Musik

HAUSMUSIK IM FERNSEHN

6 Minuten 14 über „Eines der wichtigsten deutschen Indie-Labels“, welches „kommt aus Landsberg am Lech. ‚Hausmusik‘ – 1991 von Wolfgang Petters gegründet. Legendäre Bands wie Calexico und Lali Puna starteten dort ihre Karriere.“ Mit Calexico, Marion „Jimmy Draht“ Epp und Wolfgang „A Million Mercies“ Petters in historischem Ambiente.

https://www.ardmediathek.de/video/capriccio/das-hausmusik-label/br/



THE 39CLOCKS (MIT 49 YEARS)

Eine Sensation – jedenfalls für uns Randfiguren an den Außengrenzen der Popmusik: Die neue Nr.49 des monatlichen online-Bulletins The Skai Report ist ganz der Band 39Clocks gewidmet. Es gab sie nicht lang, ihr Werk ist nicht riesig, aber sie gehören immer noch zum Besten, was Germany seit den frühen 80ern und jemals anzubieten hatte.

„…mir fiel zufällig auf“, schreibt Herausgeber Hollow Skai, auf dessen No Fun-Records 1980 die erste Single erschien, einleitend, „dass die Clocks in diesem Juni ihren 49. Geburtstag feiern könnten – als The 49 Clocks. Et voilà – here’s The 49 Clocks Issue. Natürlich in klassischem Schwarzweiß. Aber sehr unserem Motto entsprechend: Von Ehre ohne Ruhm, von Größe ohne Glanz, von Würde ohne Sold. Die Texte stammen ausnahmslos von JG39 und CH 39, die hier erstmals in ihrer eigenen Schreibe über ihre Anfänge und ihr Ende als The 39 Clocks Auskunft geben und erzählen, was sie heute so (nicht) machen.“

Interessierte beantragen die kostenlose 49Clocks-Ausgabe (oder ein kostenloses Skai-Report-Abonnement) bei: email hidden; JavaScript is required

Das 39Clocks-Gesamtwerk erschien 2019 auf 5 LP/CDs, auch mit unveröffentlichten Live- und Outtakes: https://shop.tapeterecords.com/the-39-clocks-next-dimension-transfer-3235

Ich hatte die 39Clocks erst mit ihrer „Aspetando Godo“-Single zum zweiten Album Subnarcotic 1982 mitbekommen und war überwältig davon, wie sie, bei aller Punk-Inspiration (die sowieso nie zu linientreuem Abrocken geführt hatte), Punk überwunden hatten und schon viel weiter waren (was ich in meinem letzten Roman Ein Sohn von zwei Müttern beschrieben habe), wofür sie von in engen Grenzen stehengebliebenen Punks auch angegriffen wurden (wie in der 49Clocks Issue berichtet wird) und weswegen wahrscheinlich ihr Konzert im Münchner Café Größenwahn, das in meiner Rubrik „Konzerte meines Lebens“ in der Spitzengruppe steht, damals nicht so gut besucht war. Ausgerechnet diese beiden Musiker, deren Wirkung (auch mit den Ableger-Bands Exit Out, The Beauty Contest, The Cocoon) viel größer ist, als es den Anschein hat, haben sich aus der sog. Öffentlichkeit ferngehalten, wenn´s dann und wann mal ´ne Gelegenheit gegeben hätte… Umso größer die Freude, dass sie bei diesem Skai Report No49 nicht nur mitspielen, sondern immer noch gute Typen sind, weiterhin gewitzt, eigensinnig, offen oder sogar brutal offen, nicht zu vereinnahmen und auf kein, von welcher Seite auch immer, Bundesverdienstkreuz scharf.



DER GHETTO-SWINGER

ist der Titel der Memoiren des Jazzgitarristen Coco Schumann, der heute vor 101 Jahren in Berlin geboren wurde. Nachdem er, vor allem dank seiner musikalischen Fähigkeiten, einige Konzentrationslager der Nazis überlebt hatte, wurde er der erste Elektrogitarrist in dem Land, das nichtmal scheinbar entnazifiziert worden war.

Auch 50 Jahre nach der Kapitulation enden seine Erinnerungen ohne Happyend: an einem schönen Sommerabend setzt er sich an einen Tisch zu freundlichen jungen Leuten und als dann auch über Politik geredet wird, legen sie los mit dem „Ausländerproblem“ und „schon wieder Scherereien mit dem Weltjudentum“ und dann sagt einer „schließlich wisse jedes halbwegs kluge Kind, Auschwitz sei eine einzige große Lüge“, und Coco Schumann verabschiedet sich mit den Worten „ich weiß es besser. Ich war da.“, und als er 2018 starb, war´s nicht besser geworden.

