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DON’T TELL US WHAT TO PLAY (IN JAZZ CITY BELGRADE)

Sava Mala ist ein altes Viertel in der Nähe des Hauptbahnhofs, den Berg rauf Richtung Zentrum. Der Reiseführer sagt zurecht, es sei ziemlich kaputt und vergessen etc. Trotz der phantastischen Lage mit Nähe zur Donau. Genau deswegen finden sich jetzt eine Menge Anzeichen für den Beginn der Aufbau- und Aufräumarbeiten, die man Gentrifizierung nennt. +++ Ein paar Häuser links von der Reihe auf dem Foto unten das große Restaurant „Berliner“ (Slogan schon draußen: “bier-musik-essen”; der Wirt war natürlich mal in Berlin). Nur deshalb aufmerksam geworden, weil um 11h nicht irgendein Jazz aus der offenen Tür kam, sondern “Sidewinder” von Lee Morgan, was ich jetzt bei den Lesungen immer als Musikbeispiel benutzt habe, weil Lee Morgan in meinem Roman eine wichtige Nebenrolle hat; meine Reaktion also, hey, was ist das denn?! Auf den großen Unterlagen aus Packpapier am Tisch: “Ich bin ein Berliner”. Eines der Bilder an der Thekenverkleidung: ein Trabbi, der die Berliner Mauer durchbricht. (Adr. Facebook: berliner.pivnica) +++ An der Treppe rauf ins Zentrum der nächste Jazzclub. Früher Sonntagnachmittag: draußen ziemlich voll, viele schicke Leute; drei der vier Kellner haben die Haare oben am Kopf zu einem Zöpfchen gebunden. +++ Überhaupt glaube ich jetzt langsam behaupten zu können: Jazz City Belgrad. Wirklich verblüffend aus wie vielen Lokalen Jazz bzw. Jazzyfied Musik kommt, auch mit House oder Funky Zusätzen. Darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet, und ich habe noch nicht herausgefunden, warum das so ist. +++ Gestern kamen wir nach anstrengender 10-Std-Autofahrt im Zentrum nähe Goetheinstitut wieder in Belgrad an, und parkten genau vor dem Lokal, das wir erhofft, aber bisher nicht gefunden, nicht mal einen Hinweis darauf bekommen hatten. Aus der Tür kam so SoulJazz. Der Vinyl-DJ gleich am Fenster. Innen eine Wand Regale mit Platten zum Verkauf, und das Ganze zugleich eine Bar, die zum Glück nicht so studentisch ist. Hat jemand mal was Besseres erfunden? Großes Schild an der Wand: “We don´t tell you what to drink… So don´t tell us what to Play!“ Extrem sympathisch alles … Adr: LEILA Records and Books, Kralja Petra 41. www.leila.rs +++ Paar Straßen weiter ein Graffiti: „Call 1-800-Train“ mit Brustbild von John Coltrane. +++ Während im Supermarkt Maxi – anderes Viertel, zwanzig Fußminuten weiter – anscheinend immer Reggae und Ska läuft. Was auch, plus okayer aktueller Disco, aus dem Laden von gegenüber dröhnt. In dessen Biergarten eine Milosevic-Büste steht. Und heute abend auf dem Gehsteig zwei Plastikelephanten, so groß, dass ich im ersten Moment erschrocken bin. Was ich jetzt weder interpretieren könnte noch wagen würde… verdammt, diese magnetische Wirkung kommt mir jetzt bekannt vor!

Mehr Fotos dazu u.a.: http://textbaufranzdobler.tumblr.com/

belgradestreetphotography: Sava Mala  |©Carlos González Moreno Sava Mala (vgl. auch die Eintragung vom 31.3.) ist ein altes Viertel in der Nähe des Hauptbahnhofs, den Berg rauf Richtung Zentrum. Der Reiseführer sagt, es sei ziemlich kaputt und vergessen etc. Trotz der phantastischen Lage mit Nähe zur Donau. Genau deswegen finden sich jetzt eine Menge Anzeichen für den Beginn der Aufbau- und Aufräumarbeiten, die man Gentrifizierung nennt. +++ Ein paar Häuser links von der Reihe auf diesem Foto das große Restaurant "Berliner" (Slogan schon draußen: “bier-musik-essen”; der Wirt war natürlich mal in Berlin). Nur deshalb aufmerksam geworden, weil um 11h nicht irgendein Jazz aus der offenen Tür kam, sondern “Sidewinder” von Lee Morgan, was ich jetzt bei den Lesungen immer als Musikbeispiel benutzt habe, weil Lee Morgan in meinem Roman eine wichtige Nebenrolle hat; meine Reaktion also, hey, was ist das denn?! Auf den großen Unterlagen aus Packpapier am Tisch: “Ich bin ein Berliner”. Eines der Bilder an der Thekenverkleidung: ein Trabbi, der die Berliner Mauer durchbricht. (Adr. Facebook: berliner.pivnica) +++ An der Treppe rauf ins Zentrum der nächste Jazzclub. Früher Sonntagnachmittag: draußen ziemlich voll, viele schicke Leute; drei der vier Kellner haben die Haare oben am Kopf zu einem Zöpfchen gebunden. +++ Überhaupt glaube ich jetzt langsam behaupten zu können: Jazz City Belgrad. Wirklich verblüffend aus wie vielen Lokalen Jazz bzw. Jazzyfied Musik kommt, auch mit House oder Funky Zusätzen. Darauf war ich überhaupt nicht vorbereitet, und ich habe noch nicht herausgefunden, warum das so ist. +++ Gestern kamen wir nach anstrengender 10-Std-Autofahrt im Zentrum nähe Goetheinstitut wieder in Belgrad an, und parkten genau vor dem Lokal, das wir erhofft, aber bisher nicht gefunden, nicht mal einen Hinweis darauf bekommen hatten. Aus der Tür kam so SoulJazz. Der Vinyl-DJ gleich am Fenster. Innen eine Wand Regale mit Platten zum Verkauf, und das Ganze zugleich eine Bar. Hat jemand mal was Besseres erfunden? Großes Schild an der Wand: “We don´t tell you what to drink… So don´t tell us what to Play!" Extrem sympathisch alles … Adr: LEILA Records and Books, Kralja Petra 41. www.leila.rs +++ Paar Straßen weiter Graffiti: Call 1-800-Train mit Brustbild von John Coltrane. +++ over and out.  

