ich mich nicht verpflichtet fühle:

„Weiter oben in der Straße hörte ich ein Tenorsaxophon, auf dem jemand ein Riff mit nur einem Ton spielte, sowas wie ba-ba-bada, wieder und wieder. Ich ging dorthin, wo der Sound herkam – ein Pachuco in einem lila Zoot-Suit marschierte im Gleichschritt zum Rhythmus, den er trötete, gefolgt von zwei betrunkenen Matrosen, die eine Zwergen-Hure in die Mitte genommen hatten, einem Filipino mit einer zu großen Krempe am Hut und zuviel Luft in den Schuhen, und im Gefolge der Party torkelte auch noch ein Weinpenner aus der Fünften Straße im Regenmantel. Dann bog der Saxophonist in eine Bar mit dem Namen Club Rendezvous ein, und die Party folgte ihm.

Nur einen Moment später kam der Penner wieder rausgestolpert und fiel in den Rinnstein. Ich reichte ihm die Hand und half ihm auf, er bedankte sich höflich bei mir und ging seiner Wege. Ich ging rein.“

Zeit der Handlung: 1952. Die Staaten sind natürlich auch nicht mehr das, was wir mal gewollt hätten. Aber wer war das schon?



MOTHERFUCKER

ist, womit wir hier mal an einem Thema festhalten, der Titel von Jim Dawsons Untersuchung über „Die Geschichte der Mutter aller schmutzigen Wörter“. Erschienen in einem der wenigen Verlage, dem dieser Block vertraut, Edition Tiamat, auf 272 Seiten. Fuckin lustig, aber auch sozusagen verfickt ernsthaft (im Edition Belleville´schen Sinne könnte man sagen).

Mal in die Seite 22 reingeschneit: „Motherfucker kann auch eine Naturgewalt bezeichnen („That Chicago wind is a motherfucker“), etwas Verächtliches („Now ain´t that a motherfucker!“), ein Beispiel für Qualität („He plays the guitar like a motherfucker!“)…“ etc, was also, wie befürchtet, heißt: „heutzutage kann Motherfucker gleichzeitig überhaupt nichts und alles bedeuten.“

Wobei mir einer der wenigen Sätze bzw. Dialoge einfällt, auf die ich dann doch etwas stolz bin. Ich glaube aus „Little Italy Hemd“ (Nachmittag eines Reporters, Edition Belleville, 1998), was in diesen fortgeschrittenen Nächten wirklich nicht genau recherchiert werden muss –  geht ungefähr so:

„Geh heim und fick deine Mutter.“

„Ich würd´s tun, wenn sie so aussehn würde wie du.“



RY COODER

übersetzen ist meine zweite Übersetzungsarbeit – (die erste, Hans Söllners´ „bloß a gschicht“ ins Hochdeutsche, ist natürlich im Härtegrad nicht zu schlagen) -. „Los Angeles Stories“ wird nächstes Jahr im März bei Edition Tiamat erscheinen (als „In den Straßen von Los Angeles“), später als Taschenbuch bei Heyne Hardcore.

Ich hab das Ding selber angeschoben, ich dachte, das muss sein. Ehe das aufm großen Schrottplatz von Familien- und Vampir- und Literaturhaus-Literatur-Romanen untergeht. Vollkommen richtige Entscheidung, hat sich inzwischen bestätigt. (Hat man ja, wenn der Deal auf die Bahn geht, nicht bis ins letzte Detail gelesen und bedacht).

Ich bin natürlich großer Fan von Ry Cooder seinen Werken als Musiker/Songwriter und Soundtracker – (würde man Walter Hill-Filme ohne seinen Sound mögen? Ja. Aber nicht so) – und Produzent seit tausend Jahren. Die Sammlung von Erzählungen ist allerdings nicht seine persönliche Musikgeschichte, sondern erzählt, wie schon auf seinen letzten Alben mehr oder weniger ausführlich thematisiert, vom Los Angeles der 40er und 50er Jahre (z.B. „Chavez Ravine“). Mit starkem Touch zur mexikanischen Szene. Musik und Musiker sind immer mindestens in der wichtigen Nebenrolle. Aber ich bin sicher, man kann´s auch einfach als gute Erzählungen lesen, ohne die (musikalischen) Hintergründe kennen zu müssen.

