Bildung

SPITZENSATZ (26)

„Sensation in Stockholm: US-Singer und Songwriter Bob Dylan (75) bekommt den Literaturnobelpreis!“ (bild.de)



BALKANBALKON (20)

Jetzt online meine Balkannotizen für den Freitag: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-drive-des-diamanten

Als Ergänzung in der neusten Ausgabe: eine Besprechung der erstmals auf deutsch erschienenen Tito-Biografie von Joze Pirjevec („Studieren ließen sich die Regeln Machiavellis im Moskauer Hotel Lux, wo Stalin im Zweiten Weltkrieg die emigrierten Führer des kommunistischen Europas, unter ihnen Tito, wie in einem Versuchslavor beobachtete und gegeneinander aufhetzte.“) – Außerdem in Nr.35 eine auch morgen noch nicht ganz veraltete Reportage von Sebastian Puschner aus Mecklenburg-Vorpommern mit dieser bitteren Anekdote: „… fragt eine Touristin die Kellnerin: ‚Wann ist denn hier Wahl?‘ – ‚Keine Ahnung‘, antwortet die Kellnerin, ‚die machen doch eh alle, was sie wollen.'“



SPITZENSATZ (24)

„Es gibt sie noch, diese schwarzen Rillen in gepresstem Vinyl.“ (Annette Meinke-Carstanjen, dpa)

vinylizm:
“ Beach time!
”vinylizm:
“ Beach time!
”

Vielseitig verwendbar: Polyvinylchlorid. Als LP in Deutschland seit 65 Jahren. Falls es es noch gibt.



DAS WUSSTE ICH

jetzt aber wirklich nicht. Echt jetzt. Zigarettenbilder, die einen nachdenklich machen, gab es früher

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übrigens auch schon. So hatte meine Oma ein Bildchen vom Führer, wie er auf einem Balkon steht und in die Ferne schaut. Ich glaube, meine Oma hat nur geraucht, weil der Führer nicht wollte, dass die deutsche Frau raucht. Auch in dieser Hinsicht hat sich natürlich einiges geändert!



WIE SO OFT

die Empfehlung an unsere Abonnenten, den neuen Freitag zu lesen. Hier ein Artikel, über den man auch bei Hitze nachdenken kann:

https://www.freitag.de/autoren/nils-markwardt/wo-bleibt-der-stolz



AN JEDEM VERDAMMTEN FREITAG

ab 17 Uhr moderiert Klaus Walter, der im Nebenberuf als Radiolegende tätig ist, auf byteFM die Sendung „taz.mixtape“ und jeden verdammten Sonntag ab 19 Uhr ebenfalls dort seine eigene Sendung „Was ist Musik?“ Aus gegebenem Anlass heute mal sein Newsletter in voller Länge:

ByteFM     taz.mixtape / Tanzen gegen Terror, Baile, Gustafsson, Balzer, Blood Orange, Molotow
Dance the pain away 1: Wieder und wieder Attentate in der Welt. Dabei gilt: Vergesst das Schöne nicht. Alltagsfluchten in Zeiten der Krise sind dringend notwendig. Katrin Gottschalk empfiehlt Tanzen gegen den Terror.
Dance the pain away 2: Techno bringt Frieden, Liebe, Zukunft. Julian Weber findet bei neuer elektronischer Tanzmusik und altem Adorno Trost und Zuflucht ob des gefühlten Weltuntergangs: Ausgehen hält die Gesellschaft zusammen.
Es herrscht in Brasilien eine Art kultureller Apartheid. Vincent Rosenblatt begleitet als Fotograf die Kultur des Baile Funk in den Favelas von Rio. Kurz vor Olympia spricht er im Interview über die symbolische Bedeutung der Bailes.
Kontrolle, um alles zu geben, Brechreiz nach Konzerten. Franziska Buhre porträtiert den hyperaktiven schwedischen Saxofonisten Mats Gustafsson. Beim Berliner A l´arme! Festival präsentiert er zwei seiner wichtigsten Bands.
Geknickter Phallus ruft nach Mama. Ulrich Gutmair lauscht im Berliner Berghain der sonoren Stimme Jens Balzers. Der Redakteur der Berliner Zeitung stellt sein Buch vor: „Pop – ein Panorama der Gegenwart.“ Ganz hier & jetzt.
„Not black enough, too black, too queer, not queer in the right way.” Juliane Streich ist beglückt von den anti-identitären Verwandlungen des afrobritischen Musikers Dev Hynes, der als Blood Orange Popsongs für eine freie Stadt macht.
Beton tropft von der Decke. Jan Paersch blättert in einem schicken Coffee Table Fotoband über die wechselvolle Geschichte des Hamburger Molotow-Clubs. Auch Peaches war da: „Finally a fucking Rock´n´Roll Club in Germany!“
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Freitag, 22.7., 17 Uhr