Foto: belgradestreetphotography.tumblr.com



AUSSENPOSTEN

Das Kulturzentrum von Bijelo Polje in Montenegro ist für deutsche Verhältnisse klein. Die Bibliothek natürlich auch, aber wer sich durcharbeiten wollte, hätte schon eine Menge zu tun. Keine Rede von Sprachbarrieren. Eine kleine Stadt am letzten Außenposten eines sehr kleinen Landes, das bizarre Unterschiede vorzuweisen bzw. zu verkraften hat. Zwischen den Millionären an der Küste und Bauern, die auf einem Pferd weiterkommen, sind es nur wenige Kilometer. Bijelo Polje ist vom glitzernden Meer weit weg, viel weiter als etwas über hundert Kilometer.

Ich war der erste deutsche Autor, der jemals dort gelesen und diskutiert hat. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Sicher ist, ich stehe auf keiner Liste der Europäischen Union für Kulturarbeiter, die zuerst irgendwo reingehen, um irgendwas vorzubereiten. Was es mir tatsächlich bedeutet, bemerkte ich später im Hotel. Man zappt ja noch rum. Landet bei einem deutschen Kulturmagazin. Mit einem Literaturbeitrag. Und als dann eine vollkommen beknackte Moderatorin mit einem vollkommen beknackten deutschen Starautor vollkommen beknackt rumlaberte, war es weniger der totale Ekel, der mich berührte, sondern eine Erkenntnis: Ich würde tausendmal lieber den Rest meines Lebens hier an diesem Außenposten in der kleinen Bibliothek Papierkörbe ausleeren und zurückgegebene Bücher einsortieren, als in so vollkommen beknackten, verblödeten, dämlichen, auf kriminelle Weise Geld verschwendenden Fernsehmagazinen mit vollkommen beknackten Moderatoren vollkommen beknackt rumlabern. Das vollkommen Beknackte ist ja außerdem bzw. zusätzlich, dass sich diese Leute für cool halten, von anderen vollkommen Beknackten vermutlich als Hipster gekennzeichnet werden (oder welche Missverständnisse auch immer da unterwegs sind), und mit diesem ganzen beknackten Scheiß als die lässige Form von Kulturvermittlung bzw. -produktion durchkommen.

Ich glaube, ich würde lieber aufhören irgendwas zu machen, als irgendwas mit denen. Eine üblere Beschimpfung fällt mir kaum ein. Zu finden das Beknackte wahrscheinlich in der Mediathek von das ZDF. Sendung heißen Aspekte oder so … Aber egal. Ich bisschen stolz darauf, wenn Leute von Bijelo Polje sagen mir, ich nicht so richtig deutsch eigentlich. Das ganz gut. Dabei freundlich lachen. Wir zusammen darüber lachen. Wenn du nix verstehst, was meinen ich, macht nix. Grüß Gott, deutsche Gutliteratur. Gute Sache, gute Nacht.



WÄHREND IN BELGRAD

vor einer Stunde – es geschah am helllichten Tag! – ein äußerst cooler Dealer oder Drogenkonsument zu beobachten war. Zwei uniformierte Cops hielten ihn an der ruhigen, zehn Minuten von der Fußgängerzone entfernten Straßenkreuzung auf und durchsuchten ihn sorgfältig; nicht mitbekommen, wie sich das angebahnt hatte. Ich wäre auch nie auf die Idee gekommen, der ca. 25-Jährige könnte ein Kandidat sein. Alle Beteiligten vollkommen unaufgeregt, geradezu lässig. Ein Cop suchte auch Straße und Gehsteig ab. Dann gingen alle in unterschiedliche Richtungen davon.

Eine Minute später die Auflösung – der gründlich gefilzte Mann kommt zurück und hebt an der Stelle, an der er vorhin gestanden hatte, was vom Boden auf und düst dann mit schnellem Schritt ab. Ich hätte gewettet, dass Cops in aller Welt zuerst an dieser Stelle nachsehen, wenn sie die Leibesvisitation absolviert haben. Sagt man in dem Fall „absolviert“? Immer diese Sprachbarrieren! Bei fast schon sommerlichen Temperaturen… Ebenfalls interessant: In den meisten Lokalen Rauchen erlaubt, auf der Toilette jedoch verboten.




