Literatur

WALTER GRÖNER PFLEGT DAS GRAB VON FRANZ JUNG FOTOGRAFIERT VON WERNER FRITSCH

Der geschätzte Kollege Werner Fritsch mit einem für die deutsche Literaturgeschichte bedeutenden Foto (on f-book 5.7.): „POE@TRY: Der Dichter Walter Gröner pflegt das Grab von Franz Jung („Torpedokäfer“) Stuttgart 2022“

Ist möglicherweise ein Schwarz-Weiß-Bild von 1 Person und außen(Foto c by Werner Fritsch) – Auszüge aus dem dazugehörigen Schriftverkehr: Jan Kuhlbrodt: „hat jung kein ehrengrab´?“ Fritsch: „Ja das hat er, aber es war total verwildert, bis da Walter gröner kam aus Saarbrücken mit einer Tüte Harken etc : ich war einer seiner Assistenten…“ Fritsch: „Walter hat sich auch gekümmert, dass das Grab fürderhin mehr Aufmerksamkeit erfährt, was endlose Telefonate mit unwissenden Bürokraten erheischte…“ Marc Ottiker: „Hat der nicht auch Der Weg nach unten geschrieben?“ Fritsch: „Ja das ist ein anderer Titel für Torpedokäfer… Darin beschreibt er die Zusammenarbeit mit Piscator : was die damals schon alles gemacht haben!!! Und was uns immer als die neueste Mode verkauft wird…Clemens Schittko: „Der Torpedokäfer war mal eine Kneipe in Berlin (Prenzlauer Berg) in den 1990ern.“ Jochen Knoblauch: „Dazu kommen die Zeitschriften-Projekte der „Prenzlauer Berg-Connection“ wie „Sklaven“, „Abwärts“ usw.“ Annett Gröschner: „guter mann“ Ignaz Wrobel: „Meine Lieblingsepisode aus Der Weg nach unten (aka Torpedokäfer): 1. Weltkrieg, Jung ist desertiert und in Berlin auf der Flucht, trifft Walter Serner, der stellt ihm ein Attest aus: Herr Jung ist unverzüglich in ein Krankenhaus sozusagen durchzulassen, gezeichnet Dr. Walter Serner. Als die Jäger draufkamen, dass dieser Dr. Serner kein Arzt, sondern nur ein Jurist ist, war Jung schon abgedüst. (Jung beschreibt auch den Dr.: sitzt wie ein wohlhabender Gentleman im Café, aber unter dem schönen Mantel hat er nur noch ein bisschen Unterwäsche; wo und wann die Nazis Dr. Serner ermordeten, konnte übrigens nie aufgeklärt werden…). Danke den Grabpflegern und dem Fotograf!“



YOUNG POETS AND YNG PTS

Egal, was passiert! Man kann immer Gedichte schreiben, nein, man muss sogar! Und überall! Michael Brake hat in der taz die Beweise veröffentlicht: „Im Weinregal wartet ein Trio des Grauens, präsentiert von einer Winzergruppe namens „young poets“: „Fifty shades of GRAUBRGNDR“, „Everything happens for a RSLNG“ und „Always sunny SVGNBLNC“. Ich bin glücklich, dass ich das dritte Wortspiel gar nicht erst verstehe, und gleichzeitig wütend, dass dort ein N fehlt, denn es muss SVGNNBLNC heißen, wnnschn, dnnschn.“

Der Trend zu bemüht-lustigen Etiketten zieht sich durch alle Warengruppen im Supermarkt

https://taz.de/Bemueht-lustige-Produktverpackungen/!5859185/



ES IST NIE ZU HEISS

um ein gutes Buch zu lesen. Ich schwöre. Unser alter Freund und Wien-Korrespondent hat wieder eins geschrieben. Vielleicht sein bestes. Oder wieder mal sein bestes. Weil er eben immer besser wird. Hat er nichts Besseres zu tun? Geht euch nichts an. Mehr dazu bevor’s dann wieder kälter wird…

Cover Niedermann Schreiben uva

https://songdog.ch/songdog-home.html

Mit einem – auch das gibt´s! – korrekten Verlagsinfo: „Rasant, brutal, komisch und witzig erzählt Andreas Niedermann vom gefährlichen und abenteuerlichen Leben eines Getriebenen. Schonungslos ehrlich mit sich und anderen sucht er in dieser Odyssee, die ihn durch Schweizer Städte, durch Wien, Paris, Italien, Griechenland treibt, nach der Gelegenheit, das zu tun, was er will: Schreiben. Aber wie schreibt man? Und vor allem, wie erschafft man eine Situation, die Schreiben erst ermöglicht? Und was soll das überhaupt: das Schreiben? Für wen denn? Wie muss es klingen? Und was ist ein Schriftsteller?“ Wüsste ich auch gern – und weiß jetzt mehr. Wird´s mir weiterhelfen? Nicht ausgeschlossen. Hilft jedenfalls mehr als beten. Was man nicht von vielen Büchern behaupten kann.