WAS IST MUSIK / Emanzipation im Wald – E-Mail-Talk mit JaKönigJa I
Jakobus Durstewitz: Wir wollen das Rad nicht neu erfinden mit der Musik, aber wir wollen am liebsten ’ne Musik haben, die wir so noch nicht gehört haben. Dann freuen wir uns am meisten. Sobald das zu sehr in irgendein Genre geht, was wir machen, wenn man plötzlich ein Stück hat und sieht, das ist Jazz oder so Bebop-mäßig, das können wir nicht bringen, da haben wir keine Lust zu, das interessiert uns nicht. Das können andere besser.
Ebba Durstewitz: Ja.
Ebba Durstewitz: …Werdegang der Bildungsbürgertochter, musikalische Früherziehung, dann sehr früh Klavierunterricht, ich glaube mit fünf oder sechs, das ging aber total in die Hose, weil mein Klavierlehrer nicht gemerkt hat, dass ich keine Noten lesen konnte, ich hab das einfach nicht kapiert. Und irgendwann später, so mit zwölf, dreizehn, bekam ich dann wieder Lust aufs Klavier…
Jakobus: Da warst Du verknallt in den Cellisten..
Ebba: Nee, nee, das war mit fünfzehn.
Jakobus: Achso.
Jakobus: Meine erste Gitarre war die Wandergitarre meiner Schwester, auf der ich die ersten Peter Bursch-Drei-Akkord-Stück gespielt habe und dann sofort in ne Punkband eingestiegen bin und mir irgendwo ne E-Gitarre gelie-hen (?), nee gekauft habe, für fünfzig Mark.
Ebba Durstewitz ist Lusitanistin, Literaturwissenschaftlerin, Abteilung portugiesisch. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über Chico Buarque, den großen Songwriter und Autor. Ebbas Liebe zur brasilianischen Popmusik und Literatur spiegelt sich bei JaKönigJa…
Ebba: …weil ich da viel mehr kennengelernt habe, wie man schreiben kann und wie man sich frei machen kann von Gedanken, wie man nicht schreiben will und vor lauter Gedanken, wie man nicht schreiben will schreibt man lieber gar nichts…, weil es falsch sein könnte und ich glaube, ein Schlüsselerlebnis war tatsächlich Claryce Lispector.
Claryce Lispector, 1920 in eine jüdische Familie in der Ukraine geboren, als Kind in Brasilien gestrandet und dort zu einer gefeierten Autorin geworden, die wiederum Jahrzehnte nach ihrem Tod Spuren hinterläßt auf „Emanzipation im Wald“.
Ebba: Von Claryce Lispector, die ich wahnsinnig toll finde, die brasilianische Autorin, da kommt viel her, was auf den letzten drei Platten da ist, also auch auf dieser Platte. Also das Verhältnis zur Natur, aber die Natur eher als was Fremdes oder Abstraktes, Claryce Lispector geht es darum: können Steine fühlen? Ich möchte eine Pflanze sein, aber ohne, dass das was Esoterisches oder Transzendentales bei ihr hat, sondern immer so ganz sachlich.
Jakobus: Jetzt kann ich mich selbst bestäuben?
Ebba: Ja, genau.
Jakobus: Ich als Pflanze.
Ebba: Genau, HmHm.
„Emanzipation im Wald“ ist der Titel des neuen Albums von JaKönigJa. Bei Was ist Musik reden Ebba und Jakobus Durstewitz über unrasierte Elfen, das ICH im Popsong, Antarktis-Grusel, Liebe zu Brahms, keine Liebe zu Belcanto, das Näherkommen der Einschläge, Einsteins Relativitätstheorie… und einiges mehr. Drei Sendungen lang. Plus drei Wiederholungen.
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Sonntag, 31.7. 2016, 19 Uhr, Wiederholung Mittwoch. 3.8., 8 Uhr
Sonntag, 7.8 2016, 19 Uhr, Wiederholung Mittwoch. 10.8., 8 Uhr
Sonntag, 14.8. 2016, 19 Uhr, Wiederholung Mittwoch. 17.8., 8 Uhr
Einschalten – oder als Freund von ByteFM  im ByteFM Archiv nachhören.