WÄHREND IN MÜNCHEN

„the best movie theatre in the world“ (Time Magazine) sein 40-jähriges Jubiläum angemessen groß feiert. Das Werkstattkino ist einer der ich sag mal zwei bis drei Orte, weswegen ich es immer bedauert habe, die Stadt verlassen zu müssen. In den Jahren 1980 ff. habe ich mir dort eine Bildung verpasst, die man sich auf keiner Universität und Straße besorgen kann. Eine Investition für das ganze Leben. Danke, Werkstattkino, ewig und glücklich und wohlhabend sollst du so weitermachen!

WK 40 Programm 31. 3. – 13. 4. 2016 Achtung, variierende Anfangszeiten!

Donnerstag, 31. 3. 2016 20.30h

KINOKRÄNZCHEN (Thomas Reitmair)

Das Werkstattkino feiert sein 40-jähriges Bestehen! Gratulation!!! Um darzulegen, warum diese einmalige Institution zweifellos „the best movie theater in the world“ (Time Magazine) ist, habe ich mich für eine Vorführung des Splatter-Klassikers SEVEN DOORS OF DEATH (IT 1981, R: Fulci) entschieden – weil der Film für mich untrennbar mit diesem Ort verbunden ist. …bis dann denn …Großmutter

Donnerstag, 31. 3. 2016 22.30h

WERKSTATTKINO (Dolly)

NWH USA 1985 R: Gregory Dark. Digital, 75Min. DF Nur für Erwachsene.

Freitag, 1. 4. 2016 20h / 22h

BUNTER HUND

Seit 17 Jahren hat das Internationale Kurzfilmfest BUNTER HUND nun seine Heimat im Werkstattkino und zeigt dort einmal im Jahr an einem langen Wochenende eine wilde Mischung von Kurzfilmen aus aller Welt. Auch wenn der Andrang oft groß und die Luft entsprechend knapp ist: nirgendwo sonst soll das Körbchen der Bunten Hunde stehen, und sie sind stolz, den heutigen Abend mit einem Best Of

(2 Programme!) bestreiten zu dürfen, das Jurymitglieder aus all den Jahren zusammengestellt haben.

Samstag, 2. 4. 2016 20.30h

SALON

Eine Reminiszenz an die legendäre Einrichtung SALON, die vor einer Dekade über zwei Jahre hindurch in fünfzehn Folgen vonstatten ging. Die Überlegung damals:

a) eine kecke Filmauswahl und -folge ist zu treffen.

b) gezeigt werden Kurzfilme (bis 30 Min.) aller möglichen Genres, vorzugsweise in den ursprünglichen (analogen) Kinoformaten, bis hin zum Super-8. In seltenen Fällen auch als Video.

c) im Anschluss an die Vorstellung sind Erfrischungsgetränke (Bier) bereitzuhalten.

Dieser Abend ist unserem langjährigen Freund und treuen Salonlöwen Tom Wimmer gewidmet, der im Oktober 2015 verstarb. Ein ausführliches Programmblatt zum Jubiläumssalon liegt im Foyer aus.

Sonntag, 3. 4. 2016 20.30h / 22.30h

EX-WERKSTATTKINO (Anatol)

FINGERS USA 1978, 89min, 35mm OV Farbe (auch wenn das Technicolor brutal gelitten hat), R & B: James Toback, mit Harvey Keitel

USA, New Hollywood, Ende der Siebziger wurden die Helden bitterer und kränker. Wir kannten fast alles. Dann lief im Werkstattkino FINGERS und hat alles nocheinmal auf den Kopf gestellt. Wir wollten sprechen wie Keitel und genauso leiden an Minderwertigkeitsproblemen und Sex, wir haben uns Gesten abgeschaut und ‚Angel of the Morning’ und ‚Summertime’ besorgt – und wollten uns rächen.

WERKSTATTKINO ZEIGT FICKFILME“

1984 hatten wir uns eine Braun Nizzo Super 8 Kamera gekauft. Wir wollten Filme machen. Möglichst mit Sex. Alle sind gut geworden. Frieda Grafe schrieb in der Süddeutschen Zeitung: „Sie benutzen das Medium zur Reflexion von Klischees aus dem Kommerzfilm und artikulieren den Exhibitionismus, der immer in Filmbildern steckt.“

MORGEN D 1984, 7min, stumm. Regie: Doris Kuhn

EINSAME COWBOYS D 1984, 18min, Regie: Anatol Nitschke, mit Romuald Karmakar, Rainald Goetz, Florian Süssmayr, Rupert Klostermeier, Marc Sargent, Hans-Jörg Mayer und Regina Huber

SEEMANNSBRAUT D 1984, 15min, Regie: Erich von Wagner, mit Valerie Caris, David Steeves, Anatol Nitschke, Norbert Hähnel u.a.

COUCH D 1985, 30min, Regie: Anatol Nitschke, mit Florian Süssmayr, Andrea Hagen, Doris Kuhn, Wolfgang Flatz, Wolfgang W.Werner, Roland Kottlow, Hans Schifferle u.a.