PEN Berlin (3)

„Im Literaturhaus Berlin hat sich heute der PEN Berlin gegründet. Gewählt wurde ein elfköpfiges Gründungsboard, für das Eva Menasse und Deniz Yücel sprechen (…) Die erste Amtshandlung … war hochsymbolisch. Noch während die Wahl des Gründungsboards im Berliner Literaturhaus und per Zoom lief, machten sich die beiden Gründungsboard-Mitglieder Simone Buchholz und Alexandru Bulucz auf den Weg zum Berliner Flughafen, um dort den von der russischen Regierung zur Fahndung ausgeschriebenen kremlkritischen Schriftsteller Dmitry Glukhovsky abzuholen. (…) Zudem hat der Wikileaks-Gründer Julian Assange, dem die Ehrenmitgliedschaft vom PEN Berlin angetragen worden war, diese angenommen…“

https://www.br.de/nachrichten/kultur/menasse-und-yuecel-an-der-spitze-des-neuen-pen-berlin

The board: Simone Buchholz, Alexandru Bulucz, Joachim Helfer, Konstantin Küspert, Eva Menasse, Ralf Nestmeyer, Ronya Othmann, Mithu M. Sanyal, Elke Schmitter, Sophie Sumburane, Deniz Yücel



PEN BERLIN (2)

Die geplante Neugründung des Schriftsteller:innen-Verbands PEN BERLIN führt wie erwartet zu Diskussionen, und zu Ablehnungen aus allen Richtungen. Kollege Christian Y. Schmidt schreibt auf F-book: „Sorry, welche Linke gründen eigentlich zusammen mit Jan Fleischhauer, Thea Dorn und Sibylle Lewitscharoff einen Verein?“ Da käme schon eine nicht ganz kleine Liste zusammen. Ich habe ihm mit „ich“ geantwortet und auf Nachfrage (erstaunlich sachlich) begründet:

„Klaus Bittermann hat mich dazu gezwungen! Außerdem: die Charta des PEN International ist gut – der alte PEN Germania kaputt – der neue PEN Berlin wieder gut, so wie es aussieht; dass da welche dabei sind, auf die ich verzichten könnte, ist in derartigen, nicht ganz kleinen Gruppen unvermeidlich; die Schmerzgrenze, die für mich im alten PEN erreicht war, kann ich im PEN Berlin nicht erkennen (oder noch nicht oder noch lange nicht: wea ma schon seng, wea ma song (bayr. Weisheit)). Soweit ich mitbekommen habe, war bisher nirgendwo von diesem sehr interessanten und absolut positiven Punkt die Rede: diejenigen, die im alten PEN richtig gearbeitet haben und ausgetreten sind (das Yücel-Team), sind hier wieder dabei.“

Eine Entzündung für die Diskussion mit diesem drive war ein Kommentar von Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt (damit auch Chef von Deniz Yücel, jedoch kein Mitglied): „…der witz ist, dass dieser NEUE pen die alte linke ablöst und wieder zurückkehrt mit stimmen aus allen lagern. siehe jan fleischhauer und thea dorn. eine tolle initiative, die den alten (linken) pen erledigen kann.“ Ein Kommentar, den man liegenlassen kann, denn Herr Poschardt tut sich ja doch immer wieder vor allem als talentierter Demagoge hervor (worauf ich nicht zum ersten Mal öffentlich hinweise), wie er auch hier eben eine ganze Menge auf kleinem Raum verzerrt. Den alten PEN als links zu beschreiben schafft man wohl nur als erklärter FDP-Fan oder zB mit dem Wunschdenken eines tapferen Sozialdemokraten, der die Geschichte und Gestalten wie Schröder mit einer blickdichten Augenbinde betrachtet.