Was ist Musik? Nur noch eine Stunde. Warum?
Liebe Hörer_innen von ByteFM (wer das nicht ist, kann sich die weitere Lektüre sparen)
Das Internetradio ByteFM sendet seit 2008. Ebenso lange mache ich dort die Sendung „Was ist Musik“, immer sonntags um 20 Uhr. In den ersten zwei Jahren war die Sendung drei Stunden lang, seit 2010 zwei Stunden.
Wie alle Autoren-Sendungen bei ByteFM (im Unterschied zu den redaktionell gestalteten) wird „Was ist Musik“ nicht honoriert.
Zwei Stunden Sendezeit ohne inhaltliche Vorgaben oder Beschränkungen, das ist ein Geschenk und ein Privileg, das es in dieser Form im öffentlich-rechtlichen Radio praktisch nicht (mehr) gibt. Zwei Stunden Sendezeit so zu füllen, dass es interessant bleibt, auf der Höhe der Zeit und den Ansprüchen der Hörer_innen genügt – und den eigenen – das ist eine Aufgabe, die viel Einsatz erfordert und viel Zeit. Zeit und Arbeit, für die es kein Geld gibt, Zeit, die ich brauche, um anderweitig Geld zu verdienen. Die Möglichkeiten, im deutschsprachigen Radio mit popkulturellen Themen Geld zu verdienen, haben sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert, man braucht also mehr Zeit, um genug Geld zu verdienen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich mich entschlossen habe, meine Sendung ab sofort auf eine Stunde pro Woche zu kürzen.
Dazu noch ein paar allgemeinere Überlegungen: Zu den Besonderheiten der digitalen Marktwirtschaft gehört der Umstand, dass immer mehr qualifizierte Popkulturarbeit im Internet stattfindet – für immer weniger Geld. Das gilt für schreibende Kritiker wie für Radiomacher. ByteFM hat 2009 den Grimme Online Award bekommen. In der Begründung erinnert die Jury an alte Zeiten: „…bevor der kommerzielle Umbruch der Radiosender den geschmacksbildenden Radio-DJ durch den chartgesteuerten Computer ersetzte. Dass erst ein neues Medium genau das auferstehen lässt, was viele mit Wehmut an die früher vor dem alten Medium verbrachten Stunden zurückdenken lässt, mag Ironie des Schicksals sein. Doch ist `ByteFM´ kein verklärter Blick in die Vergangenheit, sondern eine von Musikliebhabern für Musikliebhaber gestaltete Plattform…“
Die niedlichen „Musikliebhaber“ sind zum großen Teil Musikjournalisten mit viel Erfahrung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Deren qualifizierte popkulturelle Arbeit ist im Zuge des nun schon zwei Jahrzehnte andauernden „kommerziellen Umbruchs“ immer weniger gefragt. Mit dem Siegeszug des kommerziellen Privatradios, der übrigens mit dem Fall der Berliner Mauer zusammenfällt, hat sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland von der Popkritik weitgehend verabschiedet – ruhmreiche Ausnahmen bestätigen die Regel. Entsprechende Sendungen wurden auf nächtliche Sendeplätze verschoben oder ganz abgeschafft. Meine Sendung „Der Ball ist rund“ beim Hessischen Rundfunk wurde Ende 2008 nach 24 Jahren eingestellt – knapp ein Jahr nach dem erfolgreichen Start von ByteFM…
Die Folge dieser Entwicklung: Popkritik-Profis reamateurisieren sich zwangsfreiwillig und senden unter Praktikantenbedingungen bei einem Internetradio wie ByteFM. Selbstverwirklichung gegen Selbstausbeutung – die Tauschformel der Prekaritätsökonomie. Was die Grimme-Jury in ihrer Eloge verschweigt: Dass die possierlichen „Musikliebhaber“ sich nicht bloß selbst ausbeuten, sondern dass sie unter den gegebenen ökonomischen Bedingungen sämtliche Qualitätsstandards unterschreiten müssen, die bei orthodox ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Programmen üblich sind. Von dem Geld, das bei ByteFM in ein aktuelles Zwei-Stunden-Magazin fließt, könnte ein öffentlich-rechtliches Radiofeuilleton keine zwei Minuten senden. Das ist ein weiterer Grund für die Reduzierung der Sendezeit von „Was ist Musik“: die permanente Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeit. Wenn eine Sendung ständig unter Zeit/Geld-Druck entstehen muss, dann drückt das die Qualität und damit die Freude an der Arbeit. Dann bleibt mal eine holprige Moderation drin, die man unter anderen Bedingungen noch einmal aufgenommen hätte, ein schiefer Übergang wird nicht noch mal neu produziert, es fehlt die Zeit, einen Mod-Text auszuformulieren, also redet man redundantes Zeug usw usw…die Qualität leidet. ByteFM wiederum, also die Redaktion und Ruben Jonas Schnell, der Gründer des Radios, haben keine Mittel, um unbezahlte Mitarbeiter_innen dazu zu bewegen, eine Sendung evtl. noch mal neu aufzunehmen oder anders zu gestalten. Das sind die Schattenseiten der vom Grimme-Institut gefeierten Musikliebhaberei. Und bitte rede jetzt niemand von der Romantik des Unperfekten oder vom Charme des Dilettierens, beides verbraucht sich schneller als man „Das Beste aus den Achtzigern, den Neunzigern und von heute“ sagen kann.
In der Medienberichterstattung wird immer wieder betont, dass ein Internetradio wie ByteFM im Bereich der Popkultur das leistet, was die gebührenfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen qua Auftrag leisten müssten – aber nur sehr eingeschränkt tun. Ohne eine halbwegs angemessene Finanzierung kann ByteFM das nicht leisten. Die Haupteinnahmequelle ist der Freundeskreis von ByteFM. Für 50 Euro – nicht am Tag, nicht im Monat – im Jahr kann man Mitglied werden und hat so Zugang zum Archiv, kann also Sendungen nach eigener Wahl anhören, wann man will. Dazu gibt es weitere Privilegien wie Verlosungen von Konzertkarten und Ähnliches. Wenn Ihr ByteFM unterstützen wollt, dann werdet Mitglied des Freundeskreises, Ihr könnt auch mehr zahlen als 50 Euro.
Selbstverständlich freuen wir uns auch über begabte Crowdfunderinnen oder Ölmilliardäre, die unser Radio sponsern wollen. Bis diese sich gemeldet haben bleibt „Was ist Musik“ bei einer Stunde Sendezeit, Sonntag 20 bis 21 Uhr, das selbe gilt für „Vierundzwanzig/Sieben – die Woche im Pop“, ab sofort am Montag, 18 bis 19 Uhr.
Diese Sendung heißt Was ist Musik, weil die Antwort darauf ist: alles.
Danke für die Aufmerksamkeit, Klaus Walter