Montag, 4. 4. 2016 geschlossen

Dienstag, 5. 4. 2016 20.30h / 22.30h

WERKSTATTKINO (Wolfi)

DER HAUPTDARSTELLER D 1977, R: Reinhard Hauff. B: Hauff, Christel Buschmann. Mit Michael Schweiger, Mario Adorf, Vadim Glowna, Hans Brenner. 35mm, 91Min.

Ein sozialkritischer, kühl und nüchtern, weithin im Stil eines Dokumentarfilms angelegter Film, der die innere Entwicklung eines Menschen in widrigen Verhältnissen beschreibt und die Frage nach dem Recht der freien Persönlichkeitsentfaltung stellt.“ (Filmdienst)

Ein weiterer Hauptdarsteller: Das Werkstattkino 1977!

TRAILERALPHABET (AB A) D 2016, 35mm, open end

Mal alle Trailer zusammenhängen, die so im Kino rumliegen, und sich dabei nicht von Genres leiten lassen, sondern von Buchstaben – das war der Gedanke. Das Ergebnis hat hier Weltpremiere.

Mittwoch, 6. 4. 2016 20.30h / 22.30h

JACK STEVENSON

Wie kein anderer Aussenstehender hat der amerikanische Filmsammler, -vorführer, -historiker und Kurator Jack Stevenson den Geist unseres Hauses mitgeprägt. Sein Kampf um das analoge Filmformat ist mittlerweile Legende. Seit einem Vierteljahrhundert lebt er in Kopenhagen, schreibt Filmbücher und betreibt dort das letzte analoge Kino Dänemarks, das HUSTETS BIO.

YOUNG LOVE (3 Kurzfilme): HOW DO I LOVE THEE (25′, USA 197?, Wetzel Whittaker); FOR TIME OR ETERNITY (25′, USA 1970, W. Whittaker); MY DAD’S CALLGIRL (30′, USA 1968, anonym)

RANDY THE ELECTRIC LADY USA 1980. R: Phillip Schuman. 72 Min. OV

It is complex, bold, campy, satiric, sexy, romantic, daft and bizarre, and with a soundtrack that veers between lounge music and punk it stands as one of the most unique „adult films“ ever made … A priceless lost treasure that is beautifully filmed and wonderfully conflicted.“ (Jack Stevenson)

Donnerstag, 7. 4. 2016 20.30h / 22.30h

WERKSTATTKINO (Dolly)

DER UMSETZER D 1976 R: Benno Trautmann & Brigitte Toni Lerch. 75 Min. 16mm s/w

Trautmann und Lerch haben mit ihrem Erstlingsfilm das nicht nur in Berlin aktuelle Problem der Stadtsanierung aufgegriffen. Zwar hat sich, als Folge des Denkmalschutzjahres, die Kahlschlag-mentalität der Stadtplaner nicht überall durchsetzen können, doch sind die Eingriffe in das Sozialgefüge ganzer Stadtviertel noch immer radikal genug.“ (Der Spiegel 1976)

NEUN LEBEN HAT DIE KATZE D 1968 R: Ula Stöckl. 86 Min. Techniscope, digital Farbe

Wie können Frauen sagen, wie sie sich ihre Welt wünschen, wenn zu ihrer Existenz eine grundsätzliche Sprachlosigkeit gehört, weil immer einer von ihnen da war und ihnen nichts bleibt, als ewig zu reagieren.“ (Frieda Grafe 1971)

Freitag, 8. 4. 2016 20.30h

WERKSTATTKINO (Waco)

AFRICA ADDIO It 1964. R: Gualtiero Jacopetti & Franco Prosperi. M: Riz Ortolani. 35mmCS 140min. DF

Einer der ganz großen Skandalfilme der Filmgeschichte, Jacopettis „Abschiedsgruß aus dem sterbenden Afrika“: Massenmord an den Tutsi in Ruanda, Bürgerkrieg im Kongo und auf Sansibar, Kolonialkrieg in Angola etc.

Sensationsjournalismus wie ihn Millionen westeuropäischer Kinogänger goutierten.

Samstag, 9. 4. 2016 20h / 22h

JUGENDVERDERBER (Ullrich Bassenge)

Return of the Jugendverderber mit der Nacht No. 29 (ab 18).

STREET TRASH USA 1987 R: Jim Munro B: Roy Frumkes. Mit Mike Lackey, Vic Noto. HD 101min OmU

Der Klassiker unter den Melt-Movies: Für einen Dollar die Flasche wird ein unbekannter Schnaps an die lokalen Penner in Brooklyn verkauft. Natürlich richtet das Getränk allerlei Schäden an: Die Trinker schmelzen, zerlaufen, explodieren.