NEUSTART: PEN BERLIN

Nach der Bankrotterklärung (die von zu vielen nicht so verstanden wird) des Schriftstellerverbands PEN-Zentrum Deutschland e.V. lässt man das natürlich nicht auf sich beruhen: 232 Personen gründen zum 10.06.2022 den PEN Berlin. Ist mir eine Ehre, in diesem Boot zu sein.

https://www.penberlin.de/

https://www.br.de/nachrichten/kultur/ein-gegen-pen-pen-berlin-gibt-gruendung-bekannt,T832761

7.6.2022: „PEN Berlin. Wir stehen im Wort. Wir wollen einen neuen PEN.
Einen zeitgemäßen und diversen PEN, in dem sich auf Deutsch schreibende oder in Deutschland lebende Schriftsteller:innen und Übersetzer:innen aller literarischen und publizistischen Genres zusammenfinden.
Einen PEN von und für Kolleg:innen, die sich für Meinungsfreiheit und einen offenen Diskurs einsetzen, ohne Präsident:innen und andere Titel, mit einem paritätischen Board an der Spitze.
Einen PEN, der sich im Sinne der Charta des internationalen PEN gegen jede Form von Menschenhass wendet, dessen Mitglieder sich in den Dienst der Meinungsfreiheit stellen und die gemeinsam für eine bessere Zukunft eintreten.
Im Geiste unserer Namensgeberin Berlin, der Vielsprachigen, der Stadt, die heute für Offenheit und für die Überwindung von Grenzen steht, nennen wir uns PEN Berlin – eine NGO, die sich den Idealen der Aufklärung, der Meinungsvielfalt, der Toleranz und der Solidarität verpflichtet.
Denn die Freiheit des Wortes wird weltweit zunehmend bedroht. Immer mehr Autor:innen fürchten um ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit. Unser Fokus wird deshalb auf der materiellen und ideellen Unterstützung verfolgter Kolleg:innen liegen.
Wir brauchen diesen neuen PEN, um dem Wort, der Literatur, der Poesie und jedem anderen textbasierten Genre den Raum zu geben, der notwendig ist, um sich frei zu entfalten. Und wir brauchen diesen neuen PEN, der gemeinsam und unabhängig von Herkunft und Haltung Missstände anprangert und denjenigen hilft, die in ihrer freien Meinungsäußerung bedroht werden.
Uns sind alle willkommen, die mit dem Wort arbeiten und bereit sind, sich uns bei diesem Vorhaben anzuschließen.
Wir stehen im Wort.“


FCDELIUS AM START IN SLUGS‘ SALOON

„Ein Finale mit einem zarten, ruhigen Fazit, und ich begriff auch beim kräftigen, lang durchgehaltenen Klatschen der Hände fast nichts von dem Gewinn dieses letzten Abends der newyorkischen Reise und ahnte erst nach Jahren oder Jahrzehnten, welchen Ritus der Initiation ich an diesem 1. Mai 1966 in Slugs´ Saloon in der 3. Straße erlebt hatte – “ (Friedrich Christian Delius – Er ruhe in Frieden)

Albert Ayler oder Die Zukunft der SchönheitDelius, Die Zukunft der Schönheit (Cover)



ZUM GLÜCK REDEN MANCHE ZU VIEL

Während ich überlegte, hier mal mit dem schönen Plakat des Maro Verlags mit der Bukowski-Weisheit „Alle reden zu viel“ meinen Abonnent+innen eine kleine Freude zu machen, läuft mir der Beleg über den Weg, dass manche Leute zum Glück anderer Leute zu viel reden:

„Die sogenannte „Quasselgruppe“, wie sie sich selbst nennen – eine streng vertrauliche interne Chatgruppe der ersten AfD-Bundestagsfraktion“:

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/afd-bundestagsfraktion-chats-101.html

Finde das Plakat im Netz nicht (weil es neben meinem Schreibtisch hängt), dann eben das ganz andere Cover und ein anderes Plakat:

Alle reden zu vielAlle reden zu viel – Plakat A0

Hey, da nich für.



DA WIRD DER FIGHT

im PEN-club ziemlich gut von Jana Hensel in der Zeit beschrieben, und dass es dabei um viel mehr als nur das Zeugs geht, das in einem Dichtungszirkel mal so abläuft; die AfD-Anspielung (an anderer Stelle im Artikel) gegen die Truppe, die mit „Bratwurstbude“ eher zurückhaltend benannt ist,  ist berechtigt (das zeigen auch die von rechts applaudierenden Kommentar-Berge bei gewissen Artikeln auf F-book):