Sendung verpasst? Wiederholung verschlafen? Mitglieder unseres Fördervereins „Freunde von ByteFM“ haben Zugriff  auf unser komplettes Archiv. Sie können dann sämtliche Sendungen per Mausklick starten. Die Sendungen lassen sich beliebig oft abspielen.
Durch Eure Mitgliedschaft im Verein „Freunde von ByteFM“ helft Ihr, ByteFM wirtschaftlich abzusichern, damit wir Euch unser Programm noch lange anbieten können. Und es verbessern können. Die Autorensendungen von ByteFM können nach wie vor nicht honoriert werden, das hat Folgen für die Qualität.
Alle weiteren Infos auf der ByteFM Homepage über die Menüpunkte: ByteFM Archiv oder Freunde von ByteFM
Werbeunterbrechung:
http://byte.us10.list-manage.com/track/click?u=5855ec7f923be81b1783ecc5c&id=3edf5a3632&e=5bbbf9966e
Hören, aber wie ? ByteFM lässt sich nicht nur am Computer hören. Freistehende Internet Radios, die kabellos via Wlan oder über ein DSL Kabel mit einem Router verbunden sind, lassen sich in der Küche und im Badezimmer positionieren, genau wie das gute alte Radio. Diese Radiogeräte sind schon unter 100 Euro zu haben. Tausende von Sendern sind über diese InternetRadios zu empfangen – natürlich auch das Programm von ByteFM.