HOBO HOLOCAUST K 2011, R: Jason Eisener, HD 86 Min. OmU

Gloriously over-the-top blood pudding about a homeless man who goes Dirty Harry on a dead-end town run by sadistic criminals.“ (The Age 2011)

Sonntag, 10. 4. 2016 13h (Teil 1); 18h (Teil 2); 21.30h (Teil 3)

EX-WERKSTATTKINO (Alex)

TIE XI QU: WEST OF THE TRACKS (Yan Fen Jie) China/Nl 2003. R, B, K: Wang Bing. Digital. 554 Min. OV mit englischen UT

Wang Bing drehte von 1999 bis 2001 in der Industrieregion Tie Xi, deren Metallfabriken in jener Zeit zum Großteil schlossen. Der Film zeigt das Leben, die Liebesbeziehungen, die Hoffnungen und Enttäuschungen von Fabrikarbeitern und ihren Familien. „Jeder Mensch ist hier mit einer neuen Situation konfrontiert: Man erlebt konkret und Tag für Tag den Verlust einer Sicherheit, die es früher einmal gab. In der Konsequenz beobachte ich, dass sich eine immer größer werdende Kluft zwischen der Realität und den Wünschen, Sehnsüchten und Träumen der Menschen auftut.“ (Wang Bing) Die Dokumentation hat drei Teile: RUST (243 Min.), REMNANTS (178 Min.), RAILS (133 Min.)

Montag, 11. 4. 2016 20h

WERKSTATTKINO (Bernd)

JEANNE DIELMAN, 23 QUAI DU COMMERCE – 1080 BRUXELLES Belgien 1975. R & B: Chantal Akerman. K: Babette Mangolte. Mit Delphine Seyrig, Jan Decorte, Henri Storck. 35mm 225Min OmU

Dreieinhalb Stunden im Leben einer alleinerziehenden Mutter. Minutiös ist ihr Alltag organisiert, putzen, einkaufen, ein paar Minuten in einem Café, kochen. Am späten Nachmittag legt Jeanne das Handtuch aufs Bett, für den Kunden. Die Hausfrau verdient sich etwas dazu. Es ist kein kritischer, auch kein bitterer Film, es ist nicht mal ein Frauenfilm. Chantal Akerman, diese „Widerstandskämpferin gegen das Kino der Gefälligkeit“ (Godard) war 25 Jahre alt, als sie mit diesem Film das Kino revolutionierte.

Dienstag, 12. 4. 2016 20h / 22.30h

UNDERDOX

WHY NOT USA 1970. R, B, K: Shûsaku Arakawa. Mit Mary Window. 16mm. 110 Min. Ohne Dialoge.

Ein Hauptwerk des amerikanischer Avantgardefilms der 70er Jahre, erotische Minimal Art und klaustrophobisches Cinema pur. Eine junge Frau in einem New Yorker Apartment nimmt körperlichen Kontakt mit den sie umgebenden Dingen auf, von denen sie letztendlich überwältigt wird.

MAKINO TAKASHI: CERULEAN SPECTACLES Japan 2007-2014. R, B, K: Makino Takashi. Digital. 77 Min. Ohne Dialoge.

Takashi Makino sah seinen ersten „Experimentalfilm“ (er möchte nicht in dieser Kategorie gelabelt sein) in einem Traum, den er nach einem schweren Unfall im Alter von fünf Jahren hatte. „No movie affected me so strongly like the images I saw in my dream.“ Die Filme: TRANQUIL (2007, 19 Min.), THE LOW STORM (2009, 16 Min.), INTER VIEW (2010, 23 Min.), GHOST OF OT 301 (2014, 9 Min.)

Mittwoch, 13. 4. 2016 20.30h / 22.30h

WERKSTATTKINO (Thomas)

À NOS AMOURS F 1983. R: Maurice Pialat. K: Jacques Loiseleux. Mit Sandrine Bonnaire, Dominique Besnehard, Maurice Pialat, Evelyne Ker. 35mm. Farbe. 99 Min. OmU

À NOS AMOURS is something you have to live with; I fear this film because I’m incapable of passively watching it: it penetrates me, impresses itself upon my existence, sends me into paroxysms, flays me raw, makes me want to walk 20 miles, firebomb whatever relationship I’m in at the moment, scream at a

stranger—and this isn’t a case of trite critical overstatement.“ (Nick Pinkerton, Reverseshot 2006)

ABSCHAUM – SCUM GB 1979. R: Alan Clarke. B: Roy Minton. K: Phil Méheux. Mit Ray Winstone, Mick Ford, Julian Firth, John Blundell. 35mm. Farbe. 97 Min. DF

Scum, a bar-rattling exposé of Britain’s Borstal system for youthful offenders … constructed with the inevitability of a time bomb.“ (Tom Allen, Village Voice 1980)



WÄHREND IN BERLIN

das hier Thema ist, wie die jW meldet: „Saufen aktuell Nummer zwei – Das einzig nüchtern lesbare Magazin für Politik und schöne Künste gibt tatsächlich die zweite Runde aus. »Trinker sorgen als letzte konservative Elite des Abendlandes für die Erhaltung des Freiraumes um den Aschenbecher und wissen, was beschleunigte Theorieaneignung ist: Warten. Wer zu früh kommt, den bestrafen die Frauen!« Das demonstrieren live, über und unterm Mikrophon heute abend um 20 Uhr in der Baiz Berlin, Schönhauser 26 A: Paul Gröbel, Peter Wawerzinek, Robert Mießner, Bernadette Lemaitre, Holger Schlotter, René Beder und Matthias Hering.“



