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DIE 39 CLOCKS

waren die arschcoolste Band der BRD, wenn nicht Westeuropas”, schreibt Christof Meueler in der Jungen Welt (siehe Links). Anlass ist die Wiederveröffentlichung ihres ersten Albums “Paint It Dark” (1981) auf Tapete Records. Hut ab!

Ich hatte die Clocks ca. 1984 im Münchner Café Größenwahn gesehen, und sie haben mein Leben verändert. Ob zum Guten oder Schlechten spielt keine Rolle. 1987 erreichten sie das Ende ihres Wegs, und seitdem ist die Welt schlechter, das ist sicher.



UNZUCHT

ist der Titel des neuen Romans von Jan Off im Ventil Verlag, und es gilt absolut, was in der biographischen Notiz steht, er ist “der Bachmannpreisträger der Herzen”.

Es gibt solche und solche Stellen in ‘Unzucht’ – hier eine der weniger herzwärmenden, die, wie die anderen, nicht erst ab 18 zu verstehen ist:

“Als wir dann erneut mit dem Presslufthammer herumzuwerkeln beginnen, erscheint mir die Aufgabe am Anfang schier übermächtig. Jedes Mal, wenn ich an der Reihe bin und mich das Brennen in den Atemwegen fast den Verstand verlieren lässt, erwäge ich ernsthaft aufzustecken – einfach den Bohrer zum Stehen bringen, aus dem Graben klettern und Bernd noch frohes Schaffen wünschen. Aber mit der Zeit lässt das nach, weicht das Aufbegehren einer roboterhaften Duldsamkeit, einem stumpfen Gleichmaß aus Schmerz und Erlösung. Kurz vor fünf gesellt sich sogar ein Happen Euphorie dazu.”

Für die Berliner eine gute Nachricht: Jan Off liest am 11. Juli im Rosi’s. Und noch eine: Zusammen mit Thomas Kapielski. Und noch eine: bei schönem Wetter draußen. Und noch eine: bei schlechtem Wetter drinnen.



MIT ACTION & DYNAMIT

hat die Kunst des Appenzeller Bildhauers Roman Signer meistens zu tun. In der Münchner Galerie Häusler Contemporary kann man sich bis zum 5. September seine Ausstellung “Der letzte Schnee – Neue Skulpturen und Fotografien” anschaun.

Ich bin seinem Werk zum ersten Mal begegnet, als ich mit dem Schriftsteller Andreas Niedermann 2003 in der Lokremise St.Gallen saß, die den damals 65jährigen Signer groß präsentierte. Am selben Tag war Johnny Cash gestorben, der uns beiden was bedeutet, und wir unterhielten uns mit dem Journalisten Marcel Elsener im Biergarten darüber, während eine Signer-Skulptur in unregelmäßigen, aber kurzen Abständen ballerte, eine Art Kuckucksuhr ohne Kuckuck. Bei einigen Räumen wurde davor gewarnt, sie mit einem schwachen Herz zu betreten.

Anders ausgedrückt: “Mit ihrer abwechslungsreichen Kombination von dreidimensionalen Objekten, Live-Action, Standbildfotografie und filmischer Dokumentation umrahmen Signers Zeitskulpturen Episoden, die von der Eindämmung und Freisetzung von Energie handeln, stets mit Raffinesse, häufig mit fesselnder, epigrammatischer Rasanz und unwiderstehlichem Humor” (Rachel Withers, auf der Homepage Romansigner.ch).

Und in der in Esslingen und St.Gallen 2007 gezeigten Ausstellung “Brave Lonesome Cowboy – Der Mythos des Westerns in der Gegenwartskunst oder: John Wayne zum 100. Geburtstag” habe ich Signers Skulptur “Sechs Schüsse” gesehn, sechs silberne Fässer, die das Magazin eines Sechs-Schüssers symbolisierten. Sie sahen aus, als würden sie gleich das ganze Gebäude flachlegen.



DAS XXX ZDF

hat es tatsächlich geschafft, die geplante Serie mit Friedrich Anis “Kommissar Süden” nach zwei Folgen zu stoppen. Als könnten sie je was Besseres bekommen als die zweite Folge “Süden und der Luftgitarrist”: Anis Drehbuch zu seinem Roman verfilmt von Dominik Graf. Mit Zuschauerzahlen, die für sowas Gutes um 20.15h überraschend hoch waren.

