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JA JA JA

der KFc war da!!!

Und das war, ich bin ja immer so nett zu allen, die sich dem Studium der spätmitteralterlichen Punkographie verschrieben haben und mich dann halbtot fragen, von 1978-82, und wenn jemand glaubt, mir etwas Neues zu erzählen, wenn er mich darauf hinweist, dass ich nie ein Konzert von ihnen gesehen habe, dann täuscht er sich.

Ich kann im Moment mein Heft nicht finden, in dem ich jedes Konzert in Ampermoching oder beim Hirschwirt oder im Lindenkeller genau dokumentiert habe, mit Musikerbesetzungslisten und persönlichem Konsum und den Telefonnummern der kleinen, aber bösen Serviererinnen links hinten, bin mir aber reichlich sicher, der KFc war nicht dabei.

Dafür gibt es jetzt die 5-CD-Box „Nur Deppen sterben jünger, trink aus, Herr Frisör!“ mit allem, was der KFc jemals verbrochen hat, egal ob Demo, Single oder Film. Sehr schön, sehr sorgfältig gemacht bei Nostalghia Explosions, eigentlich das einzige Label weit und breit, das weiß, wie man sowas machen muss. Ehre, wem Ehre gebührt! Wir werden den KFc niemals vergessen!



WAHNSINNIG

muss man doch werden, wenn man nur seine allernächste Umgebung einmal ganz genau durchkämmt.

Plötzlich finde ich also in so einem Stapel Papier die in eigenhändiger Tipp- und Copyarbeit vom 1. Vorsitzenden Tommi Stumpf hergestellte Nr.1 der KFC-Post, auch bekannt als „das fachblatt für bürokratische diktatur“, erschienen womöglich so 1979.

Ich hatte ganz vergessen, dass er sich auf diesen sechs Seiten auch als talentierter Dichter präsentierte: „am ersten tag schuf gott die kneipe“ – ich kürze jetzt etwas ab – „am 2. schuf gott das faß / am 3. den alkohol / am 4. den kellner / am 5. das glas / am 6. tag war der alkohol weg / am 7. tag sprach gott: scheiße, der KFc ist da!“

Und nahe dem KFc-Organ finde ich dann eine 23 Seiten lange Erzählung von Silvia Szimanski, geschrieben, bevor sie ein Buch veröffentlichte. Kein Titel, so gehts los: „Hans hatte den ganzen Tag lang in der Autoschlosserei gearbeitet, und die Sonne hatte ihn zwischen den Beinen geküßt und erregt wie eine Zunge“.

Und dann finde ich dem Kraudn Sepp seinen Hut, also den originalen Kraudn Sepp-Hut! Kann das vielleicht jemand fassen?!

Okeh, der Hut war jetzt aber dann doch erfunden.



WAS SOLL MAN DENN

an einem sonnigen Herbsttag anderes machen, als sich ein altes Gedicht vorzunehmen und es um- und womöglich sogar besser zu schreiben?
HEY CHARLOTTE                                               für Tilman Rossmy

Charlotte ist fünf Jahre alt
eine Freundin meiner Tochter
und sie kam zu Besuch
und ich sagte zu ihr

Hey, Charlotte
hör doch mal dieses Lied
das heißt Charlotte
genau wie du.

Der Rossmy Tilman hat´s geschrieben
und er singt es jetzt
mit seiner Band
nur für dich.

Hey, Charlotte
schön dich zu sehn
es gibt nicht so viel zu erzähln
aber die Tür steht offen.

Charlotte war etwas ratlos
aber sie hatte ja auch
ihren Namen schon oft gehört.
Nicht schlecht, sagte sie.

Hey, Charlotte
du bist ´n tolles Mädchen
ihr zwei seid toll
nur musikalisch etwas zickig
doch das ist okeh.

(1994-2009)



HAMMERMELDUNGEN

Manchmal steht auf der Titelseite eine Headline, von der wir glauben, dass wir ihren Inhalt sofort korrekt in den Kopf laufen lassen und ordnungsgemäß ablagern; dann jedoch stellen wir fest, es dauert Wochen, bis wir den Sinn der Meldung auch nur annähernd erfassen, mit dem Verdacht, ihn niemals vollständig verstehen zu können.