Was ist Musik: sonntags 19-20 Uhr Kontakt: wasistmusik[at]byte.fm Schreibt auch an diese Adresse, wenn Ihr den Was ist Musik-Newsletter bekommen wollt. Sorry für doppelsendungen. mail nicht mehr erhalten? antworten mit betreff: austragen



WAS IN UNSEREM LAND

zu wenig vertreten ist, sind zweifellos Politiker, die sich auch einmal etwas trauen können, ohne zuerst ihren Vorsitzenden oder die Sekretärin zu fragen. Da ist doch Dr. Maximilian Krah, Beisitzer im Dresdner CDU-Kreisvorstand, eine vorbildliche Ausnahme. Der Mann, der in seiner Freizeit auch als Rechtsanwalt tätig ist, hatte letzten Freitag in München zu tun, wo ihm jedoch nichts passierte, und verbreitete über Twitter um 20h53, als „die Nachrichtenlage und die Hintergründe der Tat völlig unklar“ waren, laut Sächsische Zeitung „in einem inzwischen gelöschten Beitrag“: „Ich bin in München. Das muss der Wendepunkt sein: Die Willkommenskultur ist tödlich. Es geht um unser Land!“

Und wie dankte die Öffentlichkeit dem „fidelen Jurist“ (junge Welt), dass er sich zu einem zweifellos frühen Statement durchzuringen imstande war? Mit einem vollkommen ungerechtfertigten sog. Shitstorm. Auf den Dr. Krah im Interview verständlicherweise so reagierte: „Man hat fast den Eindruck, mein Satz ist schlimmer als der Terror.“

Als ich mir nun die persönliche Seite des 1977 geborenen Katholiken und Vaters von fünf Kindern ansah, bestätigte sich meine Vermutung, dass es sich hier endlich einmal um einen etwas interessanteren Politiker handelt: nicht nur weil er „in Dresden Jura (Dr. iur.) und in London und New York Betriebswirtschaft studiert“ hat, sondern obendrein freimütig bekennt: „interessiert sich für Kunst, Literatur, Philosophie, Theologie, Mode und Politik.“ Jemand wie ich, der manchmal selbst etwas schreibt, kann von derart interessierten Politikern kaum genug bekommen.