„Dass er jedoch der wahrscheinlich klarste politische Kopf unter den Anwesenden war, bewies er auch auf einer abendlichen Podiumsdiskussion zum Ukraine-Krieg. Im Innenhof von Schloss Friedenstein gefiel sich auch die angereiste Philosophin Svenja Flaßpöhler darin, die mangelhaften Manieren des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk zu beklagen. Fragte die Moderatorin Cornelia Zetzsche in die Runde, ob es sinnvoll wäre, russische Literatur auf den Index zu setzen. Wurde die Situation der Ukraine mal wieder so beschrieben, als müsse sich das Land selbst für den Angriffskrieg Putins vor hiesigem Bildungsbürgerpublikum rechtfertigen. Yücel war der Einzige, der dagegen lautstark protestierte. Seine Gegner nahmen es wieder als Beleg für seine schlechten Manieren.“

https://www.zeit.de/2022/21/pen-deniz-yuecel-gotha-kongress



DAS PEN-CLUB-DESASTER

wird in den Medien unzureichend dargestellt, das ist falsch verstandene „Ausgewogenheit“, die Details fehlen, an denen man genau erkennt, welche Gestalten wie gegen den Präsidenten und das Team seines Vertrauens der deutschen Abteilung des internationalen Schriftstellerverbands, Deniz Yücel, agitiert haben. In einem Verein, der einen wie Deniz Yücel so deutlich ablehnt und bekämpft, möchte ich auf keinen Fall Mitglied bleiben. Ehe hier die Details kommen, ausgepackt von Yücel selbst, mit einigen Verweisen (besonders FCDelius hat in der FAZ „alles“ dazu gesagt, warum er austritt), als Einleitung die zentrale Aussage:

„Die Realität des PEN besteht darin, dass er in Geiselhaft genommen wurde von einem Haufen selbstgerechter, lächerlicher Möchtegernliteraten, die diesen Verein brauchen, um sich selbst als Teil der literarischen oder publizistischen Elite zu wähnen. Dafür pflegen sie diesen Popanz, um sich selbst im Abglanz des Honorationenhaften aufzuwerten. Und dazu nutzen sie das von Steuermitteln geförderte Programm, um sich als Wohltäter zu fühlen, ohne sich für die verfolgten Autoren wirklich zu interessieren. Die Mehrheit im PEN gehört solchen Leuten. Ich nenne keine Namen, Sie würden sie eh nicht kennen.“