Anfang Oktober habe ich mir zum ersten Mal den neuen bzw. nicht mehr ganz so neuen Freitag gekauft. Angelockt von einer Hammerheadline auf der ersten Seite, die dann im Blatt angemessen breit ausgebreitet wurde.

„Dieter Meier hat mit Boris Blank als Duo ‚Yello‘ vor 30 Jahren Techno erfunden.“

Ich dachte mir dann zuerst, dass ich vor 30 Jahren vielleicht doch etwas weniger mit Sex & Drugs & Rock´n´Roll hätte spielen sollen und dafür meiner musikalischen Umwelt mehr Aufmerksamkeit schenken. Aber es war eben eine andere Zeit, und es sieht so aus, als wäre das nicht mehr zu reparieren.

Wenn ich mich recht erinnere, war das am selben Tag, als ich in der Süddeutschen einen sehr guten Artikel über Rainald Goetz las. Dort wurde aus seinem neuen Buch zitiert; auf einer FAZ-Fete wurde er, Goetz, von Hrsg. Schirrmacher angemacht, er habe doch wohl keine Einladung vorzuweisen, sondern sich durch Frauenkontakte irgendwie Zutritt verschafft. Ich habe dann überlegt, wie man dieses Verhalten des Herausgebers nennen könnte, und alle Worte, die mir dazu einfielen, waren knapp und leicht verständlich.

Dann ergab sich ein selten schöner Moment: alle Assistentinnen und Praktikanten dieses Blocks stellten sich vor mir in einer Reihe auf und sangen ein spontan selbstgedichtetes Lied: „Wir wünschen dem Goetz wie schon immer alles Gute – und dem Rest dann doch die Pest!“

Den zweiten Vers hatten sie – meine musikalische Bildung ist ja nun nicht die schlechteste – aus einem Song der Nuts geklaut. Meiner Rührung tat das aber naturellgemäß keinen Abbruch, und ich belohnte sie mit zwei trainingsfreien Wochen.



DALE WATSON HAT

heute den 47. Ring seines Lebensbaums vollendet, und einige Cowgirls und Trucker und auch (etwas seltsam gepolte) Line-Tänzer und Linetanzhasser und nachdenkliche Intellektuelle zwischen Austin, Texas, und Rattlesnake Mjunik Disko wünschen ihm, dass das Beste aus seiner Vergangenheit das Schlechteste seiner Zukunft sein möge.

Und ich kann hier ankündigen, dass im Herbst 2010 bei der Edition Tiamat eine Sammlung meiner Musikartikel erscheinen wird, und dass Dale Watson darin nicht zu knapp vorkommen wird.

Eine schöne Begegnung, als ich ihn eines Nachmittags in der Schweiz interviewen konnte: er war müde vom Jetlag, war natürlich so höflich und freundlich, wie er nunmal ist, aber er war auch in einer jetlagmäßig assoziativen Stimmung, und erzählte, dass er vorhin aufgewacht und auf den Balkon gegangen sei und dann auf einem gegenüberliegenden Balkon minutenlang einer Frau im Badetuch zugesehen habe. „Der Anblick hat mich glücklich gemacht“.

Ich hatte ihn bis dahin für einen im besten Sinn durchaus konservativen Countrysänger gehalten. Jetzt erzählte er von Veränderungen. Er machte eine tiefe Verbeugung vor den Dixie Chicks und ihrer Courage und gestand, dass er diese nicht gehabt hätte. Er lieferte aus dem Stegreif eine Rede, die jederzeit und überall als großartige Lektion gegen Rassismus und dumpfes Denken jeder Art taugen würde. Und er betonte, dass er sowieso schon länger keinen Wert mehr darauf lege, unter Country Music einsortiert zu werden, denn darunter werde allgemein nur noch eine Art konturloser Mainstream verstanden, der in jeder Hinsicht zu verabscheuen sei. Dagegen schätze er die Heavy-Metal-Trash-Band von Hank III und jeden, der seinen eigenen Weg gehe und sich von den blöden Ansagen der Musikindustrie nicht beeindrucken lasse.

Das alles erzählte er vollkommen gelassen und sorgfältig abwägend und ohne sich kurz fassen zu wollen, und ich bekam soviel Zeit wie ich glaubte haben zu wollen.