Das Buch passt vollkommen in die großartige Amerikanische Serie bei Edition Tiamat. Und selbst wenn die Erzählungen dereinst nur mein Patenkind und meine Oma und Wim Wenders und ich gelesen haben: die Arbeit ist´s so wert wie das Erscheinen von Jack Johnson. Auch wenn einige meiner Nervenstränge

manchmal doch strapaziert werden. Ein Beispiel, ein Schneider erzählt (und wie bei allen Stories handelt es sich um eine Kriminalgeschichte): „„Ray Montalvo, der Maßschneider für Hipsterkleider! Denn ist es hip, ist es der Hit!“ Der Spruch war Slim Gaillards Idee. Dem gefällt alles, wenn´s nur´n hipster-tauglich heißes rootie-und-reetie-pootie-Ding ist. “

Den ganzen unmöglich auch nur halbwegs eins-zu-halbeins übersetzbaren Quasselwahnsinn kann man nicht nur beim originalen Cooder, sondern tatsächlich genauer unter Slim Gaillard nachschlagen. Aber naja, das war nur ein Angeberbeispiel ganz unter uns. Ich glaube, ich saß eine Stunde da, um auf die hip/hit-Kombination zu kommen.

Gott schütze Euch mal wieder! (Und unsern Block auch, wenn er Zeit hat).



WIR SIND ELEKTRISCH

heißt das neue Album von Wolfgang Petters Projekt A Million Mercies. Wird am 22.10. in München im Hausmunik, Pariserstr. 22, vorgestellt. Live mit Petters & Freunden und mit mir als Stütze-DJ, gefangen im Motto „Ein Mann mit genug 45ern hat keine Probleme, glaubte Mickey Spillane“. Außerdem hatte ich Ehre & Vergnügen, die Liner Notes zum Album zu schreiben, und das geht so:

AUF DAS, WAS UNS NOCH PASSIERT

Manchmal kommt unerwartet ein spezielles Angebot geflogen und hat die Wirkung eines Sonnenstrahls, der sich an einem Regentag durch den dunklen Himmel schneidet. Das neue A Million Mercies-Album mit einigen Worten zu begleiten, das ist sowas Besonderes, das mich besonders freut.

Wolfgang Petters ist zurück mit seinem Projekt A Million Mercies, und hinter „Wir sind elektrisch“ ist ein langer Weg zu erkennen, der sich oft mit meinem Weg gekreuzt hat; wir waren Teile einer Veranstaltung oder ich war Konzertbesucher. Seit Wolfgang und einige Freunde 1991 in Landsberg das Label Hausmusik gründeten, waren es eine Menge Konzerte und Platten, die mein Leben besser machten. Hausmusik – und die Art, Musikproduktion als Gesamtkunstwerk zu behandeln, über das die Künstler allein bestimmten – war eine wichtige Orientierung.

Dass „Wir sind elektrisch“ erst das zweite Mercies-Album ist, ergibt sich aus dieser Geschichte – das erste, „Elektrizität – (hält dich in Bewegung)“, erschien 1996; mit einigen Singles und Compilation-Beiträgen (darunter das mit Calexico entstandene  „Freunde“, die wiederum den schon älteren Mercies-Song „Fear“ coverten, der hier erstmals von Wolfgang selbst veröffentlicht wird) könnte man noch ein Album machen – denn beim Hausmusik-Clan ging es eigentlich um permanente Kollaboration, und die meiste Musikenergie des Elektromeisters Petters, der auch zum Mastermind des Labels wurde, floss in die Bands Village Of Savoonga und mehr noch Fred Is Dead. Das alles ergibt dann doch einen schönen Stapel Vinyl, für den er eine Menge Musik und Texte geschrieben hat. File under history, spannend bis heute.