„Deniz Yücel im SZ-Interview, 16.5.: „Spießer und Knallchargen“
Journalist und Schriftsteller Deniz Yücel im SZ-Interview – zu den Gründen für seinen Rücktritt als PEN-Präsident. / Interview von Cornelius Pollmer
Abend dämmert im Innenhof von Schloss Friedenstein zu Gotha. Der am Vortag als PEN-Präsident zurückgetretene Deniz Yücel hat soeben an einer Podiumsdiskussion des PEN teilgenommen und seinen Vor-Vor-Vorgänger Johano Strasser nach wirklich allen Regeln der Redekunst angepöbelt. Kurz vor dem Interview ein letzter Zwischenfall. Ein weiteres PEN-Mitglied fotografiert Yücel dreiviertelheimlich vom Rand, Yücel läuft zum Gegenangriff über – Flüssigkeit spritzt auf Latz, Glas birst auf Boden, Handbesen kommt blitzartig zum Einsatz. Wären wir dann so weit?
Herr Yücel, Sie haben sich am Freitag mit einem großen Knall als PEN-Präsident verabschiedet und danach bei Twitter dargelegt, was und wen sie dort alles nicht mehr aushalten. Ihr letztes Wort?
Deniz Yücel: Auf Fragen nach internen Auseinandersetzungen im PEN habe ich lange Zeit gesagt: Über Internes sprechen wir intern. Nur wurden die Falschbehauptungen irgendwann so viel, dass ich meine persönliche Integrität verteidigen musste – und dabei immer versucht habe, die Interessen des Vereins zu wahren. Jetzt fühle ich mich nicht mehr verpflichtet, Schaden vom PEN abzuwenden. Und ich glaube, die Öffentlichkeit hat Anspruch zu erfahren, wie es um den deutschen PEN in Wirklichkeit bestellt ist, schließlich wird ein Projekt des Vereins mit Steuermitteln finanziert. Und das Ganze hat wehgetan. Es war nicht einfach, bei alledem Contenance zu wahren.
Das war Contenance?
Ja, jedenfalls für meine Verhältnisse. Ich bin kein Grüßaugust und kein Verwaltungsbeamter. Was ich mache, mache ich mit Leidenschaft. Aber bei ein paar Sachen bin ich empfindlich: Wenn ich zum Beispiel auf die Frage, warum ich eine in Paris gestrandete südsudanesische Autorin dort abgeholt habe, antworte, dass sie Angst hatte, allein über die Grenze zu fahren – und diese Leute, die den PEN dominieren, darauf mit Hohn und Spott reagieren. Abstoßend. Das wühlt mich viel mehr auf als Bemerkungen von Vereinsmitgliedern über mich wie „Gastarbeiter“ oder „gebürtiger Türke und vielleicht deshalb so aggressiv“.
Womit genau fing der Konflikt PEN/Yücel an?
Damit, dass der damalige Generalsekretär des Vereins, Heinrich Peuckmann, einen Privatkrieg aus verletzter Eitelkeit begann. Er ist, wie er nicht müde wird zu betonen, Vielschriftsteller und Autor von mehr als 60 Büchern, und ich bin mir sicher, Ihre Leserinnen und Leser werden ihn aus regelmäßigen Rezensionen in der Süddeutschen kennen…
… Herr Yücel …
…und mit Heinrich Peuckmann sowie der Vorstandskollegin Astrid Vehstedt gab es eine Eskalation, die ich auch bedauere, weil ich zu spät die grundsätzliche Aussprache gesucht habe. Ich habe, anders als die beiden, Fehler eingeräumt und Verantwortung übernommen. Aber im Kern ging es um sachliche Konflikte und fachliche Qualifikation, insbesondere mit „Writers in Exile“…
… einem Programm zum Schutz bedrohter Autoren, das der PEN seit mehr als 20 Jahren betreibt mit zweckgebundenen öffentlichen Mitteln, inzwischen mehr als 600 000 Euro im Jahr.
Die Auseinandersetzung war: Gehört „Writers in Exile“ zum PEN oder ist es ein eigener Bereich? Es geht da um Fragen wie: Wen nehmen wir ins Programm auf? Wessen Veröffentlichungen in welchem Verlag werden gefördert? Wo unterhalten wir Wohnungen? Das sind nicht nur Verwaltungsfragen, das hat Auswirkungen auf die Menschen, denen dieser Verein vorgibt zu helfen. Ein Beispiel kurz vor meiner Zeit: Der belarussische Autor Sasha Filipenko, meines Erachtens ein kommender Nobelpreiskandidat, wollte in dieses Programm. Die Geschäftsstelle des PEN wies ihm eine Wohnung in Kamen zu – wo PEN-Generalsekretär Peuckmann lebt. Und auf dieser Kölner Veranstaltung im März, wo ich beinahe den Dritten Weltkrieg angezettelt hätte…
… der Lit.Cologne, wo Sie eine von der Nato durchgesetzte Flugverbotszone über der Ukraine forderten, was Ihnen viel Kritik auch aus dem PEN einbrachte…