AN DIESEM TAGE

in der frühesten Frühe habe ich mich gefragt, was machst du jetzt? Carpe diem und so.  Ich schau in den Fernseher, „Payback“, das wird doch wohl wunderbar passen, so ist es, Mel Gibson räumt auf in „Payback“, und mit nichts von dem, was er in „Payback“ wegräumt, habe ich eine Spur Mitleid empfinden können. Lucy Liu ist auch sehr schön in „Payback“, aber jetzt habe ich doch glatt vergessen, überlebt sie in „Payback“ oder doch nicht? Seltsam, dass ich nicht genau weiß, ob Lucy nun in „Payback“ überlebt hat oder nicht. Sicher ist, dass Mel Gibson und seine Freundin am Schluss „Payback“ lebend verlassen. Ich habe dann sogar gesehn, dass RTL2 „Payback“ zweimal direkt hintereinander gezeigt hat. Hut ab, RTL2, weil du zweimal hintereinander „Payback“ gezeigt hast; wenn du heute „Payback“ den ganzen Tag nonstop hintereinander zeigen würdest, würde ich dich für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen. Aber der Tag ist noch nicht zuende, und ich frage mich, was tun? Ich gehe zum Videomann und leihe mir „Payback“ aus. Vielleicht gibt es sogar ein deutsches Remake zu „Payback“? Ich glaube, ich habe mal gelesen, dass Roland Klick eines gedreht hat, ja, wer denn sonst? Oder es war Uwe Schrader? Auch möglich. Sonst niemand. Herzog möglicherweise, bei Herzog muss man immer mit allem rechnen. Ich glaube, es war Herzog, der ein deutsches Remake von „Payback“ gedreht hat. Ich werde mir heute „Payback“ ansehen, abwechselnd das originale „Payback“ und das deutsche „Payback“. Und das wird dann der beste Tag gewesen sein, den ich je hatte.



LEE MARVINs

„Wandrin´ Star“ plätschert leicht aus der Box, morgens um 9h, da erstarrt man schon für eine Sekunde im Frühstücksraum des Hotels, und fragt sich, höre ich richtig? Und wo bin ich?

Zumal am nächsten Tisch Das plärrende Kind sitzt, und etwa einmal pro Minute gescheit plärrt. Das plärrende Kind ist so 11,5 Monate alt. Die Eltern, um die 30, sind beispielhaft geduldig. Haben aber auch sichtbar 11,5 Monate viel Geplärr mitgemacht. Und ich bin mal wieder erstaunt, dass die Menschheit noch nicht ausgestorben ist. Dass der Anblick gequälter Eltern seit Jahrtausenden keine Folgen hatte. Nicht mit mir, muss doch eigentlich jede/r sagen. Aber der Trieb. Gegen diesen Hammer kommt ja einfach gar nichts an.

Das Kindchen plärrt nervenzerfetzend, verstummt schlagartig, glotzt irgendwas friedlich interessiert an, und brüllt wieder auf, und nach Lee Marvin kommt jetzt „Bonanza“, und danach kommt  das Titel-Thema von „Spiel mir das Lied vom Tod“. Ich schwör´s.

Also nicht nur die Meyer´sche Buchhandlung, sondern insgesamt überhaupt ist es der reine Wahnsinn in Weißenburg. Ich glaube, es hätte auch Robert Johnson gefallen.

Für mein Patenkind habe ich einen kleinen Froschkönig aus weichem Gummi gekauft. Mein Patenkind ist erst 1,5 Monate alt. Trotzdem dachte ich, du kaufst einen Gummifrosch, der nicht quiekt, wenn man ihn in der Faust zerquetscht.



WIE BITTE??? ICH SOLL

übertrieben haben, was Shane MacGowan betrifft?!

(Würde ich es wagen, an einem Wahlsonntag irgendwas zu übertreiben? Käme ich vielleicht an diesem Postwahltag auf irgend´ne andere Scheißidee, als den Kopf in den Sand zu stecken und drin zu bleiben ewig – und drei Tage? Bis die Welt endlich leer und okeh?).

Übertrieben? Dann nehmt doch dies:

I was cruel, I was brash / I never gave a damn about / The beauty that I smashed / No sadist I, I found delight in making my love cry / Now I´d pray for a single kiss of her / To be lashed and crucified.