Das kleinere Projekt A Million Mercies stand für mich musikalisch schon immer zwischen diesen Bands (die hier sozusagen zwischen den Rillen des neuen Albums durchscheinen) und entwickelte an dem Punkt seinen speziellen Charme, nicht so experimentell-krachend wie Village Of Savoonga, rauer und freier, skizzenhafter als Fred Is Dead. Folk und Streicher und Elektronik, Song und schräg verlegter Tanzboden – Verbindungen, die sich über die Jahre bis zum zweiten Album gehalten haben. Viele Verbindungen, die leicht viel zu weit (bis dorthin, wo´s nicht mehr geht), hätten führen können, auch wenn sie durch zwei Plattenseiten Struktur bekommen. Und ich bin wieder verblüfft und begeistert, dass das bei A Million Mercies eben geht. Dass eins zum andern kommt und alles zusammenpasst und sehr gut geht.

„Wir sind elektrisch“ ist ein autobiografisches Album. Und bezeichnenderweise für so eine gewisse Stimmung, war es der Selbstmord eines alten Freundes von Wolfgang, der ihn an die Arbeit jagte (der Song „Man Behind The Drumkit“ erzählt vom langjährigen Fred Is Dead-Schlagzeuger Thomas Ganshorn). Unfall, Krankheit, Angst, Verlust, Verschwinden – der „Devil On Your Neck“ ist hier gut beschäftigt. Wahrscheinlich ist es die alte Geschichte: man muss mit ihm reden (hier auf deutsch, italienisch, englisch), um ihn packen zu können. Um dann singen zu können: „Wir tranken auf die, die wir einst verloren, und auf den Tag, an dem unsere Kinder geboren. Und auch auf das, was uns alles noch passiert.“

Die Platte entstand, nachdem Wolfgang Petters das Ende seines Labels, Ladens und Vertriebs Hausmusik, was ja mehr als nur Job und Arbeit und Spaß war, hatte hinnehmen müssen. Auch darüber kann man hier einiges raushören. Unüberhörbar jedoch, dass aus einer traurigen Geschichte was Gutes rauskam. Das es ohne diesen Verlauf wahrscheinlich jetzt noch nicht geben würde. Es trägt die Hausmusik-Nr. 77.

Endlich wieder ein ganzes Album von A Million Mercies zu bekommen, macht den Blick auf den Weg hinter uns erheblich angenehmer. Und die neue Musik wie die vorhergehende zu lieben, macht mich glücklich. Und ich hoffe, dass Sie mir folgen können.



UNSCHLAGBARER

Titel von den Flaming Stars:

Bring Me The Rest Of Alfredo Garcia.

Gibt nichts Besseres, um den Nationalfeiertag totzuschlagen. Eine Zu-Null-Abstimmung der Blockredaktion. Haben wir Abonnenten, die das bezweifelt hätten? Möchten wir uns nicht vorgestellt haben.



ALPTRÄUME

Ein Remake von Sam Peckinpahs „The Wild Bunch“ ist in Arbeit. Ich schaute aus dem Fenster, der kleine rote Zug flog in die Luft. „Schießen Sie auf den Weichensteller.“ Aufwachen in Schweiß und Gezitter. Wie geht das heute mit der Weichenumstellung? „Unser Dingssystem ist abgestürzt.“ So ging´s aber weiter, die Nacht war noch nicht am Ende: Ein Remake von Sam Peckinpahs „Straw Dogs“ ist in Arbeit – update: abgefilmt ist es schon. Ich sah meine Bettdecke brennen. Wer so einen Scheiß träumt, ist wahrlich abgebrannt. Ich weigerte mich, in den nächsten Schlaf abzusacken, denn es war klar, ich würde träumen, dass alle Filme vonPeckinpah durch Remakes gedreht wurden. Warum gibt´s keine Gefängnisstrafen für solche Leute? Themen, die den Sandmann an die Tür ziehen. Ein Typ im vollgebluteten Hemd. Er legte mir eine Unterlassungsklage auf den Arsch. Was für ein obskurer Dreck. Angeblich hatte ich einen kleinen Politikverein beleidigt. Oder ihren Kulturbürgermeister. Ich dachte an Bad Lieutenant Anlicker, der auf Lippen und Hemden eine gleichbleibend aktuelle Botschaft verstreut: FUCK THIS TOWN. Ich dachte an die letzte Meldung, die unser Blockvolontär hier eingebracht hatte. Da wachte ich betroffen auf und verschwand in meinem Block. In der realen Welt gab´s nicht nur miese Nachrichten: „A big screen version of Nick Tosches´ third novel, In The Hand Of Dante, is currently in the works with director Julian Schnabel and actor Johnny Depp.“ Eine Nachricht mit 70% hochwertigem Inhalt ist eine gute. Was mich nachdenklich stimmte, war, dass mein Schlaf- und Wachleben mit Meldungen aus der Muhwiewelt durchlöchert wurde. Und dann noch der Berliner Filmer Christoph Rüter auf der Box. Wie´s mit seinem Skript vorangeht. Ich schau aus dem Fenster. Wo der kleine rote Zug grade in die Luft geht. Meine Antwort an seine Box ist kurz: „Ich hab da ´ne Idee, aber die ist nicht ganz billig.“