… genau. Da war auch Sasha Filipenko auf dem Podium. Später erzählte er mir, was vorgefallen war. Er sagte, seine Frau und er hätten die Wohnung in Kamen abgelehnt, weil sie dachten: In dieser Kleinstadt gehen wir zugrunde. Er sei nicht vor Lukaschenko geflohen, damit ihm noch irgendwer befiehlt, was er tun und lassen soll. Er hat dann etwas Befristetes in der Schweiz bekommen, sein Aufenthaltsstatus ist weiterhin unklar. Als wir dann im Präsidium darüber sprachen, sagte mein Vorstandskollege Joachim Helfer: „Wir suchen keine Mieter für Wohnungen, wir helfen verfolgten Autoren unter anderem dadurch, dass wir ihnen Wohnungen zur Verfügung stellen.“ Darum ging es.
Was ist Ihre Lehre daraus?
Der PEN schmückt sich mehr als 20 Jahren mit diesem Programm. Mit meinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern im Präsidium wollte ich diese Arbeit besser machen, denn der Verein erledigt sie – das muss man einfach sagen – sehr schlecht für das viele Geld, was er dafür bekommt, und im Vergleich zum Verwaltungsaufwand. Da werden zum Beispiel Lesungen organisiert, zu der eine Handvoll Zuschauer kommen, was den Zuständigen aber egal ist, weil ihnen die Erfüllung der Planvorgabe reicht. Zudem wird auf intransparente Weise an den Gremien des Vereins vorbei über die Verwendung von Steuermitteln entschieden. Ich glaube, die Bundeskulturbeauftragte Claudia Roth und die Bundesregierung wären gut beraten, dieses tolle Programm einem Träger zu übergeben, der es effektiver, professioneller und mit mehr Empathie macht.
Sie beklagen darüber hinaus einen „kolonialherrenhaften Umgang“ mit Stipendiaten. Was meinen Sie damit?
Was muss man von einem Verein halten, dessen Generalsekretär der russischen Autorin Angelina Polonskaja am Abend des 24. Februars bekräftigt, dass ihr Stipendium beendet wurde und ihr Visum ablaufen würde und sie zurück nach Russland müsse? Wenn auf mein Eingreifen – und auf meinen Verweis auf die neue Situation durch den Ukraine-Krieg – Angelina Polonskajas angebliche Verfehlungen aufgelistet werden, die sich lesen wie Klassenbucheinträge? In dieser Diskussion habe ich gesagt: Wir machen Solidarität nicht von Wohlverhalten abhängig. Für Angelina Polonskaja haben wir dann eine Zwischenlösung gefunden. Das Gespräch mit ihr war für mich das schwerste nach meinem Rücktritt. Aber ich bin ja nicht aus der Welt. Diesem Verein bin ich keine Loyalität mehr schuldig. Ihr schon.
Gab es weitere Fälle?
Leider ja. Stella Nyanzi, die auch in Gotha gesprochen hat, wurde im Uganda wegen eines Gedichts auf Facebook verhaftet, sie saß ein Jahr im Knast, dann bot man ihr an: Du kommst raus, wenn du kooperierst und deinen Fehler eingestehst. Sie sagte Nein und saß deswegen noch länger im Knast. Und so jemandem wird von der „Writers in Exile“-Beauftragten Astrid Vehstedt gesagt: Nicht twittern, Klappe halten. Das ist kolonialherrenhaft, das ist mangelnde Empathie und eine politische Bankrotterklärung.
Was ist, aus Ihrer Sicht, am PEN alles kaputt?
Die Diskrepanz zwischen der Realität des PEN und der Ahnengalerie, die man dort vor sich herträgt mit Alfred Kerr und Dolf Sternberger und Heinrich Böll, ist riesig. Die Realität des PEN besteht darin, dass er in Geiselhaft genommen wurde von einem Haufen selbstgerechter, lächerlicher Möchtegernliteraten, die diesen Verein brauchen, um sich selbst als Teil der literarischen oder publizistischen Elite zu wähnen. Dafür pflegen sie diesen Popanz, um sich selbst im Abglanz des Honorationenhaften aufzuwerten. Und dazu nutzen sie das von Steuermitteln geförderte Programm, um sich als Wohltäter zu fühlen, ohne sich für die verfolgten Autoren wirklich zu interessieren. Die Mehrheit im PEN gehört solchen Leuten. Ich nenne keine Namen, Sie würden sie eh nicht kennen.
So etwas lässt sich ja immer ändern.
Das haben wir versucht. Und eine Reihe von namhaften deutschen Autorinnen und Autoren haben uns dabei unterstützt und an dieser Tagung teilgenommen, viele von ihnen zum ersten Mal.
Jetzt waren Sie ja der Präsident.
Das für mich Neue und Reizvolle war die Möglichkeit, die eigenen Erfahrungen und meine eigene Geschichte in einer sinnvollen Weise zu nutzen. Es reicht ja nicht, irgendwelche VIP-Leute in der Politik direkt anrufen zu können. Ich bin Journalist, jemanden anrufen zu können, ist nichts Besonderes, Scheißefinden und Besserwissen ist unser Job. Doch dann ergab sich diese Möglichkeit, im Sinne der Werte des Vereins verfolgten Kolleginnen und Kollegen praktisch zu helfen. Das war für mich neu, das war reizvoll. Klar habe ich auch meine zwei Cents zum Ukraine-Krieg abgegeben. Aber das war für mich nur Zugabe, dafür brauche ich den PEN nicht.