Sein musikalisches Spätwerk und Compilations mit Archivaufnahmen bei Trikont:

https://trikont.de/shop/?product_cat=coco-schumann



ES IST EINFACH SO EINFACH

Vom Chef dieses Blockhauses wurde der Befehl erteilt, nur noch („gerade in diesen Tagen!“) positive Nachrichten zu verbreiten. Da geht die Redaktion Popkultur natürlich besonders eifrig vor und die Werbung einer Bekleidungsfirma schlägt alles:

„Anziehen. Aufdrehen. Rockiger Pullover 69€“

(Weil das kritischen Konsumenten nicht genügen kann mit informativem Hintergrundwissen: „Ein bisschen Rockstar-Attitüde. Es gibt sie, diese ikonischen Kleidungsstücke, die wir automatisch mit den Rockstars verbinden, die sie populär gemacht haben. Wer denkt bei Jeanshemden mit abgerissenen Ärmeln nicht sofort an (…) Oder bei offenen Karohemden an (…) Bleibt festzuhalten: Es gibt Kleidungsstücke mit Rockstar-Potenzial.“)

Da müssen Spekulationen zu Alexander Hacke, der das Gebäude Neubauten verlassen hat, untern rockigen Tisch fallen („Weil er kein Bundesverdienstkreuz bekam“ – „Glaub ich nicht“ – „Glauben heißt Nichtwissen“ – „Du hast keine Ahnung“ etc)



DER LETZTE MACHT

das Licht aus“ war eine legendäre Radiosendung von Karl Bruckmaier auf Bayern2 und nachdem er in den Ruhestand ging bzw. eher nicht, macht er das live: Erinnerung an die verstorbenen Musiker*innen des vergangenen Jahres. Eine immer viel zu lange Liste mit vielen Sounds und natürlich angemessen warmherzigen & bissigen Kommentaren. Zwei großartige Stunden kriegense hier:

28.12.   Optimal, München 20 Uhr

4.1.        Kulturwirtschaft Walden bei Augsburg 20 Uhr

6.1.        Club W71 Weikersheim 15 Uhr

7.1.        Bernsteinzimmer Nürnberg 20 Uhr



NILS KOPPRUCH (28)

Nils Koppruch, Singer-Songwriter und Maler, starb am 12. Oktober 2012 völlig unerwartet wenige Tage vor seinem 47. Geburtstag.

An dem Tag wollte ich morgens grade aus der Tür gehen, um zum Bahnhof zu gehen, um unsere Tochter in München zu besuchen, als ihr Anruf kam, und ich dachte, es wäre ihr was dazwischen gekommen, aber uns allen war was dazwischen gekommen, Nils ist gestorben, sagte sie, das habe sie grade von einem Musikerfreund erfahren, aber ich konnte es nicht glauben, aber dann hatte ich auch schon eine Mail mit der Nachricht, und dann konnte ich nicht mehr rausgehen, stand mit Mantel und Mütze so da, und es kommt mir manchmal so vor, als würde ich immer noch so dastehen und nicht rauskönnen und  kanns immer noch nicht glauben, wenn ich immer mal wieder an ihn denken muss, das kann doch nicht wahr sein, ich wache jetzt auf und habe mal wieder irgendeinen verdammten Unsinn geträumt.

* * *

Nils Koppruch veröffentlichte mit seiner Band Fink von 1997-2005 sieben Alben, danach drei Solo-Alben, ehe er mit Gisbert zu Knyphausen die Band Kid Kopphausen gründete, deren Album „I“ im August 2012 erschien. Koppruch starb wenige Wochen nach der ersten und sehr erfolgreichen Tournee. 2014 erschien bei Trocadero eine Werkausgabe inklusive der Doppel-CD „A Tribute to Nils Koppruch + Fink“ mit Einspielungen von Fehlfarben, Bernadette La Hengst, Olli Schulz, Kettcar u.v.a. NEU im September 2022 bei Trocadero Records: Alle Fink-Alben auf Vinyl anlässlich des 10. Todestags von Nils und des 25-jährigen Jubiläums der Band.



KRIS KRISTOFFERSON REST IN PEACE

Der große und (neben Harlan Howard) größte Poet unter den (Country-)Songwritern verstarb vorgestern im Alter von achtundachtzig Jahren, und seine Songs sind so groß, dass sie auch von seiner großen Filmkarriere (* siehe unten) nicht überschattet wurden, sie sind forever. Manche Songs wurden mit Elvis, Janis, Johnny, Ray oder Waylon so legendär, dass sie ihnen und nicht Kris Kristofferson zugeschrieben wurden, und sie wurden und werden quer durch alle Reihen von Reggae bis Punk immer wieder und weiter gespielt.

Songs mit soviel Blues, dass man Warnschilder aufstellen könnte – und Songs wie „The Law is for Protection of the People“ (und nicht, um blindwütig prügelnde Cops zu schützen). Er hatte die Courage, sich auch, ohne Musik, frontal mit dem reaktionären Amerika anzulegen. Ein Beispiel: „Das Indian Movement konnte nach der Belagerung von Wounded Knee 1973 nur in gemäßigter Form weiterarbeiten. Einer der Anführer, Leonard Peltier, ist bis heute trotz katastrophaler Beweislage inhaftiert wegen Mordes an zwei FBI-Beamten… Willie Nelson und Kris Kristofferson haben mehrmals Benefizkonzerte für Peltier unterstützt…“ (zitiere ich aus meiner Cash-Biographie).