GEGENSATZ

Bin mir bei diesem Foto nicht ganz sicher, ob es das Gebäude ist, das wir bei der Stadtführung mit dem Künstlerduo diSTRUKTURA gesehen haben. Aber sehr ähnlich. Was wir gesehen haben, sind zwei damals von der Militärverwaltung genutzte Gebäude, die bombardiert und bis heute nicht repariert wurden. Donald Trump wollte sie mal kaufen, aber sie waren nicht zu verkaufen. Das Szenario dazu hatten wir schnell: der Donald wird Präsident und dann sagt er gleich mal, jetzt wird Serbien gebombt, weil die mal böse zu ihm waren. +++ Vor dem in der Nähe liegenden Parlament anlässlich des Jahrestags ein großes, keineswegs riesiges Transparent: VICTIMS OF ALBANIAN “UCK” TERRORISTS AND NATO AGGRESSIONS. Mit hunderten von Fotos von Opfern. +++ Das kam auch beim Interview (soviel vorab) mit der Autorin Jelena Volic zur Sprache: In den deutschen Medien wurde die Verurteilung von Karadzic gemeldet, aber ein Hinweis auf den Jahrestag des Beginns des Nato-Angriffs war keine Meldung wert; als gebe es heute nicht noch mehr dazu zu sagen als damals, als Joseph Fischer u.a. so viel Unsinn erzählten, um es an dieser Stelle vorerst nur knapp anzudeuten. +++ Man kann schon mal erwähnen, dass es eine andere Nummer war, wenn der Partisan gegen die Nazis, Tito, einen heterogenen Staat (dessen Mängel man nicht entschuldigen muss, vgl. USA und Todesstrafe etc.) baute und lenkte (der nach seinem Tode in Bürgerkriegen unterging), im Gegensatz zu einer BRD, die mit vielen Ex-Nazis im Parlament anfing, um am Ende mit einem Joseph Fischer rauszukommen, der den absurden Auschwitz-Vergleich benutzte, um Bomben in den Konflikt werfen zu können.  +++ Okay, ein Satz, mit dem ich stilistisch gar nicht glücklich bin, aber ich glaube, ihr wisst, was ich meine.

Bin mir bei diesem Foto nicht ganz sicher, ob es das Gebäude ist, das wir bei der Stadtführung mit dem Künstlerduo diSTRUKTURA gesehen haben. Aber sehr ähnlich. Was wir gesehen haben, sind zwei damals von der Militärverwaltung genutzte Gebäude, die bombardiert und bis heute nicht repariert wurden. Donald Trump wollte sie mal kaufen, aber sie waren nicht zu verkaufen. Das Szenario dazu hatten wir schnell: der Donald wird Präsident und dann sagt er gleich mal, jetzt wird Serbien gebombt, weil die mal böse zu ihm waren. +++ Vor dem in der Nähe liegenden Parlament anlässlich des Jahrestags ein großes, keineswegs riesiges Transparent: VICTIMS OF ALBANIAN “UCK” TERRORISTS AND NATO AGGRESSIONS. Mit hunderten von Fotos von Opfern. +++ Das kam auch beim Interview mit der Autorin Jelena Volic zur Sprache: In den deutschen Medien wurde die Verurteilung von Karadzic gemeldet, aber ein Hinweis auf den Jahrestag des Beginns des Nato-Angriffs war keine Meldung wert; als gebe es heute nicht noch mehr dazu zu sagen als damals, als Joseph Fischer u.a. so viel Unsinn erzählten, um es an dieser Stelle vorerst nur knapp anzudeuten.

Foto: email hidden; JavaScript is required

Mehr dazu: http://textbaufranzdobler.tumblr.com/



MOLIM RAZVIJTE OVAJ FILM

artwork: selman trtovac



AUF DER FAHRT

vom Flughafen durch Novi Beograd (“Tito wollte der Welt zeigen, wie modern der jugoslawische Sozialismus bauen kann und hat zum Beispiel berühmte Architekten wie Le Corbusier engagiert, da war vorher nichts, nur Sumpfland”)

neustadtpanorama | novi beograd | 2013 by feliksbln on Flickr.

(Foto via Komalantz.tumblr.com)

ins Zentrum. Das „West-Tor“ von Architekt Mihailo Mitrovic wurde 1980 fertig und ist heute eines der Wahrzeichen Belgrads. Die Taverne „?“ ist nicht weniger berühmt, weil dass Esslokal in einem der ältesten Häuser im Zentrum untergebracht ist, aber sehr viel kleiner und niedriger.

„?“ heißt so seit 1892: der Besitzer bekam wegen des Kneipennamens „By the Cathedral Church“ sowohl mit Stadt als auch Kirche Probleme; deshalb „the owner put out just a question mark as a temporary solution and as sign of protest as well until dispute with authorities was resolved“, schreibt Nada Zivkovic im Heftchen, das der Tourist vom Kellner mit der Rechnung überreicht bekommt.

Das Quartett, das am Abend mit Violine, Akkordeon, Gitarre und Kontrabass aufspielte, begann mit einer regionalen Version der Titelmelodie von „Der Pate“. Der nicht nötig war, um am Freitagabend ohne Reservierung einen Tisch zu bekommen. Der Chef selbst regelte das „for my friends“ in einer Minute.