Aber dann steht doch im Ergebnis: Sie können nicht mehr machen, was Ihnen wichtig ist, weil Sie die Funktion nicht mehr haben, die es dafür braucht. Ist das nicht der größere Schaden?
Natürlich. Aber es ging nicht mehr.
Warum war es keine Möglichkeit, die Härten auszuhalten, für die höhere Sache?
Das habe ich in den vergangenen Monaten gemacht. Aber ich habe mich am Freitag, obwohl der Abwahlantrag gegen mich gescheitert war, zum Rücktritt entschlossen, weil der Antrag gegen Heinrich Peuckmann mit noch größerer Deutlichkeit scheiterte, gegen einen, noch einmal, in jeglicher Hinsicht indiskutablen Generalsekretär. Dann wurde mein Vorstandskollege Joachim Helfer, der ein toller Mensch ist und nicht nur als Schatzmeister einen großartigen Job gemacht hat, abgewählt, und es brach Johlen und Feixen los. Die Abwahl von Ralf Nestmeyer, der dritte Vorstandskollege und einer der erfolgreichsten Reisebuchautoren in Deutschland, wurde damit begründet, dass er sich zu sehr um politische Gefangene und zu wenig um die Literatur gekümmert habe. Anders gesagt: dass er seine Arbeit als „Writers in Prison“-Beauftragter gemacht hat. Was diese Leute mit literarischen Aufgaben des PEN meinen, sind zum Beispiel Videos mit dem Titel „Literarische Plätzchen“ für eine Handvoll Klicks auf Facebook. Jedenfalls waren wir in der Mehrheit dieses Präsidiums ein tolles Team. Als das zerschossen wurde, dachte ich: Nee, ich will nicht mehr.
Wie geht es Ihnen jetzt mit dem Rücktritt?
Es tut schon weh. Zum einen die Art der Auseinandersetzung. Aber es tut auch weh, weil ich diese Aufgabe gerne gemacht habe und diese Kombination PEN und ich gut hätte passen können. Aber es war von der Mehrheit nicht gewollt. Okay. Ich bin zwar auch erleichtert, dass es vorbei ist, aber ich nehme Verletzungen mit. Was nachhallt, ist auch der Auftritt von drei Mitarbeitern der Geschäftsstelle…
… der Vorwurf von Mobbing wurde gegen Sie erhoben. Eine Kollegin sagte am Freitag in Ihre Richtung und die des Vorstandes: Ihr habt mich nicht gesehen.
Ich hatte mit ihrem Arbeitsbereich praktisch keinen Kontakt, dafür gab es nie eine Veranlassung. Und als wir als Präsidium zwei Mal um Aussprache baten, gehörte sie zu den Mitarbeitern, die das abgelehnt haben. Inzwischen weiß ich: Dieser Auftritt war inszeniert von Leuten, die diese Mitarbeiterin wochenlang bearbeitet und instrumentalisiert haben. Zwei andere Mitarbeiter haben mir hinterher gesagt, dass sie meinen Rücktritt bedauern. Ich hätte mir gewünscht, dass auch sie sich zu Wort gemeldet hätten. Aber ich verstehe, dass sie als Angestellte das gescheut haben. Ich habe sie auch nicht gebeten. Meine Kämpfe führe ich selber.
Inszenierung, Polemik – das wird auch Ihnen vorgeworfen.
Ach, Polemik, da gibt es ein schönes Wort von Hermann Gremliza: Die Polemik ist ein Stilmittel der Aufklärung und als solches in Deutschland ebenso unbeliebt wie die Aufklärung selbst. Ich bin in diesem Sinne ein Freund von Polemik. Und Show: Warum nicht? Das war ja der Auftrag an mich: Höhere Aufmerksamkeit für den PEN! Aber eine geplante Inszenierung, ein Schlachtplan für die Jahrestagung – den hatte ich nicht, das war vielleicht ein Fehler.
Den hatten sie wirklich nicht?
Nein. Ich wollte auch deswegen, dass die Kamerateams nach der Begrüßung die Tagung verlassen, weil ich kein Interesse daran hatte, dass diese Irren und Wichtigtuer die Gelegenheit nutzen würden, in die „Tagesthemen“ zu kommen und den Verein der Lächerlichkeit preiszugeben. Wäre ich noch Präsident, würde es mir leidtun, dass ich es nicht geschafft habe, sie davon abzuhalten, noch vor der Begrüßung loszulegen. Jetzt finde ich es gut, dass man diese Bilder vom PEN gesehen hat, weil seine Realität genau das ist – er ist nicht die altehrwürdige Schriftstellervereinigung. Also, alt ja, ehrwürdig weniger. Der PEN wird dominiert von einem Haufen Spießern und Knallchargen, die sich jetzt freuen dürfen, ihren Verein von Türken und Schwulen zurückerobert zu haben.
Ausgeschlossen, dass Sie Ihren Rücktritt in ein paar Tagen bereuen?
Ja, ich habe einen Job bei der Welt und ein Privatleben. Am Ende meiner Rede habe ich gesagt: Take it or leave it, PEN. Der Verein hat sich gegen mein Team und damit gegen mich entschieden. Man war gerade so bereit, mich als prominente Galionsfigur für diese Bratwurstbude zu dulden. Aber dafür stehe ich nicht zur Verfügung.