-(The Song with no Name, 1994)-



WAS WÜRDE SHANE MacGOWAN HEUTE

wenn er könnte, wählen? Woher soll ich das wissen? Wenn er einfach nur ein Guiness wählen würde, fände ich das auch sehr sympathisch.

Was ich weiß, ist dies: ein Künstler, den man manchmal, sagen wir einmal im Jahr für eine Stunde, für den Größten von allen hält, muss schon sehr groß sein, größer als fast alle anderen. Und vielleicht der größte von allen begnadeten Trinkern ist Shane MacGowan auch noch. Und offensichtlich wird er dabei von allen möglichen Göttern beschützt.

Mit seiner Band The Pogues war er berühmt geworden. Mit seiner Band The Popes hatte er dann weitergemacht, und dann hatten auch die  Popes allein weitermachen müssen. Heute ist MacGowan bei den Pogues wie bei den Popes Gastsänger, und wenn er fehlt, entsteht eine Lücke, die nicht zu füllen ist.

Das neue Album der Popes heißt „Outlaw Heaven“ (Shake The Tree Records/Vertrieb: Cargo), und MacGowan ist bei vier Songs Gastsänger. Und wenn er zum Abschluss ganz allein den Song „Loneliness of a Long Distance Drinker“ singt, dann versinkt die ganze Welt neben diesem Lied.

Shane MacGowan, er möge ewig leben – und drei Tage.



CHRISTIAN ANDERS

hatte ich aufgelegt, Single-A-Seite „Lass es uns tun“ von 1978, beim letzten Trashklubtreffen im Kreuzweise, und zwar, weil ich wie meistens der erste war und dann dachte, jetzt könnten die Kollegen langsam auch mal kommen, und weil mir Decker die Single mal geschenkt hatte – so wie er mir mal eine Platte mit Ku-Klux-Klan-Country geschenkt hatte mit seinem großen Humorverständnis -, dachte ich, wenn ich´s jetzt laufen lasse, kommt er, und so war´s auch, während der Anders lief kamen Patsch & Decker rein.

Und während der Anders lief, kam eine junge Frau zu mir und verpasste mir die schönste Anti-DJ-Attacke, die ich in ca. 15 Jahren zu hören geschenkt bekommen habe: „Bitte, bitte andere Musik, ich arbeite in einem Altenheim und muss mir sowas den ganzen Tag anhören, und wenn ich dann abends weggeh, will ich bitte was anderes hören“.

Wir lagen ihr zu Füßen, und Patsch meinte, er wünschte sich, dass er den Anders aufgelegt hätte. Aber ich war´s.

Den Trashklub machen wir nun seit 15 Jahren, und warum wir uns über den ganzen DJ-Deppenscheiß – in Folge von Ulf Poschardts „DJ Culture“ hatte das Berufsbild natürlich nichts anderes mehr verdient – kaputtlachen oder über so Ausdrücke wie Soundsystem und DJ-Namen sowieso, kann vielleicht meine so in etwa, allerdings nicht in dieser Reihenfolge, stimmende Set- bzw. Künstler-Liste dieses Abends verdeutlichen (und meine Kameraden haben es im Prinzip auch nicht anders, nur mit ganz anderen Schwerpunkten, gehalten):

Christian Anders, Kamerakino, Kraudn Sepp, Billy Moffet´s Playboy Club, Zen-Faschisten, Trash Groove Girls, Der Durstige Mann, Geile Tiere, Huah!, Wuide Wachl, Rosy Rosy (mit „Busenstar 68“ auf dringendsten Wunsch von der Julia von der Münchner Damenkapelle), Der Scheitel, Rhythm King & Her Friends, Milch, Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot, Family5, Familie Hesselbach, Geisterfahrer, Freiwillige Selbstkontrolle, Ichfunktion, Freygang, Fink, Guz, 39Clocks, Blacken The Black, The Presidents Of The United States, Fred Adrett, Wolfgang Protze & Instrumentalgruppe des Erich-Weinert-Ensembles (mit „Guten Morgen, Herr Frisör“) …

Einige der Künstler waren mehrmals zu hören, an andere kann ich mich im Moment noch nicht erinnern. Ansonsten war die Vorstellung  eigentlich ganz okay soweit.