HIER DIESE GESCHICHTE

wie ich vor einigen Jahren meinen kroatischen Freund und Kollegen Edo Popovic kennengelernt habe. Und wie es kam, dass wir uns eigentlich schon viel länger kannten … Weshalb es was Besonderes ist, wenn wir uns bald in Zagreb treffen … (Aus meinem Buch Letzte Stories, erschienen bei Blumenbar, Berlin, 2010)

ZUFALL

Die Vorträge waren gelaufen, die Masse der Zuhörer schob sich aus dem Saal ins Freie auf den großen Platz mit den Tischen, an die Getränke geliefert wurden. Endlich raus in den Sommerabend! Ich spürte die Erleichterung des Publikums.

So ein literarischer Abend mit Vortrag, Gedichten und Musik hat´s nicht leicht in einem heißen Sommersaal. Ich selbst war pünktlich zum Ende gekommen. Hatte einen Tag Schreibarbeit hinter mir und wäre eher in ein Scorpions-Konzert mit Sting und Hinterseer als Gastsänger gegangen, als mein Gehirn mit mehr Literatur vollzustopfen. Locker an einem Literatentisch sitzen und bei ein paar Gläsern Bonvivant möglichst besonders gescheit daherreden, das war mein Ziel, mehr war nicht drin.

Der kroatische Kollege Edo Popovic wurde mir von einem bekannten deutschen Verleger vorgestellt. Jener sagte mir nichts, diesen kannte ich nicht. Die Stimmung war schnell aufgeräumt, und irgendwelche Sätze, die nicht unter einer bedeutenden Dichtungslast ächzten, klackerten munter herum; wahrscheinlich lag das mal wieder an der Anwesenheit hübscher Frauen. Michael Krüger verstrickte sich in ein Gespräch über die Geschichte und Bedeutung des Bleistiftrocks mit meiner Tochter, und meine Frau erzählte Friedrich Ani, wie sich der Dr. Stoiber eines Tages an das Werk des jungen Bertolt Brecht hingewanzt und -gelabert hat, und ich hörte dem Lied zu, das mir Frank Spilker vorsang.

Es war so ein Abend, an dem es einem okay vorkam, dass die Amerikaner die Stadt nicht komplett weggebombt hatten.

Nur dieser Edo Popovic schaute doch etwas gequält aus. Selbst dem Verleger gelang es nicht, ihn stärker in die Runde reinzuziehen. Wahrscheinlich nerven ihn solche Literatentische grundsätzlich, auch wenn keine Sprachbarrieren herumliegen, dachte ich, und ganz generell war mir der Mann sympathisch. Er sah aus, als sei er in einem Film von Emir Kusturica vom Weg ab- und hier rausgekommen und wartete auf das Motorrad mit Beiwagen, das ihn endlich wieder reinbringen würde. Mir fiel auf, dass er keinen Alkohol trank. Ich wusste schon, dass das manche aus diesen Gründen tun und andere aus jenen, und mir war klar, dass Popovic aus jenen Gründen nur Wasser trank. Aber von kroatischer Literatur hatte ich keine Ahnung.

In der nächsten Nacht gerieten wir wieder aneinander, diesmal im lauten Partyzentrum des Literaturfestivals. Innerhalb von wenigen Minuten palaverten wir, als würden wir uns schon lange gut kennen.

Don´t mention the war“, sagte ich.

Fuckin why not?“

Weil ich als Deutscher dann eh nur Prügel bekomme.“

Ich war weder prokroatisch noch proserbisch“, sagte Edo.

Das überraschte mich nicht. Was er mir nicht erzählte, war etwas, das mich beeindruckt hätte, und wie ich mich kenne, wäre ich ihm damit auf die Nerven gegangen. Über zehn Jahre lang hatte er die Literatur Literatur sein lassen und Kriegsberichte geschrieben; das Netz erzählte mir, dass er für seine unparteiischen Reportagen geschätzt wurde. Wenn ich mich als Kriegsreporter durchgeschlagen hätte, würde ich das jedem verdammten Kollegen überbraten.

Seine Eltern waren in Münster als Gastarbeiter gelandet, und in den Achtzigern hatte er viel Zeit dort verbracht, um sie zu besuchen und zu jobben. Dort und etwa zur selben Zeit wie ich hatte er wichtige Bücher entdeckt, die auch mir etwas aufgezeigt hatten, von Ludwig Fels oder Peter-Paul Zahl.

Das habe ich dann alles für unsere Literaturzeitschrift Quorum übersetzt“, sagte Edo, „die war dick wie ein Ziegel, da verbreite ich keine Lügen.“

Sicher schwierig, die Rechte zu bekommen“, sagte ich.

Sehr schwierig“, sagte Edo.

Und besonders durch Jörg Fauser fühlten wir uns verbunden, dessen früher, damals kaum bekannter Gedichtband „Die Harry-Gelb-Story“ unser beider Einstieg war. Den hatte Edo dann sogar komplett ins Kroatische übersetzt. Und einem Freund nach Sarajevo geschickt, der ihn veröffentlichen wollte; als seine Wohnung von einer serbischen Phosphorgranate getroffen wurde, verbrannte das einzige Exemplar der Übersetzung.

Da war er schon tot“, sagte ich, „und wir sind jetzt älter als er damals.“

Ich glaube, sein Tod war sehr seltsam, oder?“

Ja“, sagte ich, „man hat nie herausgefunden, warum er am frühen Morgen an der Autobahn am Münchner Stadtrand stand, was er in der Gegend gewollt hatte, wie er dorthin gekommen war.“

Er war betrunken“, sagte Edo.