Wie ist der PEN zu retten?
So gut ich die Idee PEN finde und seine Werte, fürchte ich: Dieser Verein ist nicht mehr zu retten.“
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Deniz Yücel ergänzt auf Facebook, 16.5.:
In dem SZ-Interview von Cornelius Pollmer in Sachen PEN [alle Links folgen unten] ist eingangs diese Szene beschrieben:
„Der am Vortag als PEN-Präsident zurückgetretene Deniz Yücel hat soeben an einer Podiumsdiskussion des PEN teilgenommen und seinen Vor-Vor-Vorgänger Johano Strasser nach wirklich allen Regeln der Redekunst angepöbelt. Kurz vor dem Interview ein letzter Zwischenfall. Ein weiteres PEN-Mitglied fotografiert Yücel dreiviertelheimlich vom Rand, Yücel läuft zum Gegenangriff über – Flüssigkeit spritzt auf Latz, Glas birst auf Boden, Handbesen kommt blitzartig zum Einsatz.“
Darum ein paar Takte zu Flüssigkeit, die auf Latz spritzt, Glas, das auf Boden birst und zum dreiviertelheimlich fotografierenden PEN-Mitglied namens Volker Skierka.
Dieser Szene voraus ging ein fröhlicher Moment: Alles war vorbei, wir machten ein Bild mit den Ex-Präsidiumskollegen Ralf Nestmeyer, Joachim Helfer und Nikola Anne Mehlhorn [Foto #1], dann lagen Nikola und ich uns in den Armen [#2]. Simone Buchholz war dabei, ein paar andere, Nina George machte Fotos… Dann sah ich, dass Skierka uns aus einigen Metern Abstand grinsend fotografierte.
Also ging ich zu ihm und wies ihn darauf hin, dass er mich ohne meine Erlaubnis nicht fotografieren dürfe, entriss ihm sein Weißweinglas, kippte ihm den Inhalt aufs Hemd und knallte das Glas auf den Boden. Sollte die Überzeugungskraft meines Einwands stärken, tat es auch.
Skierka, einer der Grillmeister in der PEN-Bude, hatte noch in der Nacht vor der Mitgliederversammlung in einer Mail an alle PEN-Mitglieder Kakwenza Rukirabashaija als „einen aus Afrika entkommenen PEN-Schützling“ bezeichnet.
In einer anderen Mail an alle PEN-Mitglieder beschimpfte er vor einigen Wochen Jana Hensel als „Groupie“, weil ihm ein Interview, das sie mit mir für DIE ZEIT geführt hatte, nicht gefiel.
Manche Leute meinen, sie könnten sich unentwegt Unverschämtheiten und Grenzüberschreitungen aller Art erlauben – und sich, sobald sie auf eine angemessene Reaktion stoßen, zum Opfer stilisieren. Kommt man heute oft durch, mit dieser Nummer. Aber halt nicht immer.
Außerdem ein Wort zum Foto [#3]: Ich wurde gefragt, ob der Herr im Bild (Prof. Dr. Christoph Nix) in dieser Szene mir droht, mich anklagt oder mich belehrt. Antwort: Alles. Aber vor allem macht Christoph Nix das, was er am besten kann: Er geht anderen Leuten auf den Keks.
Ferner eine Beobachtung meines WELT-Kollegen Marc Reichwein
in seinem Bericht von der PEN-Tagung in Gotha: „Die Giftigkeit, mit der Yücels ‚publikumswirksame Aktionen‘ von manchen PEN-Mitgliedern auf der Tagung kritisiert wurden, und die Beharrlichkeit, mit der einige den Namen ihres türkischstämmigen Präsidenten immer wieder neu falsch aussprachen, deutet an, dass sie mit ihm und seiner ganzen Herkunft eventuell ein grundsätzliches Problem hatten.“
(Tagungsort war übrigens das Friede-Springer-Haus [#4] , ein Nebengebäude der Heinrich-Heine-Bibliothek in Jena. „Alles daran ist schön“, würde Frédéric Schwilden sagen.)
Und: Friedrich C. Delius erklärt in der FAZ.NET, warum er nach 50 Jahren aus dem PEN austritt: „Nie hätte ich gedacht, dass der PEN so tief sinken könnte, einen derart tapferen und klugen Mann wie Deniz Yücel öffentlich zu demütigen (mit einer Abstimmung von 75 zu 73 für ihn), so dass diesem aufrichtigen Präsidenten, was immer er zu dem einen oder anderen Kleingeist gesagt haben mag, nichts anderes als Rück- und Austritt übrig blieb. (…) Die 73 Mitglieder, die gegen ihn gestimmt hatten, sind für mich ein Club von Kleingeistern, (…)“
[Wir sind uns nie begegnet, darum erst recht: ❤️]
And finally – ich hatte ihn schon fast vergessen –, Volker Skierka, [#5] unmittelbar nachdem er erfahren hat, dass Unverschämtheiten und Grenzüberschreitungen Folgen haben können. Jetzt wieder einer der Hausherren in der Bratwurstbude PEN. Und prima geeignet für antirassistisch-feministische Twitter-Soli.
LINKS:
* SZ-Interview [be der SZ mit Paypall]: https://www.sueddeutsche.de/…/deniz-yuecel-pen…?
* Dasselbe Interview im Wortlaut für lau auf Facebook,
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