Auf seinem hochinteressanten Weblog weiß Dr. Krah außerdem zu diesem schicksalshaften Tag zu berichten: “ Mein Rückflug war für 21:30 Uhr geplant, und zuvor hatte ich mich noch spontan mit dem Schriftsteller Michael Klonovsky im Englischen Garten verabredet.“ Ich muss gestehen, dass ich das etwas neidvoll las – warum gibt es Schriftsteller, die das Glück haben, sich spontan mit einem hochrangigen Politiker zu treffen, während mir das nie gelingt? Obwohl ich naturgemäß nicht alle deutschen Schriftsteller kennen kann, kam mir der Name Klonovsky doch sehr bekannt vor.

Michael Klonovsky war viele Jahre der führende Schriftsteller beim Nachrichtenmagazin Focus, ehe er sich im Mai 2016 nach einer neuen Herausforderung umtat. „Ich bin auf Frau Petry, wie man sagt, zugegangen. So gehört es sich doch auch, oder? Der Herr dient sich der Dame an“, äußerte er sich geschliffen wie immer im taz-Interview und präzisierte: „Ich stelle ihr und der AfD gewissermaßen meinen Kopf zur Verfügung. Im angelsächsischen Raum gibt es für das, was ich tun soll, die Bezeichnung Spin Doctor. Alles Weitere wird sich ergeben.“

Meine Freude darüber ist wohl verständlich, wenn ich sage, dass ich alle seine Bücher (nebst vielen Artikel, die auch im Internetz leicht zu finden sind) mit Begeisterung gelesen habe. Ein Beispiel aus einem seiner Werke mit Notaten und Gedanken zum Tagesgeschehen mag als Begründung genügen. Am 20. August 2012 notierte der politisch engagierte Dichter: „Die Verurteilung war völlig angemessen, aber das Strafmaß, das die russische Justiz wegen schweren Hausfriedensbruchs in der Moskauer Erlöser-Kathedrale über die haarscharf jenseits der Zurechnungsfähigkeit agierenden »Pussy Riot«-Maiden verhängt hat, ist natürlich absurd hoch – ungefähr so absurd hoch wie hierzulande die Strafen für Holocaust-Leugner. Aber jedes Land bestraft eben die Schändung seiner Primärreligion besonders hart.“

Trotz des humorvollen Untertons bei „Primärreligion“ machte mich der neue Posten von Michael Klonovsky doch auch etwas nachdenklich. Denn es ist wohl nicht gewagt, seine sicher nicht leichte Tätigkeit für Frau Frauke Petry und ihre AfD als den berühmten Schleudersitz zu interpretieren, und es erfüllt mich doch etwas mit Sorge, wenn ich mir die naheliegende Frage stelle, auf welche Art dieser talentierte Dichter seinen Kopf dann zur Verfügung stellen könnte. Und damit sind wir, wie so oft, nur äußerst geringfügig vom ursprünglichen Thema abgekommen.



MÜHSAM BLEIBT

Die junge Welt vom 6.7. konnte eine freundliche Nachricht melden: „Das Ehrengab für den Schriftsteller und Anarchisten Erich Mühsam ist vom Berliner Senat endlich verlängert worden. Es war 2010 abgelaufen und weitergepflegt worden. Der Senatskanzlei waren mehrere hundert Unterschriften für den Erhalt übergeben worden. Der wurde vom zuständigen Gremium des Senats nun beschlossen, der Rat der Bürgermeister sowie das Abgeordnetenhaus haben der Entscheidung zugestimmt. Erich Mühsam war in der Nacht vom 9. zum 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg ermordet worden. Er ist auf dem Waldfriedhof Berlin-Dahlem begraben, wo seit 1992 auch die Urne seiner Ehefrau Creszentia liegt. Am kommenden Sonntag, Mühsams 82. Todestag, treffen sich wie jedes Jahr seine Anhänger zwischen 15 und 19 Uhr an seiner Grabstätte, um seiner zu gedenken.“

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NICHTS ZU DANKEN

Laut meinem Kenntnisstand musste ich die Vermutung haben, dass Bundespolizisten relativ gut ausgebildet sind. So war ich doch etwas überrascht über eine Äußerung der Beamtin Claudia Pechstein, die in ihrer knapp bemessenen Freizeit auch fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin geworden war.