Schon, aber für einen Trinker nicht besonders betrunken.“

Kann viel mit dir passieren, wenn du betrunken bist, plötzlich kommt was aus dem tiefsten Schatten in deinem Kopf.“

Ich hatte gerade bei einem Dokumentarfilm über Fauser mitgearbeitet, und konnte von einigen seltsamen Begegnungen berichten, die wir bei den Dreharbeiten gehabt hatten; wir trafen einen alten Freund, der behauptete, ihn kurz vor seinem Tod in einer Kneipe außerhalb Münchens getroffen zu haben, und er habe verzweifelt auf ihn gewirkt, und gesagt, er wolle in ein neues Leben untertauchen; aber irgendwann hatten sich die Leute gehäuft, denen wir nicht unbedingt alles glauben wollten, und die uns etwas erzählten, für das es keinen Beleg gab.

Wir sprachen mit dem Lastwagenfahrer, der Fauser als Letzter lebend gesehen hat, fuhr auf der Autobahn, sah einen Typen an der Leitplanke gehen und hielt an. Er kam ihm verwirrt vor, nicht unbedingt betrunken, eher verwirrt. Er fuhr weiter, hat an der nächsten Notrufsäule die Polizei angerufen, aber zehn Minuten später hat ihn der andere Lastwagen erwischt.“

Auch in der nächsten Nacht trafen wir uns im Discobereich des Literaturfestivals, ohne uns verabredet zu haben. Wir tauschten Bücher aus und wandten uns dann sofort den wichtigen Fragen zu, zuerst der Frage, welche Sprache die übelsten Schimpfwörter zu bieten hat.

Die kroatischen sind die schlimmsten“, sagte Edo.

Das behaupten doch alle Jugos.“

Vergiss die Jugos.“

Schlimmer als Bluatshuaraarsch?“

Er lachte nur, winkte ab und nannte einige, die er nichtmal übersetzen wollte.

Schlimmer als Motherfucker?“

Motherfucker?! Dass ich nicht lache.“

Und dein beschissener Nationalstolz soll im Arsch deiner dämlichen Mutter gefickt werden?“

Da geht’s los, kann man sagen.“

Was soll´s“, sagte ich, „die Nationalisten und die religiösen Fundamentalisten werden uns sowieso irgendwann umbringen.“

Und den Rest erledigt der Turbokapitalismus, egal, ob du in Kroatien oder Bayern bist.“

Sein erstes Buch erschien 1987, ein Jahr vor meinem. Wir waren nicht nur von ähnlichen Literaturzonen angezogen worden, in denen man allein mit Seminarscheinen und ein paar grammatikalisch korrekt formulierten Sätzen keine Aufenthaltsgenehmigung bekommt, sondern hatten uns dann zuerst auch auf ähnliche Art darin bewegt.

Wir haben Lesungen organisiert, bei denen gesoffen und geraucht werden sollte“, sagte Edo, „alles war besser als diese Ruhe in den Buchhandlungen, mit diesen ruhigen Autoren, die aus ruhigen Büchern vorlesen, damit wollten wir nichts zu tun haben, es sollte sich anfühlen wie bei einem Punkkonzert.“

An der Idee haben wir auch die Rechte“, sagte ich, „wir im Westen waren immer schneller, tut mir leid.“

Dobler, dein Name sagt mir irgendwas, aber ich komme nicht drauf“, sagte Popovic zum Abschied.

In den nächsten Tagen las ich sein erstes Buch, das ins Deutsche übersetzt worden war, den Roman „Ausfahrt Zagreb-Süd“, und obwohl ich schon vorher eine präzise Vorstellung von seinem Stil hatte und worum´s ihm ging, war ich doch verblüfft, wie genau ich es vorausgespürt hatte. Als wäre ich im Traum durch die mir unbekannte Szenerie gelaufen.

Einige Tage später bekam ich einen Brief aus Zagreb. Aus dem vagen Gefühl heraus, meinen Namen zu kennen, habe er die alten Ausgaben von „Quorum“ durchgesehen, schrieb Edo. Und in der Ausgabe 1989 zwei Erzählungen von mir gefunden, „Dobro jutro, Gestapo“ und „Karo, moja marka“. Die er selbst aus meinem ersten Buch übersetzt hatte.

Heilandsack, dachte ich, das ist aber eine schöne Geschichte.

Und das wird’s wohl sein, was wir am Ende von unserer Arbeit gehabt haben werden.

Ein paar gute Geschichten.

Ein paar gute Leute.



VERDREHT (2)

Immer wieder dieser Fassbinder. Gibt eben schon eine Menge her. Sogar Iggy hat ihn jetzt erwähnt, habe ich gehört. Ganz klar, Iggy, Berlin, und, was man gern vergisst, Iggy, München. Anyway:

Fassbinder sein Film: Faustrecht der Freiheit.

Zuerst gelesen jedoch: Frustrecht der Freiheit.

Krankheit wahrscheinlich – aber mit sinnvollen Auswirkungen, muss man sagen. Vgl. Blind Willie Johnson u.v.a.