Gnade uns Irgendwer, wenn wir mit unserer Arbeit jemals von solchen miesen, feigen, unterbelichteten Bürokraten abhängig sein sollten.



LEAVING LOUISIANA

In The Broad Daylight” ist ein Song auf dem neuen Album von Smokestack Lightnin’. “Roadmasters” ist eine Split-Doppel-CD (mit den Seatsniffers) auf Sonic Rendezvous. Und wie alles von ihnen: es ist großartig. Oder besser denn je. Zwei der Songs auf ihrer Myspace-Seite, siehe Links.

Und falls jemand wissen will, wie Schreiben über Musik geht: Kristof Schreuf hat sich für seine Kolumne “Nachrichten von gestern” in der Jungen Welt jetzt “Led It Bleed” vorgenommen und schreibt eine Folge zu jedem Song. Ist Online zu lesen, siehe Links.



ICH LESE SIE

immer mit Gewinn, die Zeit nämlich. Diesmal gibt mir ein Satz von Philipp Mißfelder zu denken, der nämlich der Vorsitzende der Jungen Union Deutschlands ist.

Er bespricht das Buch eines Journalisten, der “die Parteien in der Nachwuchsfalle” sieht: “Wenig hilfreich ist es allerdings, wenn eine gemeinhin unbeliebte Berufsgruppe, die der Journalisten nämlich, die Politiker als ebenfalls eher unbeliebte Berufsgruppe verfemt”.

Verfemt und zugenäht! Ist das jetzt eine Zeitfalle oder ein Denkloch? Oder doch das fast schon legendäre Denkloch in der Zeitfalle? Und erinnert mich auch noch an die peinliche Situation, als mich der Lehrer eines Tages aufforderte, nämlich sofort einen Satz mit “gemeinhin” zu bilden.

“Unser Pfarrer langt mir immer gemeinhin”. Weil ich nämlich kein Mitglied in der Jungen Union bin. Dachte ich mir später. Kurz bevor ich mir dachte, Zeitungen, lasst mehr JU-Mitglieder schreiben, die können´s doch nämlich auch.



ZU HANS FRICK

eine gute Nachricht: Die Verfilmung seines Romans “Mulligans Rückkehr” läuft am 20.6.08 um 18.30h im Münchner Filmmuseum in der Reihe “Helmut Käutner zum 100. Geburtstag”. Hat Seltenheits-, nein Oberseltenstheitswert.

1978 erschienen, hatte der Film eine große Besetzung: Frick selbst schrieb das Drehbuch, Musik: Albert Mangelsdorff, Helmut Qualtinger in der Hauptrolle, und u.a. mit Günter Kaufmann und Georg Kreisler.

“Mit ‘Mulligans Rückkehr’ schuf (der bereits schwer erkrankte) Käutner, passend zur nervösen, improvisierten Jazzmusik von Albert Mangelsdorff, einen furiosen Abschluss seiner Karriere als Filmemacher … ein surreales Horror-Trauerspiel … ” (Programm).

Hans Frick (1930-2003) hatte den Roman 1972 bei Luchterhand veröffentlicht. – Zum Inhalt: “Plötzlich, gerade noch Generaldirektor und Vorsitzender eines Aufsichtsrates, steht Mulligan mit Koffer und Aktentasche in einer trostlosen Gegend mitten im Regen und hat keine Ahnung davon, wo er sich befindet und wie er in diese Lage geraten ist … Es ist eine Gegend, in der Mulligan nicht mehr zählt … Auf nichts ist Verlaß, nicht einmal auf das Scheckheft. Der große Chef, der sich die kleinen Leute nur als Abhängige und Untergebene vorstellen kann, ist machtlos.”

Jörg Fauser hat über den heute ziemlich vergessenen Autor Hans Frick  geschrieben: “Ich weiß, daß es in meinem Land nur einige wenige Schriftsteller gibt, die das Papier wert sind, auf dem ihre Bücher gedruckt sind. Einer von ihnen ist Hans Frick”.



EIN GROSSARTIGES NETZRADIO IST BYTE.fm

und das 24 Stunden täglich. Zur DJ-Besetzung gehören Klaus “Der Ball ist rund” Walter, DM “Prince of Swamp-Soul-Countryrock” Bob und Susie “Hoodoo Girl” Reinhardt. Eine bessere Werbung kanns kaum geben.