* Wie es in der Tagesschau-Meldung so schön heißt: „In Sam Peckinpahs Western ‚Pat Garrett and Billy the Kid‘ von 1973 spielte er zusammen mit James Coburn die Rolle des berüchtigten Outlaws.“



ECHOKAMMER VOL 100 FEIER

Das Münchner Label Echokammer, die Zentrale für The Sound of Munich Underground, feiert nach 24 Jahren seine 100. Veröffentlichung mit einer Doppel-LP (für die ich die Ehre hatte, Liner Notes beizusteuern) – und feiert live im Giesinger Bahnhof am 20.9. ab 19 Uhr: „22 Echokammer Bands spielen live je 1 Song“ (*)

Auszug aus meinem Jubiläumstext: Was unheimlich Bizarres passierte mir, als ich jetzt die 100 Echokammer-Teile (und damit einen erheblichen Teil meines Musiklebens) durchcheckte und plötzlich dachte: „Deutschland. Aber normal.“ Dieser Slogan der Neonazis ballerte mir in den Kopf. Verdammt fuck you, fluchte ich, kann man denn nicht mal mehr in Ruhe dieses Jubiläum feiern! Warum hat mich dieser so blöde wie feindselige Spruch angefallen wie ein Kampfhund? Weil aus der Echokammer die Tracks & Songs & Sounds kommen, die diese „Aber normal“-Germanen verachten und, wenn sie könnten, verbieten würden. Sie hassen die Lebensmittel, die uns die Echokammer liefert: das Unberechenbare-Unerwartete-Unfassbare, und das alle möglichen Grenzen Einreißende, und das Traditionen Durchleuchtende und Zerlegende, und das über angebliche Normen Lachende, und nicht zu vergessen diese Experimente, die sich sogar bis in Gelände vorwagen, in die vielleicht kaum noch jemand mitgeht, was man ja aber nicht wissen kann, wenn man´s nicht riskiert. Die Freiheit der Kunst wird nicht nur mit klaren Worten zu schönen Pianoklängen verteidigt.

(*) Aus gut unterrichteteten Kreisen habe ich erfahren, dass für jede Band eine eigene Arena aufgebaut wird, die nach dem Song sofort wieder abgebaut wird.



PUNK DAMALS&HEUTE

Über diverse Veröffentlichungen zu Punk in der DDR ein ausführlicher (und wie immer sehr guter) Artikel von Ulrich Gutmair – der übrigens am 4.6. im Kleinod (Berlin/Neukölln) auf Einladung von „Punks Against Antisemitism“ zusammen mit taz-Redakteurin Tania Martini das Buch über den Hamas-Terrorangriff „Nach dem 7. Oktober – Essays über das genozidale Massaker und seine Folgen“ (Edition Tiamat) vorstellt.

https://taz.de/Geschichte-von-Punk-in-der-DDR/!6009166&s=punk+ddr/

Darum gehts zu „damals“:

„Magnetizdat DDR“ und „Tanz den Kommunismus“, Verbrecher Verlag 2023/24. Zu „Magnetizdat“ wurde eine gleichnamige Dreifach-LP veröffentlicht.

„Betreten auf eigene Gefahr. Schleimkeim-Songcomics“, Ventil Verlag 2023.

Der Schlagzeuger von Zwitschermaschine: „Rom“, Rundling, 2021.

Rosa Extra: „Extrakte 1980–1984“, Edition Iron Curtain Radio / Major Label, Edition Tapetopia / aufnahme + wiedergabe 2023.



TRIKONT HAUT INS AUGE

und lässt bei allen gegenwärtigen Produktionen auch das Beste aus der Vergangenheit nicht ruhen, denn: Good taste is timeless! Deshalb ist Trikont das unverwüstliche älteste deutsche Independent-Label:

# Alle vier Alben der großartigen Hamburger Rockfrauenband Die Braut haut ins Auge (mit Bernadette LaHengst und Peta Devlin) sind digital wieder erhältlich (nachdem die Vinyls von einem Major-Label in den 90ern verschrottet wurden, wie man´s eben so macht, wenn man sich nicht für Musik interessiert).

# Das 85 auf Trikont erschienene Album „Lovin´Is Easy“ von DreiEier gibt es wieder auf Vinyl, weil es bis heute so elegant wie intelligent ist und keine Spur verstaubt von irgendeiner deutschen Welle.

https://trikont.de/shop/artists/drei-eier/dreieier-lovinis-easy-reissue-coloured-vinyl/

https://trikont.de/allgemein/die-braut-haut-ins-auge-alle-alben-digital/