Photo: Lorna Doone (LORNOGRAPHY)

 



UND WAS IST POESIE?

„Fuck you, you fuckin fuckers!“

sagt  der von John Goodman gespielte Literaturprofessor in der US-Serie Treme am Ende seines Youtube-Beitrags, in dem er sich beim Präsidenten George W. über falsche Versprechungen und mangelnde Hilfe für New Orleans nach dem Hurrikan Katrina beschwert (Krimi-Autor George Pelecanos hat die Episode geschrieben), um dann in der nächsten Folge von unterschiedlichsten Leuten auf der Straße für sein offenes Wort gelobt zu werden, und schließlich auch von einem älteren Kollegen, der ihm in einem Restaurant lautstark Respekt erweist: „Fuck you, you fuckin fuckers – that’s Poetry!“ (If in doubt, fragen Sie mal den Literaturkritiker Ihrer Tageszeitung).



WAS IST BANAL?

oder auch „Ist das nicht vielleicht doch etwas zu banal?“ ist die am häufigsten aufgeworfene Frage in unserer Blockredaktion nach Feierabend, und heute lieferte Alexander Linklater den Stoff dazu.

„Anderen fehlt das Vermögen, ihre Gedanken auszudrücken“ (schreibt er in einem Artikel über die englischen Krawallisten in der SZ), und „wenn sie es dennoch tun, ist das, was dabei herauskommt, oft auf ebenso erschreckende wie komische Weise banal: <Wir zeigen den reichen Leuten, dass wir tun können, was wir wollen>, sagte ein weißes Mädchen der BBC.“

Wir hatten das Ding durch, noch ehe uns der erste Drink an den Kopf geworfen wurde: man muss es nicht gut finden, um es ganz und gar nicht banal zu finden. Und man kann´s gut finden, ohne eine Tonne wichtiger Literatur darüber befragt zu haben. Dass ein weißes Mädchen der BBC ihre dementsprechenden Seminarscheine nicht vorzeigt, ist natürlich nicht in Ordnung.



DER TOLLE ROMAN

Pony von meinem alten Freund Thomas Palzer wurde endlich wieder aufgelegt (das Original war 1994 im Bommas Verlag erschienen). Einige Freunde kommentierten ihn damals zurecht so: „Mehr als ‘Pony’ mag man ohnehin nicht von einem Autor erwarten“, schrieb Karl Bruckmaier in der Süddeutschen. Und „den jüngsten Beweis dafür, dass Münchner Literatur zur Zeit führend ist, hat Thomas Palzer geliefert mit Pony … Wie Drogenträume ziehen die Bilder vorbei“, meinte Helmut Krausser in der Vogue.

Hier der Anfang: „Vor einer Weile gab ich der lähmenden Schwüle nach und legte mich aufs Bett. Weil es das Bett war, auf dem ich lag, fing ich an, in meinem Kopf nach dem Bild einer Frau zu kramen, die ich mir nackt vorstellen wollte, nackt, mit skandalös gespreiztem Fleisch. Ich kramte und kramte, aber ich fand keines, von dem ich mich dazu aufgefordert fühlte.“
Thomas Palzer : Pony. Geschichte. Eisenhut Verlag, 2011, 2. Auflage, 140 Seiten, Br., ISBN: 978-3-942090-14-8, EUR 13,90
Seine Homepage finden Sie bei den Links rechts.