Beim Blick in die Tiefe des Raums.



S!A!U!

war Anfang 1980 eine umwerfende Entdeckung für mich: ein von Punk und New Wave deutlich inspiriertes Literatur- und Filmmagazin. Texte, Briefe, Karten, Entwürfe von Achternbusch, Fels, Lemke, seitenweise von/über Devo, Patty Smith, XTC etc. Herausgegeben von Eckhart Schmidt, ein Filmer aus der Münchner Gruppe.

Die Story “Der Fan” wurde in S!A!U! gedruckt, dann als Film legendär; die junge Desirée Nosbusch frisst ihren Star… Und Schmidt hat auch viele tolle Dokumentarfilme gemacht, die von seiner starken Amerikanifizierung erzählen und seiner Liebe zum Film, zuletzt “Glamour vs. Paparazzi”.

Eckhart Schmidt und Karl Bruckmaier sind meine Gäste im Benno-Ohnesorg-Theater in den Münchner Kammerspielen am 29.3. um 21h.

Schmidt ist vor allem mit seinem neuen Fotoband “Window Girls” dabei, die Schaufensterpuppen vom Hollywood Boulevard, die bald einer Shopping Mall weichen müssen (Belleville Verlag). Ein Stapel Fotos wird kommentiert.

Karl Bruckmaier, seit vielen Jahren wichtigster SZ-Popjournalist und BR2-DJ, stellt eine seiner Arbeiten vor und hat einen neuen Band mit Short Stories des Blues/Experimental-Gitarrenhelden John Fahey dabei, “Orange” (edition suhrkamp), den er herausgegeben und übersetzt hat. Bruckmaier (wie Fahey) ein Wanderer durch die populäre Kultur: hat mit “Haschplatten” ein extremes Label gemacht, die ersten Poetry Slams in Deutschland organisiert, und ist mit seinen Hörspiel-Inszenierungen in fremde akustische Welten aufgebrochen.

Wird eine sehr amerikanische Nacht. Und irgendein Bezug zum Theaternamen könnte sogar auch noch auftauchen. Falls uns das interessieren würde/wird/kann.



DER TOD HAT

mal wieder sozusagen in Spürweite gearbeitet:

1) am 24.10. starb Michael Stein, Mitbegründer des Benno-Ohnesorg-Theaters, des Kommunistischen Bund in Berlin, der Druckerzelle und der Höhnenden Wochenschau.

Seit den 90er Jahren war er Gast bei fast allen Berliner Lesebühnenshows, und “in allen diesen Kontellationen brachte es Stein zu fruchtbaren Eklats, kassierte Hausverbote und Rauswürfe en masse”, schrieb Dr.Seltsam in seinem ersten von zwei Nachrufen für die junge Welt über “die mit Abstand schrillste Figur der Berliner Alternativkultur”. Die auch in ihren bedächtigeren Momenten liebenswert war.

“Unser großer Denker”, sagen die Surfpoeten über ihr Mitglied. Der Dichter Stein (der in den letzten Jahren weit im Schatten des improvisierenden Vortragskünstlers verschwand) ist im Buch “Die Surfpoeten” und der beigelegten CD verewigt (Voland & Quist, 2004); sein “Gebet gegen die Arbeit” beschließt den neuen Band “Die Rückkehr der Surfpoeten” (Voland & Quist). Diverse Stein-Texte auch im Netz, außerdem Nachrufe und ein Bericht vom Sterbebett von Robert Weber.

Michael Stein in der Münchner Fortsetzung des Benno-Ohnesorg-Theaters zu begrüßen, hat nicht geklappt – am 10.11. versuchen wir, den Kontakt zu ihm herzustellen.

2) am 25.10. starb Maria Fauser in Frankfurt im Alter von 91 Jahren. Ihren letzten Auftritt hatte die Schauspielerin und Rundfunkmoderatorin in Christoph Rüters Film “Rohstoff”, als sie von ihrem Sohn Jörg Fauser das Gedicht “Das Gewicht der Seele” vortrug.

Die letzte Strophe: “Freudlos sitze ich diese Nacht über den Tasten / und verstehe doch nichts anderes / als mich an die 21 Gramm zu klammern, / die meine Finger schreiben machen / und meine Träume vorbereiten / auf den Tod.”