Die 44-Jährige, die in Uniform vor dem Bundesgerichtshof erschien, sagte laut Presseberichten: „Wir Sportler sind scheinbar Menschen zweiter Klasse.“ Das ist auch mein Eindruck, dass erfolgreiche deutsche Sportler keine Menschen zweiter Klasse sind. Selbst dann nicht, wenn sie nicht wissen was „scheinbar“ bedeutet: Der Schein trügt, die Realität sieht anders aus. Falls man etwas bei Tasse ist, versteht man, was die Beamtin damit sagen wollte: dass sie und andere Leidensgenossen anscheinend Menschen zweiter Klasse sind. „Anscheinend“ ist ein Wort, dem mit höchster Vorsicht begegnet werden sollte: wenn meine Oma sagen würde, „anscheinend bin ich die Größte“, hätte ihr nicht einmal Muhammad Ali das Gegenteil beweisen können.

Diesen ihren falsch ausgedrückten Eindruck präzisierte Polizistin Pechstein auch noch mit diesem Vergleich: „Jeder Flüchtling, der nach Deutschland kommt, genießt Rechtsschutz. Wir Sportler nicht.“ Meine Oma hätte dazu, zweifellos nicht ganz passend, nur geknurrt: Dann hätten Sie halt was Gescheites gelernt! Während wir die angespannte Situation der Beamtensportlerin in dieser Situation verstehen können und über ein passenderes Beispiel nachdenken. Vielleicht so: „Jeder besoffene bayrische Mann, der seine Frau absticht, weil sie zu blöd war, das Finanzamt richtig zu bescheißen, genießt Rechtsschutz. Wir Sportler nicht.“

Wir wissen nicht, was die uniformierte Exeisschnelllaufläuferin dazu sagen würde. Aber wir helfen immer gern. Wenn die Sportabteilung Probleme hat, muss eben die Abteilung für Sprache und Zweifel antreten. Eine Gesellschaft kann nur dann funktionieren, wenn die verschiedenen Rädchen auf die anderen Rädchen achten. Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Wochenende. Und denken Sie daran: Das Eis kann immer dünn sein!



EINE ANDERE ROLLE

Lesung von & mit Viv Albertine. Gast: Conny Lösch (Deutsche Übersetzung). Im Optimal Records, Kolosseumstr. 6, München, Dienstag, 24.05.16, Einlass 20:00 Uhr, Beginn 20:30 Uhr, Eintritt 10,00 €

 

„London, Mitte der Siebziger. Die Popkultur wird neu erfunden, in der revolutionären Ursuppe des Punk scheint alles möglich. Aber gilt das auch für Frauen? Gibt es außer Groupie, Elfe oder Rockröhre noch andere Rollen? Besteht vielleicht zum ersten Mal die Chance, mit allen Typical-Girl-Klischees aufzuräumen, statt selber eins zu werden? Viv Albertine wurde zum Riot Girl, lange bevor es diesen Ausdruck gab. Bei den legendären Flowers of Romance kreierte sie neben Sid Vicious (später Sex Pistols) und Keith Levene (später PIL) ihren individuellen Gitarrensound. Um dann mit den Slits, der ersten autonomen Frauenpunkband, die Türen aufzustoßen, durch die später Madonna oder Lady Gaga eigene Wege gehen konnten. Wie die Punkszene entstand, wie sie aus weiblicher Sicht erlebt und feministisch neu erfunden wurde und welche Rückschläge es dabei gab – all das wurde noch nie so plastisch und zugleich so reflektiert, so abgeklärt und zugleich so amüsant geschildert wie von Viv Albertine in ihrem umwerfenden Memoir. Shoes off!“